6. Dezember

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Guten Morgen ihr Beiden,

wie ich ja schon erwähnt habe, bin ich auf der Arbeit.

Der Kühlschrank ist gefüllt, Wasser ist abgekocht in der blauen Thermoskanne. In der roten Kanne habe ich Kaffee eingefüllt.

Fühlt Euch wie Zuhause, aber schnüffelt nicht zu sehr herum.

Heute Abend werde ich zu Hause sein.

Rodja





Emma las den Zettel und begann zu lächeln.

Sie hatte keine Ahnung, wann Rodja aufgestanden war, aber es muss sehr früh gewesen sein, denn er hatte tatsächlich die Waschmaschine angeschmissen und ihre Klamotten, die sie in der Reisetasche gehabt hatte, waren im Trockner.

Außerdem sah die Küche sehr sauber aus, obwohl sie sich erinnerte, dass sie nach Jurijs letzter Flasche ein ziemliches Chaos hinterlassen hatte.

Von Karsten kannte sie das anders. Der hatte bis zum letzten Moment geschlafen und dann ein Schlachtfeld in der Wohnung präsentiert, das seinesgleichen suchte. Emma hatte nach der Arbeit regelmäßig erst einmal seinen Mist weg räumen müssen, bevor sie überhaupt ans Kochen hatte denken können. Von Entspannung war auch nie die Rede gewesen, denn nach dem Essen hatte sie auch alles andere übernehmen müssen, was vorher die Reinemachefrau von ihrem Ex-Verlobten übernahm. Karsten hatte nie einen Finger gekrümmt. Bevor er mit Emma zusammen kam, hatte er eben eine Haushaltshilfe gehabt, doch die war in seinen Augen ja unnötig, wenn er doch Emma hatte. Er wäre nie auf die Idee gekommen, Wäsche zu waschen oder in den Trockner zu werfen und wenn Emma nicht regelmäßig einkaufen gegangen wäre, hätte Karsten einen grausamen Hungertod sterben müssen.

Sie fragte sich, ob er seine neue Flamme genau so behandelte wie sie.

Seufzend holte sie sich eine Tasse und füllte sie mit Kaffee.

Jurij schlief nach dem letzten Fläschchen schon wieder, also konnte Emma in aller Ruhe eine Tasse Kaffee genießen.

Nach einem Blick in den Kühlschrank, pfiff sie anerkennend durch die Zähne.

Rodja hatte nicht nur eine saubere Wohnung, sondern auch einen gut gefüllten Kühlschrank. Sie hatte erwartet, dass sie entweder nichts oder nur Unmengen an Fleisch vorfinden würde. Doch da war Gemüse und Obst, Milch und Joghurt. Alles stand genau an dem Platz, an dem es sein sollte. Sie musste kichern, wenn sie daran dachte, dass es nicht einmal bei ihr so ordentlich aussah.

Mit der dampfenden Tasse ging sie ins Wohnzimmer.

Rodja meinte ja, sie sollte nicht zu sehr schnüffeln, also hatte er im Prinzip seine Erlaubnis gegeben. Sie würde es auch nur auf das Wohnzimmer beschränken und bestimmt nicht sein Schlafzimmer untersuchen, obwohl es ihr wirklich unter den Fingernägeln juckte.

Schon beim ersten Schrank, den sie öffnete, keuchte sie leise auf. Rodja hörte wie sie Metall. Er hatte eine beachtliche Sammlung von verschiedenen Bands, doch er schien vor allem die älteren Bands zu mögen. Es gab auch einige CD's mit russischen Bands, die sie allerdings nicht kannte. In einem gesonderten Schrank fand sie sogar Vinyl-Platten. Alles Klassiker in der Metall-Szene.

Emma traute sich nicht einmal die Cover zu berühren, so ehrfürchtig war sie.

Dafür nahm sie eine CD heraus und legte sie in die Musikanlage. Das jemand so etwas überhaupt noch besaß, zeugte von Klasse.

Deep Purple erklang und Emma schloss einen Moment die Augen, um die Klänge zu genießen.

Der nächste Schrank bewies, dass Rodja nicht nur Metall hörte, sondern auch andere Musik. Er wurde ihr immer sympathischer, doch als sie den nächsten Schrank öffnete, lachte sie schallend.

Väterchen Frost im NötenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt