Mit einem Ruck öffnete sich die Tür zum Bad.
»Ich bin noch nicht fertig«, rief ich.
»Ich weiß.« Hektor linste hinter der Tür hervor. »Ich muss pissen. Das andere Badezimmer ist besetzt.«
»Kannst du nicht noch kurz warten?«
»Jetzt hab dich nicht so«, meckerte Hektor, »ich hab dich schon nackt gesehen.«
Er humpelte ins Badezimmer, schloss die Tür und setzte sich auf die Toilette.
Ich verdrehte die Augen und probierte meinen nackten Körper mit Schaum zu bedecken.
»Lass noch ein bisschen warmes Wasser für mich übrig.« Ich war in Gedanken versunken und ignorierte seine Forderung.
Hektor stand von der Toilette auf, spülte und fing an sich auszuziehen.
»Hey«, rief ich, »warte doch bis ich fertig bin.«
»Du warst jetzt lange genug in der Wanne, ich bin auch schmutzig.« Hektor präsentierte mir seinen Körper. Lediglich an den Beinen hatte er etwas Schlamm.
»Ähm, könntest du...«, stotterte ich und deutete mit meinen Augen auf meine Leistengegend.
»Hab dich nicht so«, gab Hektor zurück. Dann verdrehte er die Augen und wandte mir doch den Rücken zu, damit ich aus der Wanne steigen konnte. Ich schnappte mir ein großes, blaues Handtuch und wickelte es mir um den Körper.
»Du darfst.«
Hektor humpelte zur Badewanne und stieg vorsichtig hinein.
»Viel Spaß.«
Ich öffnete die Tür und hörte wie das Telefon klingelte. Ich blieb im Bad stehen, damit meine Eltern nicht sahen, dass ich zuhörte.
»Tanja Seemann am Apparat, oh, hallo Wolfgang.« Ich drehte mich zu Hektor um, der nun auch gespannt in der Badewanne saß und lauschte.
»Oh mein Gott«, flüsterte meine Mutter und danach folgten vielleicht zwei Minuten Stille. »Danke, bis morgen«, beendete sie das Gespräch.
»Was ist los?«, fragte mein Vater teilnahmslos.
»Frau Gabrowski ist tot.«
Ich lief aus dem Badezimmer in die Küche. Erschrocken drehten sich meine Eltern zu mir um. Für einen kurzen Moment standen wir uns gegenüber und sagten nichts. Dann rannte meine Mutter zu mir und umarmte mich.
»Es tut mir so leid, dass du das mit ansehen musstest«, sagte sie und streichelte mir über den Kopf.
Dann summte es und die Tür öffnete sich.
»Was ist denn hier los?« Mein älterer Bruder stand ratlos in der Küchentür. Er war klitschnass. Seine Haare trieften und waren von dem Regen dunkelbraun. Von seiner großen Nase tropfte Wasser auf den Küchenboden.
»Frau Gabrowski ist tot«, flüsterte ich.
»Verarsch mich nicht«, rief mein Bruder und wischte sich die Nässe von draußen aus dem Gesicht.
»Sebastian«, meine Mutter wandte sich zu ihm, »zieh dich doch erst mal um und dann reden wir.«
Eine halbe Stunde später saßen wir alle am Esstisch im Wohnzimmer.
»Und ihre Gedärme hingen ihr wirklich aus dem Bauch?«, fragte mein Bruder neugierig.
»Sebastian«, ermahnte meine Mutter ihn. »Die Kinder haben einen Schock fürs Leben bekommen, das ist kein Krimi, über den man lachen kann.«
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VANITAS
FantasiaTheo, 14 Jahre alt, und seine Freunde suchen nach dem perfekten Abenteuer. Tagtäglich bekämpfen sie imaginäre Monster in den Wäldern rund um das kleine Dorf Aalwald. Als sie eines Tages einen schrecklichen Fund machen, ändert sich ihr Leben schlagar...