Im Rauchsalon warteten bereits einige andere Schlossbewohner. Rasputin und sein Sohn waren vor einigen Wochen in den Ostflügel des Schlosses gezogen. Zum Einen, damit Kamilla öfter auf Camio aufpassen konnte, zum Anderen, weil sie Zwischenfälle zwischen Dämonen und Menschen, wie sie in der Vergangenheit geschehen waren, um jeden Preis vermeiden wollten. Außerdem gab es auf dem neuen Schloss Baronstett genug Platz, um die ganze Stadt zu beherbergen. Diesen Umstand nutzten auch Joseph und Laurent, die den Südflügel bezogen hatten, weil ihnen klargeworden war, dass sie unmöglich weiterhin über der Schule wohnen konnten, in Räumen, die sich ohne ihre Kinder schrecklich leer und verlassen anfühlten.
Emma setzte sich zu Rasputin auf die mit dunkelrotem Damast bespannte Chaiselongue und musterte Camio, der in den marmornen Kamin geklettert war und sich inmitten der tanzenden Flammen zum Schlafen zusammengerollt hatte. Obwohl seit dem Vorfall im Kloster Pax Angelus weniger als vier Monate vergangen waren, schien es, als wäre er seitdem um mehr als ein Jahr gealtert. Man konnte ihn mit Leichtigkeit für einen zwei- oder sogar dreijährigen Jungen halten.
»Du hast Recht, Mensch«, sagte Rasputin, als sie ihn darauf ansprach. »Meine Brut altert derzeit schneller als ein sterbliches Kind. Das muss sie auch.«
»Weshalb?«, fragte Emma.
Die Glut im Blick des Dämons flackerte. »Weil meine Brut seine Lebensspenderin verloren hat.«
»Du meinst, Camio altert wortwörtlich schneller, weil Savannah tot ist?«
Rasputin nickte zufrieden. »Das wird ihm das Überleben sichern. Schon bald wird er es mit jedem sterblichen Wesen aufnehmen können – und in ein paar Monaten werden es sich auch die unsterblichen Wesen zweimal überlegen, ob sie es wagen, ihn anzurühren.«
»Das ist... gut«, meinte Emma zögernd. Sie mochte Camio wirklich gern, aber sie sorgte sich mehr um die sterblichen Wesen, die seinen Weg kreuzten, als um den Wechselbalg selbst.
»Ah, ihr seid schon alle hier«, bemerkte Kilian beim Betreten des Salons.
Kamilla und Derrick, die mit ihm gekommen waren, rangelten um den Polstersessel direkt am Kamin. Die Baronin setzte sich durch, indem sie dem eher schmächtigen Derrick einen Stoß mit ihrem ausladenden Hinterteil versetzte. Er fing sich an der Wand ab, fluchte leise und ließ sich auf die schmale Holzbank fallen, die den ganzen Raum umgab.
Kilian schüttelte kurz den Kopf, als würde er sich über das Benehmen seiner Schwester und seines besten Freundes wundern, dann bemerkte er Miragel und das gleichmütige Lächeln auf seinen schmalen Lippen. »Alles in Ordnung mit dir, Miragel?«
»Das ist es«, antwortete der Elf fröhlich.
»Willst du die Neuigkeit verkünden?«, fragte Kilian.
Miragel schüttelte den Kopf. »Nein. Die Ehre gebührt allein Euch.«
»Na schön«, seufzte Kilian. »Also, ich habe der Morgena unseren neuen Kurs mitgeteilt. Wenn Derricks Berechnungen und die des Sternenzählers stimmen, werden wir heute Abend die-«
»Albsphäre erreichen!«, platzte es aus Miragel heraus. »Die Heimat der Elfen. Das heißt, meine Heimat und die Heimat meiner Vorfahren.« Er senkte beschämt den Kopf. »Verzeiht, Baron. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«
»Das bedeutet, dass wir nur noch wenige Sphären vom Reich des Königs aller Welten entfernt sind«, ergänzte Kilian, den Ausbruch seines obersten Beraters ignorierend.
Derrick beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie. »Und das heißt wiederum, dass wir die letzten Details unseres Plans festzurren müssen.«
DU LIEST GERADE
Morgenwind - die fliegende Stadt [Buch 2]
FantasyEmma und Kilian haben beschlossen, den Kampf gegen die Vogelmenschen aufzunehmen, um ihre gefallenen Freunde zu rächen und den König aller Welten zu retten. Doch der Weg in die oberen Sphären führt sie zunächst nach New York, wo sie sieben Hexenprüf...