Kapitel 11 - Was geschieht hier?

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Ylva

Mit einem harten Ruck, der meinen Körper einmal komplett erschütterte, krachte ich auf den Boden.

Dachte ich jedenfalls, da es das Naheliegendste war.

Tatsächlich landete ich jedoch ganz sanft, wie auf Dutzenden von Hasenfellen. Die Frage war nur: wo?

Zitternd setzte ich mich auf und bewegte nacheinander vorsichtig meine einzelnen Gliedmaßen – nichts gebrochen. War ja auch schwierig bei einer derartig gepolsterten Landung. Langsam stützte ich mich hoch, wobei ich fast hingeknallt wäre, weil meine Knie aus Wackelpudding zu bestehen schienen.
Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Wackelpudding – darauf hätte ich jetzt richtig Lust! Auch wenn das glibberige Zeugs manchmal etwas klebte und auch eher für Beutetiere war, so aß ich es still und heimlich voll gerne in meinem Zimmer. Überlegend stierte ich in die Luft.

Moment mal – Zimmer? War da nicht was gewesen? Ich schlug mir vor die Stirn. Katzendreck! Lya! „Was für eine räudig schlechte Freundin bin ich bitte?", murmelte ich vorwurfsvoll und konnte mir im gleichen Moment wieder vor die Stirn schlagen. „Und wie inkompetent?!". Bitter verzog ich mein Gesicht. „Da benutze ich doch tatsächlich die ganze Zeit die Art meiner Freundin als Schimpfwort!" Ruhelos tigerte ich hin und her und gab mir alle paar Schritte einen Schlag vor die Stirn. „Ich sage es mir sogar noch, bekomme es aber trotzdem nicht gebacken, damit aufzuhören!" Reuevoll warf ich die Hände gen Himmel. „Beim heiligen Vollmond – ich bin so eine katz... äh... schlechte Freundin!"

Von einem Moment auf den anderen gab der Boden unter mir abermals nach und ich knallte voll auf meinen Rücken, auf welchem ich dann auch gleich irgendeinen unnatürlichen Berg hinuntersauste. Und schon wieder konnte ich meine Dummheit und Inkompetenz nicht fassen – ich hatte nur über mich und den heiligen Vollmond und die Welt gemeckert, aber noch nicht einmal meine Umgebung genauer analysiert, geschweige denn überhaupt angeguckt!

Um wenigstens etwas von meiner aktuellen Umgebung gesehen zu haben, schaute ich mich schnell um. Und mein vor Scham über meine Inkompetenz verzogenes Gesicht wich langsam, aber sicher einem überaus Schockierten, als mein Gehirn endlich begriff, was meine Augen da sahen.

Feuer.
Aber echtes – nicht so wie in dem Strudel. Das spürte ich.
Mein Überlebensinstinkt übernahm die Kontrolle, nachdem ich mich vor Schreck nicht mehr bewegen konnte. Während ich wie gelähmt war, schaffte er es irgendwie, meinen Körper zur Flucht zu bewegen.

Ich drehte meinen Kopf zurück und konnte immer noch nicht fassen, was ich da sah.
Der gewaltigen und furchteinflößenden Erscheinung des Feuers wegen hatte ich die Gestalten davor vollkommen übersehen.

Hektisch riss ich die komplette Kontrolle meines Körpers wieder an mich und rannte zurück. Ich korrigiere: Wollte ich. Denn irgendetwas hielt mich an Ort und Stelle, sodass ich weder vor, noch zurück rennen konnte. „Katzendr... beim Nordwind!", kriegte ich schnell noch die Kurve über meinen verzweifelten Ausruf.

Besorgt blickte ich zu den Gestalten und meinte, eine von ihnen wieder zu erkennen. Aber ganz sicher konnte ich mir nicht sein. Jedoch durchblickte ich sofort ihre zusammengekauerte Gestalt und die Bedrohlichen der Anderen dahinter.
„Lasst sie in Ruhe, ihr räudigen Speichelheuchler!", brüllte ich aus einer Intuition heraus über das laute Knistern des Feuers und die Geräusche umfallender Gegenstände innerhalb des brennenden Gebäudes hinweg, während ich hitzig immer weiter versuchte, loszukommen.

Nie hätte ich gedacht, dass ich so mal einen meiner Art beleidigen würde – aber diese Wölfe sahen definitiv nicht sehr vertrauenswürdig aus. Selbst über eine solche Entfernung sah ich, wie verfilzt und dreckig das Fell derer war. Leider aber nahm ich auch die definierten Muskeln unter diesen ekligen Fellhaufen war.

Als ich sah, dass keiner von ihnen auf meinen Befehl hörte, und nicht einmal irgendjemand mit dem Ohr zuckte, musste ich einsehen, dass ich von ihnen abgeschottet war. Meine Füße klebten nach wie vor am Boden fest, wie in unnachgiebigem Honig, und meine Rufe verklangen, bevor sie die Gestalten erreichten.

Besorgt wandte ich mein Gesicht der großen Gestalt zu, die direkt vor dem Feuer stand und zitterte, wie ein Hase, der schon den heißen Atem eines Wolfs im Nacken spürte. Sie saß eindeutig in der Falle. Und ich konnte ihr nicht helfen! Verzweifelt und wütend boxte ich in die Luft und versuchte abermals, von der Stelle zu kommen – ohne Erfolg.

Wie sehr ich Woodwalker, die andere bedrohten, doch verabscheute!

Ich biss die Zähne zusammen und zischte voller Wut: „Wenn ihr ihr auch nur ein Haar krümmt, ihr räudigen Fellhaufen, dann Gnade euch der heilige Vollmond!"

Obwohl die Wölfe da unten meine Drohungen leider nicht hören konnten, zuckten mehrere von ihnen mit dem Fell und blickten sich ängstlich um – war das etwa mein Verdienst? Konnte ich vielleicht doch etwas ausrichten? War es möglich, dass sie mich zwar nicht sehen, aber vielleicht wahrnehmen konnten? Aufgeregt jaulte ich in meiner Menschengestalt auf und meine Gedanken rasten auf der Suche nach Ideen und Lösungen dahin wie ein in einen Wildbach gefallenes Blatt.

Dem war aber ein abruptes Ende, als die große Gestalt vor dem Feuer erstarrte und die Ohren anlegte.
Ein Bild schlich sich in meine Gedanken.
Ich sah Lya vor mir, wie sie mit angelegten Ohren und eingeklemmtem Schwanz unter ihrem Bett in der hintersten Ecke lag. Wie sie zitterte und voller Qualen fauchte.
Die Erkenntnis durchfuhr mich wie ein Blitz eine Fichte – dies hier war tatsächlich die Berglöwenwandlerin, mit der ich mir ein Zimmer teilte!

Der Gedanke, von dem ich irgendwie gehofft hatte, dass er nicht wahr war, und ihn deshalb in die hinterste Ecke meines Gehirns geschoben hatte, hatte sich bewahrheitet. Triumphgefühle und Furcht tobten in mir, wie in einem Schneesturm. Ich hatte Recht gehabt!

Doch gleich danach schalt ich mich selber: Wiw konnte ich mich freuen, wenn meine Freundin ... ja, was geschah da überhaupt genau? Was wollten diese räudigen Missgeburten meiner Art, für die ich mich sogar schon fast fremdschämte, von Lya? Was hatten sie ihr angetan, dass sie wie ein Häufchen Elend zitternd vor diesem brennenden Gebäude saß? Warum nahm sie nicht einfach Reißaus? Hatten sie ihr vielleicht sogar gedroht oder sie verletzt?

Ruhelos keuchte ich auf und griff mir an die Stirn, hinter der es heftig pochte. Bei allen Raben, dachte ich verwirrt und ängstlich zugleich, was passiert hier?

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1014 Wörter

Und, Wandlerfreunde? Glaubt ihr, dass ihr Ylva Antworten geben könnt?

*sieht die Detektive unter euch an*
Schon etwas geschlussfolgert? Zwischen den Zeilen gelesen?

Was passiert da?
Wieso ist Ylva dort bei Lya, obwohl die gerade noch im Krankenbett lag?
Kommt euch das Szenario irgendwie bekannt vor?

Random-Frage: Hattet ihr schon einmal ein déjà vu? (Wird das so geschrieben? 😂)

Jaja, ich weiß, ich bin nervig. Ich hör schon auf 🤪

Woodwalkers - Lyanna RiderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt