2. Dezember

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"Verfluchte Einöde! Was habe ich mir nur dabei gedacht?"

Emma wusste es ganz genau, aber ob die Idee, kurz vor Weihnachten durch Russland zu fahren so toll war, stellte sie mal so dahin.

Schuld war natürlich ein Mann. Wie konnte es auch anders sein.

Es war Karsten, um genau zu sein, der schon seit vier Jahren ihr Verlobter war und nun, kurz vor Weihnachten, beschlossen hatte, dass er sich in ihrer Beziehung eingeengt fühlte und deswegen die Verlobung löste.

Emma schnaubte böse.

Eingeengt hatte ihn nur die Schlinge, die sich so langsam um seinen Hals zog, denn Emma erfuhr nach der Trennung, dass Karsten es mit der Verlobung nicht ganz so genau genommen hatte. Mr. Saubermann, wie ihn ihre Eltern oft nannten, hatte seit geraumer Zeit eine Affäre mit seiner Sekretärin und diese setzte ihm wohl das Messer auf die Brust, weil sie nicht mehr den Titel der Geliebten inne haben wollte, sondern endlich aufzusteigen hatte. Am besten natürlich mit dem Titel Ehefrau.

Emma musste zugeben, dass es sie nicht allzu hart getroffen hatte.

Karsten war das, was man auf den ersten Blick einen perfekten Schwiegersohn nannte. Er war der Juniorchef der Sägerei seines Vaters, obwohl Emma genau wusste, dass er nicht einmal an der Säge gestanden war oder sich in irgendeiner Weise schmutzig machen würde.

Er verdiente genug Geld um eine Familie ernähren zu können, doch als Emma ihren Kinderwunsch geäußert hatte, wiegelte er ab.

Seine schicke Eigentumswohnung war ein Kunstwerk der Innenarchitektin, die er wohl auch in sein Bett gezerrt hatte, sobald es stand. Wahrscheinlich hatte er dafür Rabatt bekommen, aber es war nicht gemütlich, dass man es ein Heim nennen konnte.

Na ja, sei wie es ist, sie saß in der Scheiße, die sie sich aber selbst zuschreiben musste.

Wahrscheinlich war sie geistig etwas umnachtet gewesen, als sie ihr solides Auto gegen ein Motorrad eingetauscht hatte, dass seinen Zenit schon mehr als überschritten hatte. Das war wohl auch so eine Art Rebellion von ihr gewesen.

Emma haut nach Russland ab, weil niemand um die Zeit nach Russland fuhr.

Emma fährt Motorrad, weil Karsten das nie gebilligt hatte.

Emma war jetzt mitten in der Einöde und schob fluchend dieses Motorrad durch die Gegend, weil sie keine Ahnung von Motoren oder so etwas hatte, aber es jeden stören würde, dass sie so unvernünftig war.

Fröhliche Weihnachten!

Der Weihnachtsmann konnte sie mal kreuzweise, denn dieses Jahr erlaubte er sich wohl einen Scherz mit ihr.

In der Ferne sah sie einen Blitz und hörte einen fürchterlichen Donnerknall.

"Ist ja gut! Ich habe es ja nicht so gemeint. Santa kann nichts für diese Scheiße. Ich habe es kapiert."

Das Gewitter, wenn es denn welches war, verschwand wieder und Emma lief weiter.

"Aber du musst zugeben, dass es schon beschissen ist. Ja gut, ich habe diesen einen Satz zwar gesagt, aber das musst du doch nicht gleich ernst nehmen."

Sie lachte.

Natürlich gab es keinen Santa und selbst wenn, hätte er bestimmt nicht gehört, dass sie sich besoffen bei einem Mädelsabend einen "echten Kerl" wünschte. So jemand, der sie wertschätzen würde und nicht jedem anderen Rock hinterher hechelte. Und vor allem wollte sie mal jemand, der auch nach Mann aussah und nicht länger im Bad brauchte als sie selbst. Einen richtigen Kerl, der sie auch mal auf seine Schulter warf und ganz wie ein Neandertaler ins Schlafzimmer schleppte, um sie mal gepflegt durch die Kissen zu scheuchen. Ab dem Zeitpunkt hätte ihr eigentlich schon klar sein müssen, dass Karsten nicht mit ihren Wunschvorstellungen von einem Traummann mithalten konnte.

Väterchen Frost im NötenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt