13.

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Ben

Ein Stein sinkt auf den Grund meines Magens, als Dads schwarzer SUV die Auffahrt hinaufrast.
Er ist tatsächlich gekommen.
"Wette verloren", wispere ich vor mich hin und beobachte ihn dabei, wie er in der Garage verschwindet.
Die Scheibe beschlägt bei meinen Worten. Ich lehne den Kopf gegen sie, als ich nichts mehr sehen kann.

Beinahe zeitgleich treffen die Rettungssanitäter ein.
Doch Dad ist schneller. Er rennt an mir vorbei, blickt sich gehetzt in der weißen Halle um.
"Wo ist sie?"
Seine harte Stimme scheint mich zu durchteilen. Sein maßgeschneiderter Anzug sitzt perfekt auf seinen kantigen Schultern.

"Küche", ist alles, was ich über die Lippen bekomme.
Ich kämpfe immer noch gegen den Würgereiz unten in meiner Kehle an.
Mein Vater verschwindet mit steifen Schritten aus meinem Sichtfeld.
Wieso kommt er, wenn es ihr schlecht geht? Er hasst Mom. Jedenfalls besudeln sie sich nicht gerade mit liebevollen Gesten.
An guten Tagen weisen sie dem anderen gleichnamige Gleichgültigkeit zu.

Dennoch ist er jetzt hier und brüllt mir etwas aus der Küche zu.
Mit unsicheren Schritten nähere ich mich dem Tatort.
"Warum hast du sie nicht hier rausgezogen?! Sieh dir doch nur mal diese Sauerei an!"
Mit hochrotem Kopf und zusammengezogenen Augenbrauen reißt er mehrere Meter Küchenrolle ab und breitet sie um seine Frau aus, wirft noch ein paar Handtücher hinterher.

"Wie sollte ich denn ..."
Seine Welle der Übelkeit überkommt mich und ich presse die Hand vor den Mund.
Es klingelt.
"Jetzt geh schon! Oder soll ich dir noch eine Einladung schreiben? Verdammte Scheiße!"

Ich lache in mich hinein, schlendere absichtlich gelassen zur Haustür, meinen verletzten Fuß hinterherziehend.
Er ist sicherlich nur so aufgebracht, weil innerhalb weniger Tage zwei Krankenwagen vor unserer Tür stehen. Das hat er nun davon, dass er mich mit einem Rettungswagen hat vorfahren lassen, anstatt mich selbst aus dem Krankenhaus abzuholen.

"In der Küche", ist alles, was ich den beiden Männern vor der Tür sage, bevor ich ihnen den Rücken zuwende und mich zurückziehe.
Wie ich meinen Vater kenne, wird er noch einen Grund finden, mich für das Massaker in der Küche verantwortlich zu machen.
Er gibt lauthals Anweisungen, bis er mit hochgezogenen Schultern zu mir kommt.
Ich weiß nicht, ob ich ihn anlachen soll. Er macht sich so lächerlich.

"Dein Anruf war wirklich daneben, junger Mann. Ich dachte, ich habe mich am Wochenende klar und deutlich ausgedrückt; dein Verhalten hat sich zu ändern. Sieh dich doch an, du bist eine Witzfigur, eine Schande für dieses Haus! Und dann besitzt du noch nicht mal den Anstand, mich genau über den Zustand deiner Mutter aufzuklären und legst einfach auf!"

Ich umfasse meinen gebrochenen Arm. Meine Haare schützend vor meinem Gesicht. Ich erkenne den Mann vor mir nur schemenhaft und das ist auch gut so.
Ich will die Rage, die quer über seine markanten Züge geschrieben steht, nicht deutlicher erkennen. Das Zucken seiner Mundpartie hat mir schon als kleines Kind Angst gemacht.
Er sieht dann immer aus wie ein wahnsinniger Berserker.

"Jetzt tu nicht so, als ob du mir überhaupt länger zugehört hättest! Ich hätte dir auch von Alien erzählen können, die in unserem Vorgarten gelandet wären und du hättest mir nicht geglaubt."
Seine Miene fällt.
"Und du fragst dich noch, warum ich dir nicht glauben würde."
Er schüttelt den Kopf. Seine dunkelblonden Haare bleiben dabei makellos an seinem Haupt liegen.

"Wie ich dich kenne, hast du oben in deinem Zimmer gelegen und dich von dieser Musik zudröhnen lassen."
Er legt so viel Missbilligung in das Wort 'Musik' wie nur irgend möglich.
"Wer weiß, vielleicht hat sie dich um Hilfe gerufen, bevor sie das Bewusstsein verloren hat. Kannst du das wissen? Nein, weil du dich nicht für die Menschen um dich herum interessierst. Und das nennt sich mein Sohn. Was machen wir, wenn sie wegen dir zu spät Hilfe bekommen hat, hm?"

Ich will etwas erwidern, irgendetwas, aber in diesem Moment wird Mom an uns vorbeigetragen.
Sie sieht furchtbar aus. Ich sollte ein Foto von ihr schießen, damit sie an diesem Anblick teilhaben kann, wenn sie wieder bei Besinnung ist. Es wäre schade ihr das vorzuenthalten, aber mein Handy liegt oben in meinem Zimmer und ihres habe ich aus den Augen verloren.

Ihre Augen flattern, sie trägt nur noch einen Schuh.
Ich würde es ihr wünschen, dass die gesamte Nachbarschaft an den Scheiben klebt und von einem erstklassigen Platz in der ersten Reihe aus, Zeuge vom tiefsten Punkt ihres bisherigen Lebens wird.
Wobei der Tag meiner Geburt wahrscheinlich der tiefste Punkt ihres Lebens war.

Ich streiche mein Haar über die Stirn und höre Ophelias aufgebrachte Stimme vor der Haustür.
Mein Vater richtet sich sofort auf, wie ein Jagdhund, der Blut gerochen hat. Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen schreitet er in die Richtung des Stimmengewirrs.
"Ophelia. Komm rein und lass die Männer ihre Arbeit machen."

Beide verschwinden nach draußen und ich habe ein paar Minuten Ruhe.

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Song: medication - Kid  Brunswick

hi :)
Es ist wirklich traurig, zu schreiben, wie sehr Ben übergangen wird.
Dadurch staut sich einfach so viel Wut in ihm auf, die er gegen sich und alle in seinem Umfeld richtet, eher gesagt, richten muss. Denn irgendwie muss er seine aufgestauten Emotionen ja auch mal rauslassen.

Ich liebe es übrigens den "Soundtrack" dem jeweiligen Charakter anzupassen.
Ich weiß, nicht jeder hier hört die Songs während des Lesens. Aber denjenigen, die "almost Hate" schon gelesen haben, wird sicherlich aufgefallen sein, dass die Songs für Ophelia einen ganz anderen Klang hatten, weniger Wut und eine "weichere" Verzweiflung. Anders kann ich das gerade nicht ausdrücken xD

Musik ist einfach ein großer Teil in meinem Leben und ich liebe es, diesen hier mit einzubringen :)
Das macht alles so schön rund & ihr wisst, dass ich es liebe, wenn es rund ist.

Welchen Weihnachtssong habe ihr zuletzt gehört?
Ich irgendwas von Micheal Bublé :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Love [boyxboy]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt