Kapitel 8

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Und schon wieder hatten sie mich einfach entführt. Können die sich nicht einfach angewöhnen, Worte mit mir zu wechseln? Ich wäre auch freiwillig mit ihnen gegangen, denn ich wollte wirklich wissen, was an der Vaterschaftssache dran war. 

Ich wachte in einem gemütlichen Sessel auf, der in der Ecke eines großen Büros stand. Neben der Tür stand ein Wachmann, der bemerkte, dass ich wach war. Er informierte offenbar jemanden über den Umstand, sodass kurz später ein Mann den Raum betrat. Ich setzte mich ordentlich hin und schaute ihn an. Er war sehr groß, trainiert, hatte dunkelblonde haare, die mit leicht gräulichen Strähnen durchzogen waren und einen Vollbart in der gleichen Farbe. Ich schätzte ihn auf Anfang 40. Er lehnte sich an den Schreibtisch und schaute mich mit überkreuzten Armen an. "Du bist also die Kleine von Fiona", stellte er fest und betrachtete mich von oben bis unten. 

In meiner weiten Jogginghose und dem engen Top fühlte ich mich wohlgemerkt etwas unwohl hier, da der Mann einen Anzug trug. 

Kurzerhand nickte ich auf seine Feststellung hin. Er hielt einen Briefumschlag hoch. "Ich habe das Ergebnis selbst noch nicht gesehen, ich bin also genau so aufgeregt wie du, zu erfahren, ob du meine Tochter bist. Immerhin waren zwischen dem mit deiner Mutter und mir und deiner Geburt nur etwas über ein halbes Jahr, ich vermute also eher, dass sie damals schon schwanger war", meinte er und öffnete den Briefumschlag.

Das war also der sagenumwobene Lorenzo Garini. Ich hätte ihn mir furchteinflößender vorgestellt, jedoch war er ein ganz normaler Mann. 

"Es wäre übrigens nett, wenn ihr mich nicht immer betäuben würdet. Heute wäre ich sogar freiwillig mitgekommen", merkte ich genervt an, worauf er mich überrascht ansah. "Du warst schonmal hier?", fragte er nach, weshalb ich mit den Schultern zuckte. "Ich habe ein bisschen Mist gebaut", deutete ich an, weshalb er lachte. Sein Lachen war warmherzig, was mir sehr gefiel. 

Er zog den Brief aus dem Umschlag und las sich das Ergebnis scheinbar durch. "... ist die Vaterschaft mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99% festgestellt", las er vor, worauf wir uns beide perplex ansahen. Er atmete hörbar aus und fuhr sich durch die Haare. Auch ich musste das kurz verarbeiten und stütze meine Stirn auf meine Handfläche, während mein Ellenbogen auf der Sessellehne lag. 

"Stellt sich jetzt die Frage, was du mit dem Wissen anstellen willst. Du hast die Wahl, ob alles so bleiben soll, wie es ist oder du wirklich den Platz meiner Tochter einnimmst. Dazu gehört jedoch etwas mehr", setzte er an. Ich nickte und zog meine Beine an meinen Oberkörper. "Ich habe mir, seit ich klein bin, einen Vater gewünscht. Was gehört denn alles dazu?", fragte ich und schaute ihn an. "Du wirst zu uns gehören. Natürlich lasse ich dich nicht die Drecksarbeit machen", fasste er zusammen, worauf ich nickte. "Ich würde es aber gerne so halten, dass niemand von dem Verwandtschaftsverhältnis erfährt. Ich will kein Druckmittel sein", erwiderte ich, worauf er lächelte. "Also stimmst du zu", wiederholte er, worauf ich nickte. "Was habe ich schon zu verlieren?", meinte ich belustigt, worauf auch er lachte. 

Er nahm eine Aktenmappe vom Schreibtisch, auf der ich meinen Namen erkannte. "Stellt ihr mir nach oder so?", schnaubte ich. Belustigt schaute er mich an und blätterte durch die Mappe. "Du hast dir ja schon einiges geleistet", stellte er fest, worauf ich die Augen verdrehte. "Das meiste war, wenn mich mal wieder ein Bulle mit dem Meth für Mom aufgegabelt hat", erwiderte ich direkt. Er erstarrte und schaute mich mit großen Augen an. "Dass ich deine Mutter das letzte mal gesehen habe, ist 18 Jahre her. Damals.." "Sie hat während der Schwangerschaft mit Kokain angefangen, deshalb war ich auch ein Frühchen", unterbrach ich ihn. Er schluckte. "Als ich sie damals kennengelernt habe, war sie erst 15", schwelgte er in Erinnerungen. 

"Wie kamen die diversen Schulwechsel zustande?", fragte er weiter. "Hab diejenigen verdroschen, die mich wegen Moms Job gemobbt haben und einmal war, weil mich einer verpfiffen hat, dass ich gedealt habe", erklärte ich und zog meine Beine näher an meinen Körper. Sein Gesichtsausdruck wirkte traurig. "Was ist wegen Moms Schulden?", fragte ich nach. "Sie wird versuchen, Raten zu zahlen. Auch wenn sie deine Mutter ist, hat sich eine Menge Geld angesammelt und wenigstens einen Teil davon sollte sie zahlen, um wenigstens guten Willen zu zeigen. Ich bin zwar der Boss, aber ich bin immer noch ein Mensch", erwiderte er, worauf ich ruhig nickte. 

"Und was wird dann der Grund für meinen Beitritt sein?", fragte ich nach einiger Stille. Immerhin mussten wir beide die erhaltene Information verarbeiten. "Ich überlege mir etwas. Vermutlich wird es darauf hinauslaufen, dass du dich schützen willst, weil deine Mutter stress mit uns hat", antwortete er und ging nun um den Schreibtisch herum, um sich auf den Stuhl zu setzen. Der Schreibtisch lag voller Zettel. 

Ich stand auf und trat vor den Schreibtisch, um mich dort mit den Händen auf der Platte abzustützen. Er schaute mich grinsend an. "Langsam erkenne ich mich in dir wieder", stellte er fest und lehnte sich im Stuhl zurück. Er spielte mit einem schwarzen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern und begutachtete mich. "Ich will dass es dir jetzt besser geht als sonst bei deiner Mutter. Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du Probleme hast. Immerhin ist es meine Aufgabe, auf dich Acht zu geben", meinte er, bevor er eine Schublade öffnete und einen Briefumschlag herausnahm. Dieser war recht dick, ich dachte mir jedoch nichts dabei, als er ihn mir in die Hand drückte. "Ich will, dass du dir davon erstmal etwas Schönes kaufst. Das kann die ganzen Jahre natürlich nicht wett machen, aber es ist wenigstens ein Anfang. Ich will meine Tochter verwöhnen, vor Allem weil du die einzige bist, von der ich weiß", erklärte er, weshalb ich lächelnd den Umschlag annahm. "Denk aber bloß nicht, ich wäre käuflich", erwiderte ich, worauf er lachte. "Ich vermute, du bist genau so ein Dickkopf wie ich, also bringt das eh nichts", äußerte er, worauf nun auch ich lachte. 

Er griff nach dem Handy, das auf dem Schreibtisch lag und tippte kurz etwas. "Wo ist eigentlich mein Rucksack, den ich dabei hatte, als ihr mich aufgegabelt habt?", fragte ich in der Zwischenzeit und schaute mich im Raum um. Vertieft ins Handy zeigte er in eine Ecke des Raumes, in der er auch wirklich lag. Kurzerhand verstaute ich den Umschlag darin, bevor ich den Rucksack an den Schreibtisch lehnte und mich wieder so positionierte wie vorher. 

"Dass das Tragen des Symbols dazugehört, sollte klar sein, oder?", fing er plötzlich an, worauf mein Blick wieder auf ihn fiel. "Mich hätte gewundert, wenn es nicht so wäre", erwiderte ich. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Wer weiß eigentlich davon, dass du mein Vater bist?", fragte ich neugierig nach. Er schaute von seinen Unterlagen auf. "Nur die beiden, die am Mittwoch bei euch in der Wohnung waren und die werden dichthalten", erklärte er, worauf ich nickte. "Gleich kommt jemand, der dich begleitet. Ich hoffe, es ist kein Problem für dich, dass du das Tattoo gleich bekommst." "Also mir macht es nichts aus", erwiderte ich, worauf sich die Tür öffnete und jemand neben mich trat. Ich schaute über meine Schulter und erkannte den tätowierten Typen, dessen Namen ich immer noch nicht kannte. 

"Ezra, bring sie bitte zu Dawson", meinte Lorenzo und schaute den Typen neben mir an. Scheinbar hieß er also Ezra. Sein Blick glitt zu mir, bevor er mit einem "Ja, Boss" zustimmte. 

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