Kapitel 12

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Am nächsten Morgen wachte ich auf. Ich hatte nicht richtig geschlafen, sondern nur im Stehen gedöst, denn ich hatte mich nicht wohlgefühlt. Bei jedem Geräusch, das sich anhörte wie Schritte, hatte ich nervös meine Augen aufgeschlagen.

Dieses Mal, waren es aber richtige Schritte. Der Mann ging die lange Stallgasse entlang und steuerte auf den hinteren Teil zu. Kam er zu uns? Bitte nicht!

Ich verließ die Box und trat auf den Paddock, um aus sicherer Entfernung beobachten zu können, was als nächstes geschah. Er kam näher auf uns zu und hielt einen abgenutzten Führstrick in der Hand.

Doch er öffnete nicht meine Box, sondern eine Box vor mir. Zuerst war ich froh darüber gewesen, doch dann viel mir ein, dass hier die alte Stute stand. Die Boxentür knarrte, als der Mann diese öffnete. Ich blickte die Stute unglücklich an, doch in ihren Augen spiegelte sich nur Traurigkeit, bevor sie sich in Richtung des Mannes drehte und sich den Führstrick ruhig an das Halfter befestigen ließ. Dann lief sie brav neben ihm her aus dem Stall hinaus. Ich sah ihr nach und wollte mir nicht einmal vorstellen, was ihr jetzt passierte.

Ich drehte mich in die andere Richtung und streckte meinen Kopf über die Boxenwand, um zu sehen was Percy gerade machte. Als ich zu ihm hinüber sah schaute er auf. Er hatte an einem Strohhalm gekaut und musterte mich lustlos. „Was sollen wir nun machen?", fragte ich ihn. Hier kamen wir nicht auf die Weide, wahrscheinlich weil unsere Tage schon gezählt waren. Jeden Tag wurden ungefähr drei Pferde weggeführt und es gab immer noch die Chance, dass Percy und ich heute dran waren. Percy zuckte nur mit den Ohren, als hätte er etwas gehört und schaute auf den Hof hinaus. Er wusste auch nicht, was wir jetzt tun sollten. Ich folgte seinem Blick und sah ein Auto mit Anhänger in die Einfahrt einzubiegen. Kam wieder ein Pferd, dass den Menschen nicht mehr passte? Ich fand Menschen nicht mehr ganz so toll, als ich von der alten Stute erfahren hatte, warum wir hier waren.

Im Auto wurde der Motor abgestellt und aus der Tür stieg eine Frau mit langen, blonden Haaren aus. Der Mann, der Schlachter kam auf sie zu und die Frau führte ein weißes Welshpony heraus. Sie gab dem Mann den Führstrick in die Hand und rief dem Mann etwas zu, bevor sie in das Auto stieg. Das Pony wurde in den Stall geführt, in die Box neben meiner. Ich musterte es interessiert. „Was starrst du mich so an?", fragte es mürrisch. Ich wandte den Blick ab. Welche Laus war dem denn über die Leber gelaufen. Ich versank entrüstet meinen Kopf in das Heu und vergaß für einen Moment, warum ich hier war.

„He, Haflinger!", rief das Pony. Ich und Percy drehten uns gleichzeitig um. „Was ist das hier eigentlich für ein Hof. Nach einem Zuchtbetrieb sieht es mir hier nicht aus."

Augenverdrehend drehte ich mich wieder um. „Ein Schlachthof", murmelte ich und wurde selbst wieder wütend.

Plötzlich spitzte das Pony seine Ohren. „Habe ich mir es doch gedacht", nuschelte das Pony mürrisch, „und mit euch muss ich hier meine letzten Tage verbringen?", schnauzte es uns an. Voller Empörung stampfte ich mit dem Fuß auf und machte mich groß, doch den Schimmel schien das nicht im Geringsten zu beeindrucken.

„Du kennst uns doch nicht mal", meinte ich erbittert. Dem Pony war das egal und es wandte sich unhöflich von uns ab. Gelangweilt trat ich auf den Paddock hinaus und beobachtete, wie der Mann schon wieder auf uns zukam. Er blieb diesmal am Anfang der Stallgasse und holte einen Criollo Wallach aus seiner Box. Er machte einen großen Aufstand, doch am Schluss gewann der Mensch und widerstrebend folgte der Wallach dem Mann. 

Nakitor II DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt