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HEKTOR
Nach ein paar Stunden Schlaf wurde ich von dem Klingeln meines Handys geweckt. Ich konnte meine Augen vor Müdigkeit kaum öffnen. Ich blinzelte und nahm den Anruf entgegen.
»Ja«, brummte ich.
»Hey Hektor, wollen wir spazieren gehen?«, hallte es durch den Lautsprecher. Ich erkannte die Stimme. Es war Moritz.
»Warte mal kurz.« Ich drehte mich zu Theo, der schien noch zu schlafen und ließ sich von meinem Telefonat nicht unterbrechen.
»Können wir machen.«
»Warum flüsterst du?«, Moritz lachte. »Komm in 15 Minuten zum Schwarzen Brett.« Er gab mir keine Chance zu antworten und legte auf.
Grummelnd drehte sich Theo im Bett herum. Ich tippte ihm leicht auf die Schulter. »Hey, ich treffe mich mal kurz mit Moritz. Ich will ihm sagen, was mit meinem Vater passiert ist.«
»Okay«, murmelte Theo und zog sich die Decke über den Kopf.
Er und Wei wussten, dass ich mit Moritz befreundet war. Das war vielleicht nicht die komplette Wahrheit, aber ein paar Geheimnisse durfte ich doch haben, oder?
Meine Freunde mochten Moritz, aber dadurch, dass er in anderen Kreisen verkehrte, hatten wir nie viel mit ihm unternommen. Er traf sich nach der Schule oft im Skatepark und verbrachte dort die meiste Zeit.
Ich zog mich an, putzte mir schnell die Zähne und stibitzte mir eine trockene Scheibe Graubrot aus der Küche.
Ich machte mich auf den Weg zum Schwarzen Brett, ein altes, moderndes Holzbrett am Rande der Stadt. Hier waren ein paar Informationen für die Bewohner angeheftet. Diese waren allerdings schon mehrere Jahre alt. Keiner schien sich mehr dafür zu interessieren.
Ich lehnte an dem knarrenden Brett und wartete auf Moritz. Zwischen ein paar Wohnhäusern tauchte er auf.
»Guten Morgen«, seine Stimme klang etwas rau. Er war also auch noch nicht so lange wach. Er grinste und umarmte mich.
»Hey.« Ich musste gähnen.
»Eine lange Nacht mit Theo gehabt?«, kicherte er.
»Du bist ja lustig«, merkte ich ironisch an und rollte mit den Augen.
Er zog mich am Arm und gab mir damit zu verstehen, dass er etwas spazieren gehen wollte. Wir liefen am Waldrand entlang.
»Unser Kuss hat mir gefallen«, warf er aus heiterem Himmel in den Raum. Moritz war wirklich kein schweigsamer Mensch und er sagte immer was ihm gerade in den Kopf schoss. Damit eckte er oft an. Nicht jeder kam mit seiner ehrlichen und direkten Art klar.
Ich merkte, wie ich leicht rot anlief. »Ja... fand ich auch«, stammelte ich.
Er drehte sich grinsend zu mir. Wollte er mich jetzt küssen? Hier draußen? Ich wurde nervös und starrte ihm ins Gesicht. Zuerst auf die Zahnlücke, die sich bei jedem frechen Grinsen offenbarte und dann in die strahlend grünen Augen. Die erfrischende Morgenbrise hatte sein Haar etwas zerzaust. Das sah niedlich aus.
Ein paar Vögel trällerten ein Lied und in der Ferne bellte ein Hund unaufhörlich.
Er griff nach meiner Hand und Wärme durchflutete meinen Körper. Jeder Herzschlag brachte uns näher aneinander, bis sich unsere Lippen berührten. Ich genoss es, wie er seinen Oberkörper an mich schmiegte. Sein fruchtig riechendes Parfüm stieg mir in die Nase. Er entfernte sich von meinen Lippen und ich öffnete meine Augen. Da war das Grinsen wieder.
»Wie geht es deiner Cousine?«, fragte Moritz und löste die magische Atmosphäre in Luft auf.
»Dein Ernst?«, ich kniff meine Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Sie ist mittlerweile bei Maike untergekommen. Und damit möchte ich das Gespräch auch beenden.« Ich lachte.
»Ist alles in Ordnung?« Ich wurde stutzig. Wirkte ich irgendwie nicht glücklich? Ich wollte in diesem Moment einfach nur meine Eltern, Alma und den Anblick von Frau Gabrowskis Leiche vergessen.
»Ja, es ist alles gut«, ein leichtes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Ohne zu reden liefen wir weiter. Ich genoss seine Nähe und wollte an nichts anderes denken. Moritz steuerte eine Holzbank an und setzte sich. Ich lies mich neben ihm nieder.
Ohne zu zögern zog er mich an sich heran und küsste mich erneut. Dieses Mal etwas weniger vorsichtig. Er fuhr mir durch die Haare und kraulte meinen Kopf. Seine Zunge umspielte meine Lippen und ich öffnete meinen Mund für einen leidenschaftlichen Gefühlsaustausch.
Moritz' Küsse wanderten zu meinem Hals. »Das fühlt sich gut an«, hauchte er mir ins Ohr. Er griff nach meiner Hand und platzierte sie auf seinen Oberschenkel. Angst und Neugierde durchzog meinen Körper.
»Wollen wir zu mir gehen?«, fragte Moritz und schob meine Hand auf seine Leistengegend. Ruckartig entfernte ich mich von ihm und zog meine Hände an meinen Körper zurück.
»Ich... ich... können wir warten?«, murmelte ich. Die Leidenschaft in mir verwandelte sich in Scham.
»Ich dachte du willst es auch«, zischte Moritz.
»Ja klar, aber... nicht jetzt«, ich schaute zu Boden, um seinem Blick auszuweichen.
»Warum hast du dann meinen Schwanz angefasst?«
»Ich... wie bitte? Du hast meine Hand doch dahin gelegt.«
»Lass es Hektor, du brauchst dich jetzt gar nicht rausreden.«
»Rausreden?«, ich wurde lauter und merkte wie Wut in mir aufstieg.
Moritz seufzte und stand auf. Er schüttelte seinen Kopf. »Es tut mir leid«, murmelte er. »Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Ich hatte gehofft, dass wir... na ja, du weißt schon.«
»Wir hatten doch abgemacht, dass wir warten.«
Moritz nickte und setzte sich wieder auf die Bank.
»Können wir vergessen, was eben passierte?« Sehnsüchtig schaute er mir ins Gesicht. Ich nickte widerwillig und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab.
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VANITAS
FantastikTheo, 14 Jahre alt, und seine Freunde suchen nach dem perfekten Abenteuer. Tagtäglich bekämpfen sie imaginäre Monster in den Wäldern rund um das kleine Dorf Aalwald. Als sie eines Tages einen schrecklichen Fund machen, ändert sich ihr Leben schlagar...