Kapitel 11

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Es regnete an dem Tag, an dem ich und Percy in den Anhänger geführt wurden. Die anderen Fohlen waren auf der Koppel geblieben. Gab es wieder eine Vorführung? Aber warum hatten wir dann nicht geübt? Neugierig was uns am Ende unserer Fahrt erwartete trat ich brav in den Anhänger. Percy ging nicht so freudig hinein. Er mochte diese Fahrten nicht, genau wie ich, aber er hatte auch keine Lust im Regen vorgeführt zu werden.

Ich fraß das trockene Heu, während das Auto ansprang. Dan fuhr diesmal allein mit uns, ohne Jenny. Mich juckte es doch, da die Box zu klein war konnte ich mich nicht wälzen. Ich versuchte meinen Kopf nach hinten zu drehen, doch es funktionierte nicht so ganz.

Nach kurzer Weile vergas ich es schon wieder, denn ich sah aus dem Fenster und beobachtete die Landschaft. Wir fuhren auf einer Hauptstraße, auf der sehr viel andere Autos fuhren. Auf einer Seite der Straße begann der Wald und auf Percys Seite, waren nur Wiesen.

In der Ferne sah ich einen großen Hof und als wir näher kamen sah ich zehn Pferde und Fohlen, die in einer Box mit kleinem Paddock davorstanden.

Als das Auto langsamer wurde, bemerkte ich, dass Dan in die Einfahrt des Hofes einbog.

Ein Mann kam auf den uns zu, als Dan und aus dem Anhänger führte. Er redete mit Dan und dieser übergab ihm dann den Führstrick. Dan verabschiedete sich von dem Mann, allerdings nicht von uns. Der Mann führte uns über den Hof und ein paar ältere Pferde blickten uns traurig entgegen, während die jüngeren neugierig die Köpfe nach uns ausstreckten.

Der Mann öffnete die Stalltüren und führte uns die Stallgasse hinein. Wir liefen bis ganz nach hinten und einige Pferde drehten sich vom Paddock weg und beobachteten uns.

Der Mann führte mich in die vorletzte Box und Percy in die hinterste. Die Boxen waren lang nicht so geräumig und groß, wie die auf dem Haflingerhof und auch nicht so hell. Neben mir stand eine alte braune Noriker-Mix Stute mit weißen Beinen und einem kleinen Fleck auf der Stirn. Betrübt sah sie uns an, bevor sie sich abwandte.

„Wo sind wir?", fragte Percy. Ich wunderte mich auch, denn ich hatte gedacht, dass wir vielleicht wieder vorgeführt würden, doch ich hatte mich scheinbar getäuscht.

Ich drehte eine Runde durch die Box, doch die Runde war sehr klein, da die Box nicht besonders geräumig war. Ich verließ das Innere durch die Schwelle und ging auf den Paddock. Auf dem Hof war nicht viel los. Es war kein Reitbetrieb, aber ein Zuchtbetrieb konnte es auch nicht sein. Was war er dann?

Ich sah wieder die braune alte Stute, die neben mir stand.

„Was ist das hier?", fragte ich sie. „Oh Kleiner, das willst du lieber nicht wissen", sagte sie.

Das wunderte mich. Ich hatte so etwas in der Art erst einmal schon gehört und das war, als ich meine Mutter gefragt hatte, was mit Estelle los war. Sie hatte ich seit der Fohlenshow auch nicht mehr gesehen. Würde ich sie überhaupt wiedersehen?

Neben der alten Stute stand ein hübscher Englischer Vollblut Hengst mit Fuchsfarbenem Fell. Er konnte noch nicht älter als drei sein, doch er tänzelte immer wieder hin und her lief wieder in die Box und danach auf den Paddock. Er wollte sich bewegen.

In diesem Moment kam ein Mann und öffnete den Zaun der Paddockbox. Er befestigte einen Strick an dem Halfter und führte in weg. Kam er nun auf die Weide?

„Wo bringen sie ihn hin?", fragte ich die alte Stute und erhoffte mir diesmal eine richtige Antwort.

Die alte Stute musterte mich eindringlich. „Wie heißt du?", wollte sie wissen, auch um mich von meiner eben gestellten Frage abzulenken.

„Nakitor", sagte ich und reckte stolz meinen Hals.

„Hör mal Nakitor", begann sie, „du brauchst nicht stolz sein."

Was sollte denn das nun heißen?

„Du wirst nicht mehr lang hier sein. Das hier ist ein Schlachthof."

Der Schreck traf mich wie ein Blitz. Was?! Nein! Das konnte nicht sein! Dan war immer so nett zu mir gewesen. Er konnte mich nicht einfach wegschaffen.

„Nein, das stimmt nicht!", rief ich, „das kann nicht sein!"

Unglauben breitete sich in mir aus. Wieso? Hatte es... hatte es mit dem Stückchen Papier zu tun, dass ich und Percy hier gelandet waren. Das war doch nicht fair! Was war falsch an uns? Wir waren doch immer brav gewesen und hatten immer auf Dan gehört...

„Doch Kleiner. Ich wollte es dir nicht sagen, aber du wolltest ja. Wir sind in den Augen nicht gut genug für sie."

Wenn ich weinen gekonnt hätte, hätte ich es wahrscheinlich nun getan.

„Was haben wir denn falsch gemacht?", rief ich aus und es kam mir immer noch so unreal vor, dass ich es nicht sofort realisierte.

„Nichts", meinte die Stute, „zumindest die meisten. Manche hier sind Problempferde, die man nicht in den Griff bekommt, aber wir anderen sind entweder alt, sodass keiner uns mehr haben will, weil unsere Tage sowieso bald gekommen waren, manche hier kommen direkt von der Rennbahn, da sie zu alt für die Regeln geworden sind oder wir entsprechen nicht dem Zuchtideal." Wie vom Blitz getroffen drehte ich der alten Stute die Hinterhand zu und verließ den Paddock in die Box. Ich versenkte meine Nase in das Heu, das in der Ecke lag und versuchte zu verarbeiten, was die alte Stute gerade gesagt hatte.   

Nakitor II DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt