49. Eine magische Leihgabe [2]

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»Was soll das?«, fragte Emma schwach.

»Nun, die Übergabe meiner Kräfte basiert auf einem Tausch. Normalerweise nehme ich dafür eine Nacht voller Leidenschaft und eine Seele, aber in Anbetracht der Umstände wird es wohl auch eine Träne tun.«

Emma starrte ihn an. Sie konnte nicht fassen, dass er das gesagt hatte. »Wir müssen nicht miteinander schlafen, damit du mir deine Kräfte verleihen kannst?«

»Eine körperliche Vereinigung wäre besser«, meinte Rasputin. »Ohne sie wirst du jedenfalls nicht zu einer Hexe.«

»Aber es geht?«, fragte Emma.

Rasputin sammelte noch eine ihrer Tränen auf, lutschte sie ab und nickte. »Vertrau mir, Menschenweib, es wird funktionieren. Allerdings müssen wir uns beeilen, weil die Wirkung schnell nachlassen wird.«

»Dir vertrauen?«, grollte Emma. Dann holte sie aus und schlug ihm fest gegen den Arm. »Das hast du mit Absicht gemacht. Du wolltest mich nur ins Bett kriegen und ich wäre beinahe auf diese Scheiße reingefallen!« Rasputin hob abwehrend die Hände und setzte zu einer Erwiderung an, aber sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Du bist wirklich das Letzte«, zischte sie. »Und jetzt her mit deinen Kräften, bevor ich mich vergesse!« Hinter ihrer Wut steckte jedoch vor allem Erleichterung. Sie war froh, Rasputin zurückgewiesen zu haben und er schien es ihr auch in keiner Weise übel zu nehmen. Irgendwie hatte sie erwartet, dass er gekränkt sein würde, doch er schien beinahe genauso erleichtert zu sein wie sie selbst.

»Sei jetzt still«, sagte er streng. »Meine dämonischen Kräfte sind eine ernste Angelegenheit.«

Emma fiel wieder ein, was Anoushka über das Mädchen in Russland gesagt hatte, das sich mit Rasputin eingelassen und anschließend ihre Familie getötet, sowie den halben Landstrich verwüstet hatte. »Was muss ich tun?«

»Nun, zuerst einmal musst du einen Teil von mir in dich aufnehmen«, erwiderte Rasputin.

Bei diesen Worten verzog Emma das Gesicht. »Wie meinst du das?«

»Genau so, wie ich es gesagt habe. Und da du ganz offenbar Vorbehalte gegen eine vollständige Vereinigung hast, werden wir einen anderen Weg wählen müssen.« Bevor Emma etwas einwenden konnte, nahm Rasputin erneut ihre Hände und drehte sie um, sodass er ihre blutverschmierten Handflächen betrachten konnte. Die Knitterfalten, die daraufhin auf seiner Stirn erschienen, waren ein ungewohnter Anblick, ein interessanter Makel an seiner sonst so perfekten Erscheinung. Die Falten verschwanden jedoch so schnell wieder, wie sie gekommen waren. Er fasste ihre Hände fester und presste sie sich an die wunde Brust.

»Was wird denn das, wenn es fertig ist?«, fragte Emma misstrauisch.

»Ich gebe dir einen Teil von mir«, antwortete der Dämon, löste ihre Hände von seinem Körper und führte sie an ihr Gesicht. »Leck' sie ab.«

Emma starrte ihn an. »Ich soll dein Blut trinken?«

»Nur ein wenig, sonst wird dir noch übel«, entgegnete Rasputin ungeduldig.

»Kannst du nicht einfach ein bisschen heulen und ich trinke dann eine von deinen Tränen, so wie du es bei mir gemacht hast?«

»Ich heule nicht«, antwortete Rasputin verstimmt. Dann kehrte der lüsterne Ausdruck auf sein Gesicht zurück. »Aber wir könnten... wie hast du es genannt? Knutschen?«

»Nein, danke«, knurrte Emma, nahm ihren Zeigefinger in den Mund und lutschte ihn ab, wobei sie ganz instinktiv Rasputins Blickkontakt suchte. Der Dämon lächelte und Emma verstand, dass man ihr Verhalten auch als Flirtversuch deuten konnte. Rasch nahm sie den Finger wieder aus dem Mund. »Und jetzt?«

Morgenwind - die fliegende Stadt [Buch 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt