21. Dezember

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Ein Tag vor Silvester und Emma saß in ihrem Büro, um noch die letzten Angelegenheiten zu klären.

Auf der einen Seite war das erbärmlich, aber sie wollte nicht im Bösen aus der Firma aussteigen. Sie hatte nicht erwartet, so viel Verständnis von ihrem Seniorchef zu bekommen, aber er wollte ihre keine Steine in den Weg legen. Besonders nicht, da sein Sohn sich eben wie ein Depp verhalten hatte, wie er es so schön ausdrückte.

Nun ja.

Da hatte sie ihren Knackpunkt. Man konnte niemanden Steine in den Weg legen, wenn man  überhaupt keinen Weg vor sich hatte.

Emma war froh darüber gewesen, dass sie einen so tollen Job ergattern konnte, doch sie war sich nicht sicher, ob sie sich noch einmal dafür bewerben würde. Irgendwie verspürte sie keine Befriedigung mehr bei dem Gedanken, Tag für Tag in ein Büro zu gehen und immer wieder dieselbe Arbeit zu erledigen. Sie konnte es sich nicht erklären, woher der Gedanke kam, aber bei Rodja...

Sie schnaubte leise.

Immer wieder gingen ihre Gedanken zu ihn.

Langsam schüttelte sie den Kopf, als ob das helfen würde, ihn für einen Moment aus ihren Gedanken zu verbannen. Allerdings musste sie zugeben, dass die wenigen Tage ihr Leben verändert hatten. Nie hatte sie sich vorstellen können, Kinder zu haben, doch Jurij...irgendwie war er ihr Kind gewesen und sie vermisste ihn schrecklich. Sie hatte noch seine Zeiten im Kopf und dann fragte sie sich, ob er gut schlief oder ob er genug aß. Natürlich war sie sich sicher, dass Rodja gut auf ihn achtgeben würde, aber er hatte ja noch seine Arbeit. Wie machte er es dann mit dem Wölfchen? Hatte er ein Kindermädchen gefunden? Ein Ersatz für sie?

Sie drückte die Augen fest aufeinander, als sie wieder die Tränen spürten, die sich in den Augenwinkel sammelten.

Nein, sie würde jetzt nicht anfangen zu weinen. Das Büro war zwar menschenleer, aber wenn doch jemand unerwartet kam, sollte er sie nicht in Tränen aufgelöst vorfinden.

Sie machte noch Notizen für ihren Nachfolger und stellte den Ordner ins Regal zu den anderen.

Da standen sie alle ordentlich aufgereiht, so wie sie es immer gerne hatte. Ordnung, um dem Chaos zu entkommen, das in ihrem Kopf herrschte.

Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie es liebte, immer und immer wieder die Zahlenkolonnen nachzurechnen. Stunden hatte sie damit verbracht, aber auch das gefiel ihr nicht mehr. Sie lernte, dass sie ihre Zeit auch anders nutzen konnte.

Sie hatte backen können und sie kannte zumindest einen Abnehmer dafür, der nicht müde wurde, sie dafür zu loben. Sie war stundenlang im Schnee gewandert, auf der Suche nach dem perfekten Weihnachtsbaum. Es hätte ihr bestimmt mehr Spaß gemacht, wenn sie passende Kleidung angehabt hätte.

Es schien ihr so, als ob das alles vor sehr langer Zeit geschehen war. Alles schien in weiter Ferne gerückt zu sein und das machte sie traurig.

Am meisten vermisste sie die Gespräche mit Rodja, wenn sie vor dem Kamin saßen. Gut, das letzte Mal endete das Gespräch in einer wilden Knutscherei und wenn sie nicht gestört worden wären...

Sie seufzte.

Hatte sie nicht noch gestern gesagt, dass sie froh um diese Störung sei? Dass es noch schlimmer geendet hätte, wenn sie tatsächlich mit Rodja geschlafen hätte. Das ihr Herz dann wohl noch viel tiefer verletzt worden wäre?

Alles Blödsinn!

Schon jetzt schmerzte ihr Herz in einer Intensität, die sie noch nie verspürte.

Sie vermisste Rodja.

Und Jurij.

Aber vor allem den großen Brummbären, der so fantastisch küssen konnte.

Väterchen Frost im NötenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt