Kapitel 3

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Will hatte heute leider keine Zeit, mich nach Hause zu bringen, weshalb ich heute die ellenlange Strecke laufen musste. Ich starrte auf mein Handy, während ich ging und hörte dabei Musik. Endlich kam ich am Haus an und ging hinein. Man hörte Geschrei aus einer der Wohnungen, was jedoch keinesfalls ungewöhnlich war. Oben angekommen schloss ich die Wohnungstür auf und ging hinein. Mom war mal wieder nicht zuhause, weshalb ich alle Fenster öffnete, um zu lüften. 

Während ich meine Hausaufgaben machte, klopfte es plötzlich energisch gegen die Wohnungstür. Skeptisch ging ich zur Wohnungstür und schaute durch den Spion, der jedoch scheinbar von außen zugehalten wurde. "Mach die Tür auf oder ich trete sie ein", hörte ich eine ernste männliche Stimme von außen. Ich schluckte schwer und trat von der Tür zurück. Ich spielte mit dem Gedanken, die Polizei zu rufen, die würde jedoch eh nicht herkommen und er wirkte mir jetzt nicht so, als würde er Späße machen. 

Ängstlich öffnete ich die Tür, damit er sie nicht zu Kleinholz verarbeitete. Er drückte sie kräftig auf und kam hinein. Direkt erkannte ich ihn als den Typen, der an der Schule am SUV gestanden hatte in der letzten Woche. Er trug wieder die schwarze Sonnenbrille und die ebenfalls schwarze Cap auf dem Kopf. Durch das T-Shirt sah man seine vollständig tätowierten Arme und darunter auch die dunkelblaue Schlange, die mir noch mehr Angst machte. 

Er trat die Tür hinter sich ins Schloss, während ich panisch rückwärts durch den Flur ging. Mit einem Aggressiven Blick kam er auf mich zu und packte mich am Hals, um mich im Würgegriff an die Wand zu drücken. Ich japste nach Luft und begann, zu wimmern. Er hielt mir eine Waffe an die Stirn. Vor Angst begann ich zu weinen, weshalb er mich anschrie. "Wo ist Fiona?"

"Fiona ist nicht da", röchelte ich und versuchte, seine Hand von meinem Hals zu entfernen. "Wo ist sie?", fragte er weiter und drückte mir das kalte Metall noch fester gegen die Stirn. "Ich weiß es nicht", schluchzte ich. "Sag ihr, dass sie mit dem Geld rausrücken soll. Ihre Frist ist abgelaufen", knurrte er und drückte noch stärker gegen meinen Hals. Ich schnappte panisch nach Luft. Zumindest versuchte ich das. Er grinste sadistisch, bevor er mich fallen ließ. "Eine Woche", knurrte er, bevor er die Wohnung verließ. 

Ich brach weinend auf dem Boden zusammen, wo ich erstmal liegen blieb, bis ich wieder richtig Luft bekam. Irgendwann kämpfte ich mich wieder aus die Beine und ging ins Bad, wo ich mir das verschmierte Make-up abwusch. Mein Hals war rot und ich war mir sicher, dass das auch noch blau werden würde. Immer noch stark am Zittern setzte ich mich an den Küchentisch, wo ich mir erstmal eine Zigarette anzündete. Dort wartete ich, bis Mom nach Hause kam. 

Sie betrat die Küche und schaute mich verwirrt an, als sie mich da vollkommen verstört sah. "Was ist denn mit dir los? Hast du wieder Halluzinationen vom Gras?", lachte sie und lehnte sich an den Türrahmen. "Schuldest du wem Geld?", fragte ich, während ich weiter auf einen schwarzen Magneten am Kühlschrank starrte. Ich wusste nicht, die wievielte Zigarette das war, jedoch führte ich sie zu meinen Lippen und zog dran. "Wie kommst du darauf?", fragte sie überrascht und setzte sich mir gegenüber an den Tisch. "Ein Azura war hier und hat nach Geld gefragt", erwiderte ich emotionslos und atmete tief durch. Sie stützte ihre Stirn auf ihre Hand. "Ich hatte gehofft, dass es nie so weit kommt", murmelte sie und schaute mich nun besorgt an. "Der Typ hat mir eine Waffe an den Kopf gehalten", erzählte ich und zog wieder an der Zigarette. Ich stand immer noch vollkommen unter Schock. Sie starrte unterdessen auf meinen Hals und schluckte. "Es tut mir so leid", meinte sie und schaute auf ihre Hände. 

"Wie viel?", fragte ich und fuhr mir durch die Haare. "Irgendwas im fünfstelligen Bereich", beichtete sie und wirkte nun noch beschämter. "Kümmer dich darum und zieh mich nie wieder in sowas rein", meinte ich und drückte den Stummel in dem Aschenbecher vor mir aus. "Ich gehe raus", sagte ich noch, bevor ich meinen Schlüssel holte und die Wohnung verließ. Mein Weg führte mich in den nahegelegenen Park, in dem ich mich mit Will verabredet hatte. Ich brauchte jetzt unbedingt etwas zum Herunterkommen. Ich wartete auf einer Bank auf ihn und starrte auf mein Handy. 

Noch immer stand ich unter Schock. Immerhin wurde man nicht jeden Tag mit einer Waffe bedroht und halb erwürgt, auch wenn man in so einen Viertel wohnte wie ich. "Was ist denn mit dir passiert?", fragte Will amüsiert, als er mich sah, bevor er mich auch nur begrüßt hatte. "Meine Mom schuldet den Azura Geld", erwiderte ich knapp und schaute auf den Boden. "Und das haben die an dir rausgelassen?", fragte er direkt besorgt nach und setzte sich neben mich. "Mom war nicht zuhause und so ein Typ stand vor der Tür", meinte ich und zog meine Beine an meinen Oberkörper. "Und du hast den reingelassen?", fragte er überrascht und vorwurfsvoll. "Entweder so oder er hätte die Tür zu Kleinholz verarbeitet und wir haben gerade echt nicht die Kohle für eine neue Wohnungstür", erklärte ich. Er legte einen Arm um mich und zog mich an sich. "Hast du was, was mich runterbringt?", fragte ich kleinlaut und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er steckte ein Tütchen in meine Hosentasche. "Beruhig dich erstmal, das Geld kannst du mir später geben", sagte er beruhigend und streichelte meinen Hinterkopf. "Geh heute am besten etwas früher schlafen. Samstagabend gehen wir feiern, damit du deinen Kopf freibekommst", versprach er mir, weshalb ich direkt grinste. "Ich hole dich dann ab", meinte er noch, bevor sich unsere Wege trennten. 

Zuhause nahm ich eine der Tabletten ein, bevor ich mir meine Kopfhörer reinmachte und meine Playlist startete. Das Fenster war immer noch weit geöffnet und ich kam langsam runter, bevor ich einschlief. 

In der Nacht wiederholte sich das Erlebnis vom Nachmittag wie auf Dauerschleife. Immer wieder durchzog mich die Angst vor diesem Typen, denn er wirkte für mich nicht so, als würde er nur bluffen. Er hätte mich vermutlich, ohne mit der Wimper zu zucken, erschossen, wenn ich aufmüpfig geworden wäre. Immer wieder huschte die Blaue Schlange durch meinen Kopf und brannte sich beinahe in meiner Seele fest. Ich musste einfach hoffen, dass Mom ihre Angelegenheiten klären kann, bis die Woche rum ist. Auf gar keinen Fall wollte ich da mit hineingezogen werden, aber das ließ sich vermutlich nicht vermeiden. Immerhin ging es um meine Mutter und damit steckte ich da mit drin. Dem Kartell war es egal, solange sie ihr Geld bekamen oder etwas mit vergleichbarem Wert. Es bereitete mir panische Angst, wenn ich daran dachte, dass meine Mutter mich sozusagen verkaufen könnte, um ihre Schulden zu minimieren. Immerhin war ich jung, gewissermaßen unverbraucht und auch nicht gerade hässlich.

Ich wusste von mehreren Vermissten, dass sie in Wirklichkeit beim Kartell gelandet waren. Unter anderem einfach als "leichtes Mädchen" und das war eine Horrorvorstellung von mir. 

Der Typ schoss mir wieder in den Kopf. Die tätowierte Haut hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt. Der wütende Blick durchzog mich und versetzte mich wieder in Angst, jedoch musste ich eins zugeben. 

Er war unglaublich attraktiv, soweit ich das beurteilen konnte.

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