8. Dezember

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Rodja tat es sehr leid, dass er nicht, wie versprochen, Jurijs Zimmer einrichten konnte, doch seit seinem Telefonat mit Emma ging so ziemlich alles schief, was nur schief gehen konnte. Er hatte sogar seinen Vater um Hilfe gebeten und das tat er äußerst ungern, da er wusste, dass sein Vater und seine Mutter am Nordpol waren. Doch ein Fehler hatte dazu geführt, dass die letzten Geschenke in Einzelteile aus der Maschine kamen, doch kein Kind wollte ein Spielzeug, das nicht zusammengebaut war.

Natürlich war sein Vater sofort durch das Portal gekommen, um seinen Sohn zu unterstützen und natürlich folgte ihm Nick Clause, Rodjas Onkel. Es hatte eine Weile gedauert, bis Rodja den Fehler fand, aber nun musste er wahrscheinlich die ganze Nacht durcharbeiten, damit der wieder im Soll war.

Kaum war er ins Haus eingetreten, roch er schon das Essen, dass ihm Emma wohl zubereitet hatte und sein schlechtes Gewissen wuchs ins Unermessliche.

Er hängte seine Jacke an den Haken und als er sich wieder umdrehte, stand sie vor ihm und einen Moment war Rodja hart in Versuchung Weihnachten ausfallen zu lassen. Wenn sie ihn immer begrüßen würde, nahm er den Zorn der Menschheit gerne in Kauf.

Sie trug wieder ein Bandshirt, dass sich beinahe wie eine zweite Haut um ihren Oberkörper schmiegte. Sie trug ihr Haar offen und erst jetzt fiel ihm auf, wie lang es war. Ihre Wangen waren gerötet und der leichte Schimmer ihrer Lippen, ließen ihn alle Sorgen für einen Moment vergessen.

"Es tut mir so leid, Emma.", fing er an und sie runzelte die Stirn.

"Was tut dir denn leid?"

Er zuckte leicht mit seinen Schultern.

"Es gab ein Problem in der Werkstatt. Ich muss gleich wieder los, wollte dir aber Bescheid geben, dass ich nicht die Möbel zusammenbauen kann."

Sie schaute an ihm vorbei zu Fenster. Es war schon dunkel und er ahnte, was sie nun fragen könnte. Doch er täuschte sich. Emma war eben anders. Auch jetzt. Wahrscheinlich zweifelte sie an, dass er in der Nähe Arbeit hatte. Hier war ja nichts. Sie konnte nicht ahnen, dass seine Werkstatt genau unter ihnen war.

Doch nicht einmal jetzt schien sie an ihn zu zweifeln.

"Das muss dir nicht leid tun, Rodja. Am Besten ruhst du dich einen Moment aus, während ich dir einen Teller mit Essen richte. Ich mache dir auch etwas für heute Nacht, dass du etwas zu Essen hast."

Er hielt sie an ihrer Hand fest, als sie sich umdrehen wollte.

"Bist du nicht wütend?"

Sie schüttelte den Kopf.

"Warum sollte ich? Rodja, du hast mich um Hilfe gebeten, damit ich auf Jurij aufpasse, während du arbeitest. Nun musst du eben mal eine Nacht durcharbeiten. Du hast mir ja nichts versprochen und ich bin nicht deine Freundin oder so etwas."

Er zuckte mit den Schultern und ließ seinen Daumen sanft über ihr Handgelenk streifen.

"Ich habe versprochen, dass ich dir helfe Jurijs Zimmer einzurichten. Ich sollte dich auch unterstützen, damit ich lerne."

Er spürte, wie ihr Atem stockte und bemerkte, wie sie nervös an ihrer Unterlippe knabberte.

Sein Mund wurde staubtrocken und er sehnte sich nach etwas, was nur Emma ihm geben konnte.

"Ich...ich kann es alleine...fast fertig."

Er lächelte sie an.

"Das glaube ich dir. Dennoch ist es wohl eher meine Aufgabe und nicht deine."

Sie schluckte hart, als er sie beinahe unmerklich näher zu sich heran zog.

"Ich werde mich beeilen und morgen früh, nachdem ich aufgestanden bin, mich sofort an die Arbeit machen. Das verspreche ich dir. Du wirst zufrieden mit mir sein."

Seine Stimme wurde tiefer, was sie leise wimmern ließ. Sofort fielen ihm tausend andere Sachen ein, die er jetzt mit ihr am liebsten machen würde. 

Ihre Pupillen wurden riesengroß, so dass man kaum noch ihre hellblaue Iris erkennen konnte. Ihr Puls ging rasend und ihre helle Zunge befeuchtete ihre Lippen, als ob sie sich für einen Kuss vorbereiten würde.

Einen Kuss von ihm.

Rodja Frost.

Väterchen Frost.

Er ließ ihre Hand los, als ob sie ein glühendes Stück Eisen wäre.

Was dachte er sich nur dabei?

Er konnte unmöglich Emma küssen. Er war Väterchen Frost und sich sicher, dass Emma ihm das niemals glauben würde. Wahrscheinlicher war eher, dass sie ihn einliefern lassen wollte. Und er hätte sie dann schneller los, als ihm lieb war. Nein, das konnte er nicht riskieren.

Laut räusperte er sich, ging noch einen Schritt zurück und war dann froh, dass man Jurij aus seinem Zimmer krähen hörte.

"Ich...ich schau mal nach Wölfchen."

Sie nickte und wirkte enttäuscht.

Nun, das war er auch, aber er musste sich zusammenreißen, denn er konnte es sich nicht leisten, sich zu verlieben und dann vor Liebeskummer einzugehen, weil die Frau nicht damit klar kam, wer er war.

"Ich werde dir etwas in eine Warmhalteschüssel machen. Oder hast du eine Mikrowelle bei der Arbeit?"

Einen Moment war er verwirrt, weil er sich zusammenreißen musste, sich an seine Grundsätze zu erinnern, um Emma nicht doch bis zur Besinnungslosigkeit zu küssen. Doch dann nickte er.

"Ich habe die Möglichkeit es mir aufzuwärmen. Ich denke, ich werde auch gleich wieder gehen, damit ich wirklich bis morgen früh fertig werde."

Wieder ein Nicken und sie ging in die Küche.

Derweil wurde Jurij immer lauter und Rodja machte sich in das Gästezimmer auf.

"Na, sieh mal an. Der kleine Wolf heult immer lauter."

Jurij schluchzte herzerweichend, doch dann verzog er seinen Mund zu einem Lächeln.

"Das kannst du schon? Das ist ja toll."

Er nahm das Baby in seine Arme und wiegte es sanft.

"Du musst heute besonders lieb zu Emma sein, mein Kleiner. Ich glaube, ich habe sie traurig gemacht."

Jurij krähte nun fröhlich und Rodja bemerkte, dass sein Arm etwas feucht wurde.

"Nun, dann werde ich dich wohl wickeln. Und ich werde andere Windeln in der Werkstatt machen. Die von Nicolas taugen nichts!"

Er machte sich ans Werk und nach einer Weile war er ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Er nahm Jurij wieder in seine Arme und nahm ihn mit in die Küche.

"Schau mal, wer wach ist. Und ich habe ihn gleich gewickelt."

Sie lächelte Jurij an und ignorierte ihn vollkommen.

"Ich habe ein Fläschchen mit deinem Namen darauf. Nur einen kurzen Moment, Wölfchen."

Sie drückte den Deckel auf eine Schüssel, legte sie in eine Tasche, die noch mit einer Wasserflasche gefüllt war und reichte sie Rodja, während sie ihm gleichzeitig Jurij abnahm und sich sofort wieder von ihm weg drehte.

"Emma, es tut mir leid. Ich will dich nur vor einer Enttäuschung schützen."

Sie nickte, ohne sich nach ihm umzudrehen und redete dann leise mit Jurij.

Verflucht.

Er hatte etwas versaut, was noch nicht einmal angefangen hat.

"Ich gehe dann."

Emma beachtete ihn jetzt nicht einmal mehr.

Wow.

Er wollte schon immer mal wissen, wie es war unsichtbar zu sein.

Es war ein Scheißgefühl.

Traurig drehte er sich zur Tür.

"Bis morgen."

Väterchen Frost im NötenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt