Kapitel 4

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In den nächsten Tagen kamen ich und meine Mutter immer auf die Weide. Dan holte uns am späten Vormittag aus der Box und führte uns den gewohnten Weg entlang.

Ich hatte die anderen Pferde nun auch kennengelernt: Ein anderes Fohlen hieß Sylvett, sie war eine etwas dunklere Stute mit einer breiten Blesse auf dem Kopf. Sie war sehr spritzig und wild, aber auch sehr neugierig.

Am zweiten Tag, als ich auf der Koppel war, standen Darice und Sylvett friedlich nebeneinander. Als Darice das Klappern meiner Hufe hörte spitzte sie sofort die Ohren und kam auf mich zu. Sylvett war ihr prompt gefolgt und hatte mich nur kurz beschnuppert, bevor sie uns zum Spielen anspornte. Ich war allerdings immer in der Nähe meiner Mutter geblieben, die sich leise mit Sylvetts Mutter Salvia unterhielt.

Salvia war schon etwas älter und Sylvett war ihr letztes Fohlen, dass sie bekommen hatte. Sie hatte eine genauso dunkle Färbung wie ihre Tochter und die Blesse schien ihr auch, wie bei einem Ebenbild zu gleichen.

Georgina war eine andere Stute, mit der meine Mutter gut befreundet war. Sie hatte ein Hengstfohlen schon vor drei Wochen zu Welt gebracht, der somit der älteste von uns war.

Er hieß Fister und war auch sehr wild und spritzig wie Sylvett, aber in Sachen Neugier hielt er sich zurück. Er war nicht so erpicht darauf neue Dinge oder neue Pferde kennenzulernen und tat oft so, als wäre er der Gruppenchef, wenn wir Fohlen gemeinsam spielten.

Die richtige Herdenleiterin war allerdings eine Stute, im Alter meiner Mutter. Sie hatte auch ein Hengstfohlen zur Welt gebracht, dass allerdings viel zurückhaltender war.

Er hieß Percy und in seinem Fell schimmerte ein dunkler Ton an seinen Flanken, der zu seinem hellen Fell eigentlich nicht hingehörte. Er hatte außerdem einen Stern auf der Stirn.

Immer wenn ich Dan sah, der kam, um uns abzuholen, warf er einen skeptischen Blick auf Percy und murmelte etwas davon, dass selbst er sehe, dass man mit ihm nicht weiter züchten kann oder manchmal fragte er sich wie nur dieser dunkle Ton in sein Fell gekommen war. Ich wusste nicht was das bedeutete, dennoch wusste ich, dass ich nichts besonders Gutes hieß.

Ansonsten standen noch drei weitere Hengstfohlen mit ihren Müttern auf der Koppel:

Temis, ein aufgewecktes Fohlen, dass dennoch nicht so wild und spritzig war.

Bendit, der sich immer freute neue Gesichter kennenzulernen und dessen Neugier kaum zu zügeln war.

Und Ivano, der sogar nach mir geboren wurde und so die meiste Zeit bei seiner Mutter Lyssa blieb.

Wenn ich nicht gerade mit den anderen über die Wiese raste, stand ich hungrig bei meiner Mutter und trank, um meine Kräfte wieder aufzuladen. Manchmal lagen wir auch nur gemütlich im Gras und ließen uns die Sonne auf das Fell scheinen oder schliefen. Das taten wir dann aber nicht lange, denn Sylvett war spätestens nach einer halben Stunde wieder aufgestanden und knuffte uns ins Fell, bis wir uns ebenfalls aus dem Schlaf losrissen und uns gegenseitig über die Koppel jagten.

Eines Nachmittags passierte dann ein Unglück: Als ich mal wieder als letzter auf der sonnenbeschienenen Koppel eintraf, stürmten wir wieder alle zusammen über die Wiese. Allerdings war der Boden diesmal etwas nass und schlammig, da es am Vortag stark geregnet hatte und die Sonne noch nicht alles getrocknet hatte.

Wir rannten einen kleinen Hügel in der Mitte der Koppel hinauf. Wir mussten hintereinander laufen, so kam zuerst Fister, dann Sylvett, dann Darice, ich, Temis, Ivano und zum Schluss Bendit. Wir waren schon alle oben angekommen und blieben übermütig mit einem Buckeln stehen. Bendit war weiter hinter uns weg gewesen, weil er am langsamsten laufen konnte und als er gerade den Hügel hochsprintete, hörten wir plötzlich einen lauten Knall. Ich weiß bis heute nicht, wo dieser herkam. Alle erschreckten sich natürlich und Sylvett stieg sogar auf die Hinterbeine, doch Bendit blieb erschrocken mit einem Ruck stehen, doch durch den Schwung, den er immer noch hatte, rutschte er aus und schlitterte den Hügel hinunter.

Er stieß ein er erschrecktes Wiehern aus und sein Kopf prallte hart gegen einen Baum, der ein paar Meter entfernt bei dem Hügel stand. Sein Kopf sackte kraftlos auf den Boden und seine Atmung wurde für einen Moment laut und schwer. Einmal hob er noch den Kopf und sah seine Mutter an, die das Geschehen bestürzt beobachtet hatte und sein Kopf sank zu Boden. Aber diesmal hob er ihn nicht mehr.

Sofort kamen ein paar ältere Stuten, darunter auch Bendits Mutter Cassiopeia angetrabt und sahen ihn. Georgina fragte ihn, ob er aufstehen könne, doch Bendit blieb regungslos liegen. Man konnte das pure Entsetzten auf Cassiopeias Gesicht entdecken, die ein bestürztes Wiehern von sich gab. Percy schnupperte betroffen an Bendit, doch Cassiopeia schickte ihn und uns anderen weg. Sie stand allein mit Heaven, Percys Mutter da und trauerte.

Es war nicht sicher, dass er tot war, aber als Dan am Abend kam und die beiden Stuten mit Bendit sah, zog er ein Gerät aus der Tasche und sprach einige Momente später etwas hinein.

Er musste nicht lange warten, bis ein Mann mit einem Koffer in der Hand kam und aus seinem Auto stieg. Er beredete etwas mit Dan, während er zu Bendit lief. Ich verstand nicht was er sagte, doch als er schließlich nach einer Untersuchung den Kopf schüttelte, wussten wir alle was geschehen war: Bendit weilte nicht mehr unter uns. Ich fragte meine Mutter wie denn so etwas passieren konnte, wo doch Bendit nur ausgerutscht war und sie meinte, dass er sich wahrscheinlich das Bein gebrochen hatte und bewusstlos geworden war. Wegen irgendetwas war er dann wohl erstickt.

Drei Tage lang, stand Cassiopeia reglos da und bewachte Bendit, in der Hoffnung, dass er wieder aufwachen würde, doch vergebens.

Sie ließ sich von Dan nicht in den Stall bringen und auch wenn er mit etwas Leckerem wie einer Karotte kam, blieb sie stur stehen und rührte sich nicht von der Stelle. Auch über Nacht. An Bendit ließ sie auch keinen ran, weder Mensch noch Pferd, auch wenn er dort immer noch regungslos am Fuß des Hügels lag. Sobald sich jemand näherte trat sie mit dem Huf aus und es war in dieser Zeit zu gefährlich sich ihr zu nähern.

Am dritten Tage musste Dan allerdings Bendits toten Körper wegbringen, bevor er anfing auf der Koppel zu verwesen. Cassiopeia hatte sich strickt gewehrt, doch Dan hatte es geschafft, sie mit Hilfe eines anderen Mannes in den Stall zu bringen und Bendit wegzutragen. Wir schauten ihnen dabei zu und sahen, dass Dan und sein Helfer dabei einige Kratzer abbekamen, wenn Cassiopeia schnappte oder versuchte nach ihnen zu treten.

Erst zwei Tage später kam sie wieder auf die Koppel. Sie hatte sich fast komplett beruhigt, doch immer, wenn Dan oder ein anderer am Zaun vorbei gingen, trabte sie auf jenen zu in der Hoffnung, dass dieser ihr Fohlen doch noch, gesund du lebendig zurückbrachte.

Wir anderen spielten weiter und liefen über die Weide, doch immer, wenn wir auf den Berg hoch rannten, achteten wir darauf, dass wir nicht zu schnell waren und dass es trocken war.

Nakitor II DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt