Teil 4: Hektor und die Liebe

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HEKTOR

»Bitte«, flehte das Mädchen und drückte mit ihrer freien Hand gegen die Scheibe.

»Was sollen wir tun?«, Theo drehte sich zu mir um.

»Ich weiß, was mit der toten Frau im Wald passiert ist«, rief sie plötzlich.

»Woher weißt du das? Hast du sie umgebracht?«

Das Mädchen schüttelte ihren Kopf.

»Wozu hast du das Messer?«, fragte ich nervös und kroch langsam hinter Theo hervor.

»Um mich zu verteidigen«, erklärte sie.

Da rauschte etwas in Theos Zimmer. Aufgeschreckt drehten wir uns um.

»Was war das?«, fragte ich ängstlich. »Ich kann heute nicht noch mehr ertragen.«

Theo zuckte mit den Schultern. In dem Moment hörten wir das Rauschen erneut.

»Hallo, hier ist Wei. Hört ihr mich?«

Theo seufzte. »Das ist mein Walkie-Talkie«, gab er mir beruhigend zu verstehen. Er lief zu seinem Schreibtisch und griff nach dem Funkgerät. Ich schaute ihm dabei zu. Aus dem Augenwinkel probierte ich das Mädchen im Blick zu behalten.

»Hey, wir können jetzt nicht«, flüsterte Theo ins Walkie-Talkie.

»Ich weiß, ich sehe die Person vor eurem Fenster«, rauschte es durch das Funkgerät, »geht es euch gut?«

»Noch ja«, antwortete Theo, »sie will, dass wir ihr helfen. Sie weiß angeblich, was mit Frau Gabrowski passiert ist.«

»Und sie hat ein Messer«, fiel ich ihm ins Wort.

»Ein Messer?«, Weis Stimme wurde lauter.

»Bitte«, hallte es von draußen.

Wir drehten uns zu dem Mädchen um und konnten sehen, dass sie Tränen in den Augen hatte.

»Wie sollen wir dir helfen?«, fragte Theo.

»Ich muss mich für ein paar Tage verstecken. Egal wo. Ich darf nicht gefunden werden«, schluchzte sie.

Theo schaute mich auffordernd an. Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. Ich zog Theo vom Fenster weg. »Was willst du mir damit sagen?«, raunte ich ihm ins Ohr.

»Dein Schuppen im Garten«, murmelte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf das Mädchen.

Empört stieß ich ihn von mir weg und verschränkte die Arme. »Spinnst du?«

»Sei leise«, erwiderte Theo.

»Ihr könnt das Messer behalten. Aber bitte helft mir, die Zeit rennt mir davon.«, unterbrach uns das Mädchen.

»Jungs, was ist los?«, rauschte es aus dem Walkie-Talkie.

Ich griff Theo am Kragen seines Shirts. »Wenn ich wegen ihr abkratze, kommst du in die Hölle«, ermahnte ich ihn flüsternd und wandte mich der Fremden zu.

»Ich habe einen Schuppen, da kannst du bleiben.«

Sie bedankte sich leise und stieß einen Seufzer aus.

»Lebt ihr noch?«, hallte es aus dem Funkgerät.

»Uns geht es gut, wir bringen das Mädchen jetzt in Hektors Schuppen«, gab Theo Wei zu verstehen.

»Spinnt ihr?«, antwortete er, aber da legte Theo das Gerät schon wieder auf seinen Schreibtisch zurück.

»Deine Eltern hören uns doch, wenn wir jetzt hier durchs Haus marschieren«, flüsterte ich.

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