10. Dezember

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Emma war im Halbschlaf, als sie ihren Namen hörte. Doch sie wollte nicht aufwachen, auch wenn die Stimme noch so verführerisch klang.

"Ich will weiterschlafen.", murrte sie.

Man hörte ein leises Brummen.

"Du musst wach werden, Emma. Jetzt!"

Sie lag nicht mehr auf der Couch, aber obwohl sie nicht wusste, wo sie lag, wollte sie dieses wohlige Gefühl des Halbschlafs nicht verlieren.

"Mhhh...", grunzte sie wohlig und reckte sich unter der Decke. Es roch so herrlich nach Weihnachten. Und es war warm und gemütlich.

Auf einmal senkte sich die Matratze und eine Hand rüttelte sie sanft an der Schulter.

"Emma? Hast du nicht gehört? Wir müssen reden."

Sie murrte erneut und drehte sich auf den Bauch.

"Morgen. Wir reden morgen."

Die tiefe Stimme lachte.

"Es ist morgen. Fünf Uhr in der Früh, um genau zu sein."

Endlich konnte sie die Augen leicht öffnen.

"Um die Uhrzeit brauche ich Kaffee, um halbwegs klar denken zu können."

Sie schloss wieder stöhnend die Augen.

Fünf Uhr morgens!

Rodja hatte sie wohl nicht mehr alle.

"Was gibt es denn so Wichtiges, dass nicht noch eine Stunde warten könnte?"

Er lachte wieder leise.

"Du bist wohl kein Morgenmensch, richtig?"

Kaum hatte er den Satz gesprochen, roch Emma schon das Aroma eines herrlichen Kaffees. Seltsam. Wo kam das denn jetzt her?

Es war ein starker Kaffee mit einer zarten Note Zimt. So, wie sie ihn um diese Jahreszeit gerne trank.

Wo kam dieses Aroma auf einmal her?

Wieder öffnete sie die Augen und setzte sich auf.

Rodja saß auf dem Bett und hielt ihr eine große Tasse vor die Nase. Einen Moment blinzelte sie, denn die Tasse ähnelte der, die sie selbst Zuhause hatte, bevor sie zu Karsten gezogen war. Es war ein bauchiges Gefäß, dass einer grinsenden Katze glich. Es war Emmas absolutes Lieblingsstück gewesen, doch Karsten hatte sie in den Müll geworfen und ihr erklärt, dass er solch kitschiges Geschirr nicht in seiner Wohnung dulden würde.

Rodja schien keine Probleme damit zu haben, denn er betrachtete sie grinsend von allen Seiten.

"Okay, Wunderknabe. Woher weißt du, wie ich meinen Kaffee am liebsten trinke? Woher hast du diese verfluchte Tasse und..."

Sie schaute sich um.

"...wie komme ich hierher? Ich schlief auf der Couch ein."

Sie war definitiv nicht mehr im Wohnzimmer, sondern in einem Zimmer, dass eigentlich ziemlich karg eingerichtet war. Außer dem Bett, einen Schrank und einem kleinen Schreibtisch, gab es hier nichts.

Rodja nahm einen großen Schluck, was ihm ein erbostes Hey einbrachte und reichte ihr dann die Tasse.

Emma nahm sofort einen großen Schluck und schloss dabei genießerisch ihre Augen.

"Nun, ich hatte wohl Glück, dass du denselben Kaffeegeschmack wie ich hast. Die Tasse habe ich auf einem Flohmarkt gefunden und du bist im Zimmer, weil ich dich hierher getragen habe. Ich kam nach Hause und konnte nicht gleich schlafen. Deswegen wollte ich noch einen Film schauen, aber ich konnte dich nicht wecken."

Das waren verdammt gute Argumente.

Noch einen Schluck.

"Und warum weckst du mich so früh? Haben wir heute etwas vor?"

Er nickte.

"Ja. Wir müssen Jurijs Zimmer fertig einrichten und dann sollten wir noch einen Weihnachtsbaum aussuchen, den ich schlagen kann."

Emma runzelte die Stirn.

"Weihnachten ist doch schon vorbei."

Er lachte dröhnend.

"Du bist in Russland. Hier bekommen die Kinder an Silvester Geschenke."

Emma brummte und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.

"Ja. Jetzt weiß ich es wieder. Das kommt davon, wenn man mich so früh weckt. Aber der Heiligabend ist hier doch am sechsten Januar. Ist es nicht etwas früh, jetzt einen Baum zu schlagen? Er wird heftig nadeln."

"Wird er nicht.", meinte er selbstbewusst. "Und nun dusche dich und ziehe dich an. Jurij und ich warten mit dem Frühstück auf dich."

Sie brummt leise.

"Musst du heute nicht arbeiten?"

Er zuckte mit den Schultern.

"Das hat noch Zeit. Ich habe gestern alles aufholen können und sogar meinen Vorsprung ausgebaut. Deswegen werde kann ich den ganzen Tag mit Jurij verbringen."

Irgendetwas sagte ihr, dass Rodja ihr nicht die ganze Wahrheit sagte.

Vor allem, weil sie gestern noch seine Sorge in den Augen sehen konnte und heute sollte das alles nicht mehr vorhanden sein, was ihn bedrückte? Außerdem schien es ihr ziemlich unwahrscheinlich, dass seine Arbeitsstelle in der Nähe war, so dass er wirklich den ganzen Tag bei ihnen bleiben konnte. Das fiel ihr schon gestern Abend auf, aber sie wollte lieber nicht genau nachfragen. Es ging sie ja auch eigentlich nichts an. Doch, wenn sie es genau betrachtete, war sie schon etwas neugierig.

Sie richtete sich auf.

"Was arbeitest du, Rodja? Was ist dein Beruf?"

Einen Moment schien es so, als ob er schmerzlich die Augen zusammen kniff, doch dann lächelte er wieder, als ob sie ihm keine Frage stellte. Leise seufzte er.

"Noch nicht, Emma. Lass mir den heutigen Tag, damit ich..."

Er nahm ihre Tasse und trank noch einen Schluck, als ob das Selbstverständlichste der Welt wäre und er jedes Recht dazu hätte, dies zu tun. Dass er dabei ihre Frage nicht beantwortete, schien ihm nicht bewusst zu sein. Oder doch und er drückte sich davor.

Bevor sie sich beschweren konnte, drückte er ihr die Tasse wieder in die Hand und stand auf.

"Wir warten in der Küche auf dich."

Sie trank noch einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse auf den kleinen Nachttisch. Als sie aufstand hörte sie Rodjas Stimme, die fröhlich ein Lied sang. Beinahe wäre sie in die Knie gegangen, denn ein singenden Rodja war zu viel für ihre Nerven und vor allem für ihr Libido, die auf einmal ansprang, wie der Motor einer Harley.

Sie musste eiskalt duschen und dann sollte sie sich überlegen, wie es weiterging. Ob mit diesem kantigen Kerl, der gerade dröhnend etwas auf Russisch sang oder ohne ihn. Aber im letzten Fall musste sie schnell verschwinden, sonst würde es diese Wahl nicht geben.

Doch eines interessierte sie noch brennend.

Warum war er ihrer Frage ausgewichen?

Und warum forderte er noch einen Tag?

Das war doch alles sehr seltsam.

Väterchen Frost im NötenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt