Teil 7: Hektor und die Frau

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HEKTOR

»Wir müssen ihr hinterher«, echauffierte sich Theo mit angsterfüllter Stimme, »was ist, wenn ihr was passiert?« Ich probierte ihn zu beruhigen und legte meine Hand auf seine Schulter, mit einer ruckartigen Bewegung stieß er mich von ihm weg. »Ich will nicht beruhigt werden, ich will Maike retten.«

»Wovor willst du sie retten?«, ich brüllte Theo an. »Was willst du tun? Fröhlich in den Wald spazieren und vielleicht angegriffen werden, von was auch immer da sein Unwesen treibt? Maike hat sich ihr Schicksal selbst ausgesucht!«

Mit großen Augen starrte er mir ins Gesicht. Sein Blick war voller Emotionen und leer zugleich. Warum würde er sich so für Maike einsetzen? Wir wussten ja nicht mal, ob sie wirklich in den Wald gegangen ist. Ich vermutete schon seit geraumer Zeit, dass Theo etwas mehr für sie empfand. Aber konnte er nicht einsehen, dass dies sinnlose Gefühle ohne jegliche Zukunft waren.

»Dann gehe ich eben alleine in den Wald«, zischte Theo, drehte sich um und lief davon.

»Soll er doch abhauen«, murmelte ich.

»Das meinst du doch gar nicht so.« Wei stand neben mir und hatte bisher nichts zu Theos Gefühlsausbruch gesagt. Er war sowieso nicht der Herr der großen Worte in solch hitzigen Situationen.

»Er ist so ein Idiot.« Ich gab mir einen Ruck und folgte meinem besten Freund. Wei tippelte mir zügig hinterher. Mit seinen kurzen Beinen hatte er Schwierigkeiten mit mir Schritt zu halten.

»Ich sehe ihn nicht mehr. Meinst du er ist abgebogen?«, schnaufte Wei.

Wir hatten mittlerweile Maikes Nachbarschaft hinter uns gelassen. An einem ruhigen, mit Gras dicht bewachsenen Feldweg angekommen schauten wir uns um. »Links ist der Sumpf, oder?«, orientierte sich Wei, während er in alle Himmelsrichtungen starrte. Ich nickte wortlos und musste überlegen. Wenn wir weiter geradeaus liefen, kamen wir in unsere Nachbarschaft zurück. Links war das Sumpfgebiet, sehr verwildert und überhaupt nicht einladend, aber der schnellste Weg in den Wald. Rechtsgelegen war der Tulpenpark ungefähr fünf Minuten zu Fuß entfernt.

»Theo ist bestimmt durch den Sumpf gelaufen«, sagte Wei.

Ich schaute mich etwas um. »Hier«, rief ich, als ich einen Zigarettenstummel auf dem Boden fand. »Das sind Sebastians Zigaretten, also war Maike hier.«

»Dann kann Theo ja nicht weit entfernt sein«, scherzte Wei.

Wir entschieden uns dazu den linken, unheimlichen Weg durch das Sumpfgebiet zu nehmen.

»Ich habe weiße Turnschuhe an, die darf Theo mir bezahlen, wenn wir ihn gefunden haben«, nörgelte ich. Wei schenkte mir keine Antwort, vielleicht war er von meiner Eitelkeit genervt.

Nach ein paar Minuten Fußmarsch fanden wir Theo verzweifelt auf einer morschen, schon von Moos bewachsenen Bank sitzen. Er hatte eine Zigarette in der Hand und hustete sich die Seele aus dem Leibe.

»Was machst du denn da?«, fragte ich ihn.

»Ich habe Maikes Zigaretten und das Feuerzeug auf der Bank gefunden, aber sie war nicht hier.«

»Und dann dachtest du dir, ach komm, zünd ich mir mal eine an?«, mit verschränkten Armen stand ich vor ihm. »Wolltest du ihr ein Rauchzeichen geben oder was?«

Theo schien nicht interessiert an meinem Gemecker und zog erneut am Glimmstängel. »Willst du auch mal?« Er hielt Wei die Zigarette hin.

»Du meinst wohl, willst du auch mal deine Blutgefäße verstopfen und eventuell an Lungenkrebs sterben? Wenn das deine Frage war, dann nein danke«, sagte Wei mit krächzender Stimme. Anschließend schaute er zu mir. Er wartete vermutlich auf ein Kommentar bezüglich seines Stimmbruchs, aber dafür war ich jetzt nicht in der Stimmung.

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