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Ben

Song: Maybe - Chris Lanzon

Zwei Wochen später zieht Ophelia aus. Mir ist klar, dass ich mit meinem Verrat daran nicht ganz unschuldig bin. Vielleicht weiß ich auch, dass es meine Schuld ist, dass sie am Sonntagnachmittag mit einigen Taschen in der Einfahrt steht und wutentbrannt ihr Auto belädt.
Ihre Schritte auf der Treppe sind ungewöhnlich laut. Sonst hört man sie kaum, die erste Etage betreten oder verlassen.

Noch lauter ist allerdings ihre Stimme gewesen, als sie Dad zuvor angeschrien hat. Ich glaube, ich war selten so stolz auf sie.
Es ist klar, dass es um diesen komischen Vogel mit den Locken geht und um Geld und darum, dass Ophelia endlich mal die Krallen ausgefahren hat, anstatt wie gewöhnlich mir dabei zuzusehen.

Ob sie jetzt gerade auch dieses berauschende Gefühl von Macht, Oberhand, Dominanz und Kontrolle verspürt? Kontrolle über sein eigenes Leben und die Menschen darin.
Ich lausche an der Tür, während sie ihre Zimmertür hinter sich zu knallt - ein klares Zeichen dafür, dass sie hier fertig ist - und den Flur entlang läuft. Etwas streift das Holz vor mir, ich zucke zusammen, aber es wird nur ihre Tasche gewesen sein. Sie würde nie hereinkommen und sich von mir verabschieden.

Die Worte "Ich ziehe aus" waren laut und deutlich zu hören.
Ich zähle bis zehn und öffne dann meine Tür, spähe um die Ecke zu Dads Büro. Es ist verschlossen und der Mann hinter den weißen Wänden scheint nicht vorzuhaben, herauszukommen und hinter seiner Tochter herzulaufen.
Schade eigentlich, denn die Show wäre zu gut geworden.

Ich höre eine Autotür zuschlagen, als ich oben auf der Treppe stehe und beeile mich, nach unten zu gelangen, bevor Ophelia mir vor der Nase wegfährt.
Ihr blondes Haar klebt ihr im Nacken. Sie ist vorgebeugt, hievt eine Reisetasche in den Kofferraum ihres Minis. Manchmal nenne ich ihn meinen Mini, weil ich derjenige bin, der mit diesem Wagen echt Abenteuer erlebt hat und nicht sie.

Und dann fällt mir im nächsten Moment ein, dass es meinen Mini gar nicht mehr gibt, weil das hier vor uns ein neues Auto ist, das einfach exakt so aussieht, wie das, was ich an einem Baum zerquetscht habe.
"Hast du dir das wirklich gut überlegt?"

Meine Anwesenheit sendet eine sichtbare Schockwelle durch ihren Körper. Sie richtet sich auf und dreht sich zu mir um, pustet sich eine Strähne aus dem roten Gesicht.
"Wenn du für Belehrungen hier bis, kannst du gleich wieder reingehen."
Ihre Stimme zittert noch von dem abebbenden Adrenalin, das in Dads Büro wahrscheinlich Achterbahn in ihrem Blutkreislauf gefahren ist.

Wir hätten die rebellierenden Geschwister einer angesehenen Familie sein können.
"Ich will mich nur davon überzeugen, dass du das auch wirklich durchziehst", sage ich locker und schiebe die Hände in meine Jogginghose.
Ophelia zuckt mit den Schultern. Ich lege den Kopf leicht zur Seite, kneife die Augen gegen die Sonne zusammen und frage mich, ob sie einen Verdacht hat.

Sie knallt den Kofferraum zu, würdigt mich keines weiteren Blickes.
"Es ist das Richtige, das weißt du, oder?"
Sie hält inne. Unsicherheit huscht durch ihre braunen Augen. Doch sie sagt nichts. Ich wünschte, sie würde etwas sagen.

Aber genau hier und jetzt verstehe ich, dass ich meine Berechtigung verloren habe, mir zu wünschen, dass meine Schwester mit mir reden würde.
Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie irgendwann anfangen würde, mich zu überholen. In allem.
Wo diese Gefühle gerade herkommen, ist mir nicht klar und sie verunsichern mich, aber ich reiße mich zusammen und bleibe an Ort und Stelle stehen, halte das heiße Licht auf meinem Schädel aus.

"Hat Dad dich geschickt?", spuckt sie aus, eine Sonnenbrille in der Hand.
Gleich wird sie mich aussperren.
"Nein. Ich habe euch nur gehört."
Da ist noch so viel, was ich ihr in diesem Moment sagen möchte.

"Du tust das Richtige", sage ich unter meinem Atem.
Ophelia nickt, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
Ich kann nur hoffen, dass der Kerl, zu dem sie sich flüchtet, kein totaler Versager ist. Und ich kann nur hoffen, dass sie in zwei Wochen nicht wieder hier in der Auffahrt auftaucht und angekrochen kommt, um Entschuldigung bittet, weil sie gemerkt hat, dass das Leben allein doch nicht so toll ist, wie sie sich vorgestellt hat.

Deswegen bleibe ich hier vor dem Haus stehen, während sie in den weißen Mini einsteigt.
Ich weiß, was mich da draußen erwartet und dass ich dem nicht gewachsen bin. Es würde nicht bei Tabletten bleiben und auch nicht bei Löchern in der Wand.
Ophelia hat mich überholt, obwohl ich ihr nicht zugetraut hätte, dies je zu tun. Sie ist wieder mutig geworden. Wie das blonde Mädchen mit den Locken in der Stirn, das einst wagemutig auf Bäume geklettert ist.

Ich hätte ihr das gerne gesagt und noch so viel mehr. Aber sie fährt bereits vom Grundstück, biegt nach rechts ab und verschwindet aus meinem Sichtfeld.

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Leute, u may forgive me. xD
Ich weiß!!!, dass ich diese Szene aus Ophelias POV geschrieben habe. Oder???!?!
Jedenfalls konnte ich sie nicht finden. Also falls sie existiert, weichen jetzt erstmal die wörtliche Rede etc. ab.
Mein Spatzenhirn und ich, eine ganz besondere Liebesgeschichte XD

Kann sich jemand von euch erinnern, ob ich das schon mal geschrieben habe oder ist es nur eine Fantasie meines Hirns? xD

Schönen Sonntag euch noch xx

All my Love,
Lisa xoxo

almost Love [boyxboy]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt