Kapitel 7 - Kampf

223 19 34
                                    

Na? Haste Schiss?, fragte mich der große Muskelprotz vor mir.

Wieso sollte ich?, gab ich ruhig von mir. Der schwarze British Columbian Wolf taxierte mich so gekonnt und einschüchternd, dass ich beinahe ängstlich schlucken musste. Verärgert über mich selbst gab mir mein Menschen-Ich innerlich eine Ohrfeige. Mein anderes Ich spürte zwar nichts, aber dieser Phantom-Schlag hatte mich wachgerüttelt: Breitbeinig und mit gespannten Muskeln und hochkonzentrierten Sinnen stellte ich mich vor ihn. Meine goldenen Augen bohrten sich warnend in seine Gelben.

‚Noch einen Schritt weiter und du bist Frischfleisch', sollte das heißen. Dazu fauchte ich gefährlich leise. Ich ahnte, dass der Beta unseres Wolfsrudels meine stumme Botschaft verstanden hatte, als er mich genauso wütend ansah. Meine Mimik und Körpersprache gaben so wenig wie möglich preis. Sjur sollte nicht wissen, wie beunruhigt und nervös ich in Wahrheit war. Das brauchte ihn nicht zu interessieren.

Seine Botschaft, die er mir mittels eindringlichem Augenstarren und Körpersprache überbrachte, interessierte mich dagegen sehr wohl. Ich gab mich gelassen, als ich sie verstand. Aber der Schein trog. ‚Provoziere noch ein einziges Mal mein Rudel und mich und du bist tot!'. Die Botschaft. Kurz, knapp und schmerzlos. Ich wusste allerdings ganz genau, dass ich das Wolfsrudel weiter sticheln würde. Es ging einfach nicht anders. Es war wie mein distanziertes, misstrauisches Verhalten: Ich war darauf geprägt worden, nicht so schnell klein beizugeben.

Der Wolf vor mir begann, um mich herum zu schleichen, um erstens mein Bewegungsmuster zu erkennen und, um zweitens. eine Schwachstelle zu finden. So durchschaubar. Ich pirschte ebenfalls mit leicht geducktem Kopf und sprungbereitem Berglöwenkörper um ihn herum. Wir musterten uns, während wir, ohne einen einzigen Laut zu machen, über das Gras gingen. Ich sah mein Spiegelbild in seinen Augen, die mich zu erdolchen versuchten. Ein mittelgroßer Berglöwe, unter dessem dichten Fell sich die stahlharten Muskeln abzeichneten. Meine Größe und Fell wurden allerdings von meinem Gegner gut ausgewogen: Auch Sjur hatte als Wolf ein dichtes Winterfell, das nicht so leicht zu durchdringen war, und war dank seiner Rasse nicht gerade von kleinem Körperbau. Ich hatte definitiv einen Gegner, der im Kampf sehr erfahren und außerdem ernst zu nehmen war – ein mir durchaus würdiger Gegner.

Als er gefährlich leise knurrte, konnte ich unter den zur Drohung hoch gezogenen Lefzen weiße Fangzähne erahnen. Noch immer tänzelten wir im Kreis um uns herum. Wir beobachteten uns gegenseitig aus Augen, die am liebsten tödliche Dolche auf den Gegenüber abschießen wollten. Ich peitschte mit dem Schwanz. Wie lange bitte wollte er denn noch einfach nur um mich herumschleichen? Langsam wurde es langweilig! Mein Menschen-Ich startete ein berechnendes Grinsen und ich fauchte provokant. Sjurs Augen blitzten auf, er fing sich aber schnell wieder.

Und? Wie lange hast du noch vor, so herumzutänzeln? Oder hast du etwa Angst?

Meine neue Mission: Den British Columbian Wolf vor mir zu reizen, bis er endlich mal angriff. Sein Kiefer mahlte und seine Bewegungen wurden abgehackter. Der Weg zum Ziel, dachte ich bei mir.

Oder kann das große Sjurchen gar nicht kämpfen? Scheinbar mitleidig schaute ich ihn an. Hm? Ist es das?

Ich setzte mich hin und legte den Kopf schief. Verwirrt blieb mein Gegner ebenfalls stehen. Große Klappe, nichts dahinter – dachte ich mir doch. Meine Augen flossen fast über vor gespieltem Mitleid. Weißt du, es ist nicht so schlimm. Über die Hälfte der Weltbevölkerung haben einen durchschnittlichen IQ. Sein Ohr zuckte und er knurrte warnend. Natürlich verstand er nicht, was ich ihm sagen wollte. Der Wolf für's Grobe eben.

Ich geb' dir einen Rat, Sjurilein: Du musst dich einfach damit abfinden, dass Kayana klüger ist, als du.

Das und, dass ich mit ihm sprach, als wäre er ein dummer Welpe, verstand er aber sehr wohl. Ich wusste, dass ich ihn fast so weit hatte, als er laut knurrte, die Zähne bleckte und sich kampfbereit vor mir aufbaute. Nur noch einen winzigen Biss.

Woodwalkers - Lyanna RiderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt