4. Dezember

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Babygeschrei weckte Emma auf und einen Moment wusste sie nicht, wo sie war. Erschrocken setzte sie sich auf und plumpste unsanft auf den Boden. Es war dunkel um sie herum, nur die noch glimmende Glut des Kamins gab sanftes Licht.

Kamin? Seit wann hatte sie einen Kamin? 

Wieder hörte sie das Weinen und auf einmal erinnerte sie sich wieder an alles.

Sie war mitten in der Tundra und wollte einem Mann und dessen Kind helfen, das angeblich nicht seines war.

Sie rappelte sich auf und schlurfte müde in das Zimmer, in das sie Jurij gelegt hatte.

Himmel, sie wusste nicht, dass Babys einen mitten in der Nacht wecken können. Sie hätte ihren Freundinnen, die schon Kinder hatten, besser zuhören sollen, doch diesem Thema war sie immer aus dem Weg gegangen. Sie seufzte leise. Das ließ doch tief blicken, wenn sie sich nicht vorstellen konnte, ja beinahe schon panisch bei dem Gedanken war, mit Karsten ein Kind zu haben.

Jurij Geschrei strebte nun dem Höhepunkt an und riss Emma aus ihren Gedanken.

Emma wollte gerade den Lichtschalter suchen, aber sie sah, dass Rodja wohl ein kleines Nachtlicht aufgestellt hatte, so dass sie nicht das grelle Deckenlicht einschalten musste. Egal, ob er nun der Vater war, aber er schien gutes Vatermaterial zu haben.

Sie schüttelte genervt ihren Kopf über diese Gedanken und wandte sich lieber Jurij zu.

"Hey, mein Kleiner. Was ist denn los? Ich bin doch da."

Sie nahm ihn hoch und legte ihn an die Schulter. Sofort wurde das Geschrei leiser, bis er nur noch leise schluchzte.

"Du hast Hunger, ja? Das kann ich verstehen. Ich auch. Aber wir müssen leise sein. Rodja schläft und wir wollen den alten Brummbär doch nicht wecken, oder?"

Sie tätschelte leicht Jurijs Po und bemerkte, dass es etwas feucht war.

"Oh je. Deine Windel ist auch fällig. Weißt du was? Darum kümmern wir uns zuerst. Was hältst du davon?"

Jurij schien damit einverstanden zu sein, denn er brüllte nicht, als sie ihn wieder auf das Bett legte und den Strampler auszog. Einen Moment überlegte sie, ob es Jurij nicht zu kalt werden könnte, aber im Zimmer war es angenehm warm, obwohl hier nirgends eine Heizung stand. 

Auch wenn Rodja in der Wildnis lebte, hatte er wohl eine gut funktionierte Technik bauen lassen.

Suchend sah sie sich um.

"Hm, Windeln. Weißt du, wo er alles versteckt hat?"

Jurij bewegte seinen Kopf.

Emma sah in dieselbe Richtung und lachte leise, als sie eine große Reisetasche entdeckte.

"Du bist so ein schlaues Kerlchen, Jurij. Da ist wohl alles drin?"

Sie zog die Tasche zu sich und öffnete den Reißverschluss. Alles war vorhanden, was sie im Moment brauchte.

NeuerStrampler, Windeln, Creme und Tücher.

Sie holte alles heraus und verteilte es auf dem Bett. Es war nicht ganz einfach, aber irgendwann war Jurij fertig angezogen und sie ging mit ihm ins Wohnzimmer.

"Jetzt muss ich die Küche suchen und hoffen, dass ich da alles finde. Verflixt, ich hätte Rodja danach fragen sollen, anstatt einzuschlafen."

Sie unterdrückte ein Fluchen. Das war bestimmt nicht so förderlich für den Kleinen.

Die erste Tür entpuppte sich als Flop, denn sie stand im Badezimmer.

"Gut. Das ist es nicht. aber gut zu wissen, wo ich mich nachher erleichtern kann.", erklärte sie Jurij, der schon wieder das Gesicht verzog.

Väterchen Frost im NötenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt