Kapitel 1

118 8 0
                                    

Warum nochmal war ich früh morgens in einem alten verrosteten Bus der so aus sah, als würde er jeden Augenblick auseinander fallen, eingestiegen?

Ach ja, weil es keinen erste Klasse Flug nach dem Kaff das mein Onkel Heimat nannte gab.

Und dieses Kaff hieß in Wirklichkeit Mammoth Lakes.

Ich hatte mich vor drei Tagen so heftig mit meinem Dad gestritten, dass es damit ausartete, dass er die Hand gegen mich erhob.

Ihm gefiel meine ,,Lebensweise" nicht. Als ob es ihm jemals interessierte wie ich mein Leben führte. Ständig ist er entweder arbeiten oder sich am betrinken. Oder beides gleichzeitig!

Er war nur bei einer ganz bestimmten Uhrzeit komplett nüchtern. Und das war morgens nach dem Aufstehen.

Und da ich das wusste verbrachte ich die meiste meiner Zeit bei meiner besten Freundin Lilly, die genau gegenüber einer Bar wohnte in der wir so gut wie jeden Abend nach Schichtende hingingen.

Ich arbeitete als Kellnerin. Okay, eigentlich bräuchte gar nicht arbeiten, da mein Vater reich war, aber ich tat es aus reiner Lust und Laune.

Immerhin war ich 19 Jahre alt. Ich hatte die High School erfolgreich abgeschlossen und kein Plan was ich als nächstes machen wollte, abgesehen davon meine Zeit zu genießen. Und das mit meiner besten Freundin und meinem Freund Eric.

Und das war auch das Problem meines Vaters. Er verlangte von mir Medizin studieren zu gehen. Aber ich war strickt dagegen. Ich wollte es einfach nicht. Ich wollte nicht studieren gehen und schon gar nicht Medizin.

Ich sah zu meinem Rucksack runter, der mit vielen verschiedenen Pailletten besetzt war. Ich hatte ihn damals mit meiner Mutter dekoriert. Als mein Dad ihn mir gekauft hatte, hatte ich bei seinem Anblick kritisch meine Augenbrauen zusammengezogen. Daraufhin kam meine Mutter auf die glorreiche Idee ihn zu beschmücken. Und genau das hatten wir getan.

Dieser Rucksack, sowie ein altes Foto von ihr waren das einzige, was von ihr übrig blieb.

Sie starb an meinem 12. Geburtstag.

Eine einzelne Träne kullerte meine Wange herunter, als ich anfing an unsere gemeinsame Zeit zurück zu denken.

Ich vermisste sie so sehr.

Ich sah von meinem Rucksack wieder aus dem Fenster, wo sich wie seit Stunden schon nur noch dichte Bäume und Wälder sehen ließen.

Warum hatte ich auch an diesem blöden Tag ausgerechnet morgens meine Designertasche holen wollen?

Wäre ich nachmittags hingegangen, dann hätte ich meinen Vater nicht begegnet und es wäre auch nicht zu all dem gekommen. Und dann würde ich auch nicht in diesem alten verrosteten Bus  auf dem Weg ans andere Ende der Welt sitzen.

Ich sah dem Wald wütend entgegen und hoffte innerlich er würde wie von Zauberhand verschwinden.

Ich hasste Wälder. Schon seit ich damals mit meiner Mutter einen Mutter- Tochter Tag im Wald machte und dort von fast allen Sachen fertig gemacht wurde, die es im Wald gab.

Angefangen bei den Ästen über denen ich immer wieder stolperte, den Bäumen durch die sich meine Kleidung verklebte, weil da irgendein klebriges Zeug dranhaftete. Und nicht zu vergessen den ganzen Tieren. Von Vögeln, über Eichhörnchen bis hin zu Regenwürmer hatte ich allesamt schlechte Erfahrungen gemacht. Und zum Schluss waren da noch diese unheimlichen Geräusche. Besser gesagt Geheule. 

Die eines Wolfes.

Jeden Abend hörte ich sie, wenn wir in unserem Zelt schliefen und auch wenn meine Mutter zu mir meinte, dass sie mir nichts tun würden, fiel es mir schwer einzuschlafen.

Und seit dem ging ich nie wieder in den Wald.

Ich war ein Stadtmädchen. Ich liebte die Großstädte und die vielen Menschen Sammlungen.

Doch jetzt konnte ich mich von all dem verabschieden.

Der Bus kam zum Stehen und ich blickte direkt auf ein Haufen Häuser und Gebäude, die gar nicht mal so schlecht ausssahen. Okay sie waren alt, aber man konnte ihnen ansehen, dass sie frisch gestrichen waren und einige teilweise neu renoviert.

,,Willst du jetzt aussteigen oder nicht?" kam die genervte Stimme des Busfahrers, der mich aus seinem Rückspiegel ungeduldig ansah.

Ich verdrehte die Augen und stand auf.

,,Eigentlich ja nicht, aber ich habe leider keine andere Wahl." meinte ich zu ihm, bevor ich meinen Koffer runter holte und mein Rucksack aufsetzte und dann aus dem Bus ausstieg.

Die frische Waldluft wehte mir ins Gesicht und erst jetzt bemerkte ich, dass ich seit Stunden in einem nach Käsefüßen stinkenden Bus saß

Angewiedert schüttelte ich den Kopf und holte mein Handy raus.

Sofort wählte ich die Nummer von Eric und startete einen Videoanruf.

,,Kara?" kam es dann von meinem Handy und nach einem kurzem Rascheln sah ich in das Gesicht meines Freundes.

,,Hi, ich wollte dir Bescheid geben, dass ich angekommen bin und dich jetzt schon schrecklich vermisse."

,,Ich vermisse dich auch mein Schatz. Ich bin mir sicher in ein paar Monaten bist du wieder zurück und kannst dein Leben wieder normal weiter leben. Und keine Sorge, ich werde dich so oft es geht besuchen kommen."

,,Das ist so süß von dir. Danke. Komm ich zeig dir die Stadt."

,,Ja zeig mal."

Ich ging den kleinen Kieselweg entlang und zeigte meinem Freund alles, was sich gerade in meiner Umgebung befand.

,,Das sieht ja so au-" Plötzlich brach seine Stimme ab und das Bild fror ein.

,,Eric? Eric, kannst du mich hören? Hallo Eric?"

,,Hier gibt's kein Netz." meinte auf einmal eine Stimme hinter mir.

Ich drehte mich fragend um und sah einen Jungen mit blonden Haaren und braunen Augen an der Laterne angelehnt.

Wie konnte er plötzlich so schnell hier auftauchen? Bis vor einer Minute war hier noch keine Menschenseele und jetzt...

,,Ich, du-" Ich unterbrach mich selbst, weil ich nicht wusste, was ich sagen wollte.

,,Du musst wohl später mit deinem Freund reden. Komm ich zeig dir den Weg."

Er lief lässig vor mir her und wie von selbst folgte ich ihm.

,,Weißt du überhaupt wo ich hin muss?"

,,Zu Daniel Sailhal." Ich sah ihn überrascht an.

,,Okaaay? Und woher weißt du das?"

,,Weil dein Onkel es mir gesagt hat."

,,Und wieso sagt er dir sowas? Wer bist du überhaupt?"

Plötzlich blieb er stehen und ich konnte mich gerade noch stoppen nicht gegen seinen Rücken zu knallen, so schnell wie wir gelaufen waren.

Dann drehte er sich um und lächelte mich charmant an.

,,Tut mir leid. Mein Fehler. Ich bin Jase. Und dein Onkel Daniel hat mich gebeten dich von der Bushaltestelle abzuholen, da er noch kurz etwas erledigen wollte."

Ich nickte nur.

,,Und du bist Kara Summer. Seine Nichte, die sich mit ihrem Vater gestritten hat, der ihr alle Bankkonten gesperrt hat und die schweren Herzens hier her nach Lakes ziehen musste."

Ich verdrehte genervt die Augen, deswegen, weil er genau den Hammer auf den Nagel getroffen hatte.

,,Deinem Gesichtsausdruck zu urteilen, stimmt die Geschichte also."

Ich seufzte. ,,Ja. Sag bloß Daniel hat dir das erzählt?"

,,Was denkst du wohl? Okay eigentlich nicht direkt mir, aber hier in Lakes erzählt sich jeder alles. Also kam eins zum anderen und nun weiß die ganze kleine Kleinstadt wer du bist."

,,Na vielen Dank auch."

,,Gerngeschen." Er drehte sich wieder um und lief wieder vor mir her. Und ich ihm hinterher.

Soul Mates Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt