Kapitel 21

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"Was habt ihr denn angestellt?", fragte uns eine junge Frau, die ein enges weißes T-Shirt und eine hellblaue Jeans trug. Auf ihrer Nase thronte eine große Brille und ihre blonden Haare waren zu einem Zopf gebunden. "Kannst du dir ihre Hand anschauen? Sie könnte gebrochen sein", erwiderte Ezra direkt, worauf die Frau mich bat, ihr zu folgen. Während ich auf einer Krankenliege saß, untersuchte sie meine Hand, wobei sie unglaublich sanft vorging. Den Handschuh hatte sie mir bereits unter Schmerzen ausgezogen. "Ich bin übrigens Mary", stellte sie sich freundlich vor und lenkte mich somit ab. "Lorelei", erwiderte ich mit einem gequälten Lächeln auf den Lippen, immerhin tat meine Hand höllisch weh, vor Allem wenn sie meine Finger bewegte oder darauf herumdrückte.

"Die Hand ist nur verstaucht", erklärte sie irgendwann, worauf ich erleichtert ausatmete. Sie trug eine Salbe auf, auf die sie eine Kompresse legte, bevor sie diese mit einem Verband fixierte. Aus einem Schrank nahm sie einen kleinen Karton. "Bis morgen den Verband tragen und dann trägst du erstmal diese Schiene", erklärte sie kurz und knapp, ich nickte verstehend.

Die Salbe tat echt gut, sodass ich den Schmerz kaum noch spürte. "Danke", murmelte ich, worauf wir den Raum auch schon wieder verlassen wollten, sie hielt uns jedoch auf. "Ezra, zeig mir mal deine Hand", bat sie ihn, er winkte jedoch ab. "Das ist nichts, keine Sorge", spielte er es herunter, sie schaute ihn jedoch streng an.

"Ezra Sullivan, du setzt dich jetzt da hin und lässt mich deine Hand untersuchen", erhob sie ihre Stimme. Überrascht beobachtete ich, wie Ezra den Blick senkte. "Ja, Mary", murmelte er und setzte sich auf die Krankenliege. Das Bild, das sich mir bot, war wohlgemerkt eigenartig. Eine zierliche, etwa 1,6m große Frau, die einen über 1,9m großen muskulösen Mann zurecht wies und er folgte ihr wie ein Schoßhündchen. Diese Frau hatte eine unglaubliche Ausstrahlung, um die ich sie beneidete. Sie reinigte Ezras Hand und verband sie. Dabei schaute er die ganze Zeit auf den Boden. "Du hast ihn ja ganz schön unter Kontrolle", stellte ich amüsiert fest, worauf sie grinste. "Ich kannte ihn schon, da war er noch ein Kind. Er war ständig hier, wenn er sich schon wieder mit jemandem geprügelt hatte", erzählte sie. Sie sah auf jeden Fall jünger aus, als sie war, denn wenn sie ihn schon seit seiner Kindheit kannte, musste sie ja schon einige Jahre hier sein, jedoch sah sie maximal aus wie Ende 20.

Sie legte auch ihm einen Verband an, bevor sie uns entließ. Ezras Hand lag auf meinem unteren Rücken, während er mich durch die verschiedenen Gänge schob. "Ich habe eigentlich noch was vor. Entweder du kommst mit und ich bringe dich danach nach Hause oder du schaust selbst, wie du nach Hause kommst", meinte er, weshalb ich mich zu ihm umdrehte. "Was hast du denn noch vor?", fragte ich neugierig, er grinste. "Eigentlich wollte ich nur trainieren, ich schiebe das schon wieder viel zu oft auf", erklärte er. "Du solltest deine Hand lieber schonen", erwiderte ich kleinlaut.

Er deutete mir, kurz zu warten, als er sein Handy aus seiner Hosentasche zog und draufschaute. Offenbar hatte er eine Nachricht bekommen, denn er zog die Augenbrauen zusammen. "Hat sich eh erledigt. Komm mit", meinte er und zog mich an meinem Handgelenk durch die Gänge, bis er mich durch eine Tür stieß. Vollkommen überfordert blieb ich in dem Büro stehen, während er sich an den Schreibtisch setzte. Im Vorbeigehen hatte er sich eine Aktenmappe geschnappt, die an der Tischkante gelegen hatte.

Ich schaute mich um, bevor ich mich auf einen Sessel setzte und ihn dabei beobachtete, wie er die Mappe durchschaute. "Schau mich nicht so an, ich würde dich auch am liebsten direkt auf dem Tisch nageln, aber ich muss das leider erst erledigen", murmelte er, ohne mich anzusehen. Geschockt schaute ich ihn an, worauf er lachte.

Immer wieder schielte er zu mir rüber und biss sich auf die Unterlippe. "Du siehst in den Klamotten so unglaublich scharf aus", raunte er, was mich lachen ließ. Ich beschäftigte mich unterdessen mit meinem Handy. Mom hatte mir geschrieben, dass sie den Abend nicht zuhause sein würde, was mich aufgeregt machte. "Wie lange brauchst du noch?", fragte ich mit verstellter Stimme, sodass ich klang wie ein gelangweiltes Kleinkind. Immerhin war ich wirklich gelangweilt. Er lachte leise. "Gleich", erwiderte er nur und blätterte weiterhin durch die Mappe, bevor er sie auf den Tisch legte. Er schreib etwas auf ein Post-It, das er auf die Mappe klebte. "Komm", meinte er nur und stand auf.

Erfreut erhob ich mich und folgte ihm freudig durch das Gebäude, da er die Mappe noch bei meinem Vater abliefern musste. Dieser war zum Glück nicht da, weshalb Ezra die Mappe nur auf den großen Schreibtisch legte, bevor er mich in die Tiefgarage schliff. In seinem Sportwagen schnallte ich mich an und lehnte mich zurück, während er fuhr.

"Kommst du noch mit hoch? Meine Mom ist nicht da", fragte ich, als er vor dem Haus eingeparkt hatte. Er schien zu überlegen, bevor er zustimmend nickte. Wir stiegen aus und betraten das Haus. Aus der Wohnung neben der von Mom und mir kam wieder Geschrei, was ich ausblendete, während Ezra geschockt auf die Wohnungstür schaute. "Die schlagen sich seit Jahren fast die Köpfe ein. In 10 Minuten hört man die wieder durch das ganze Haus stöhnen", erklärte ich, worauf er nur verwirrt nickte.

Ich schloss die Wohnungstür auf und ging rein, bevor er mir folgte. Es war vollkommen still, weshalb ich ihn direkt in mein Zimmer zog. Er wirkte gewissermaßen geschockt. "Hier lebst du?", fragte er ein wenig perplex, als er sah, wie klein dieser Raum eigentlich war. "Seit ich ein Kleinkind bin", erwiderte ich schulterzuckend und setzte mich auf mein Bett, wo ich mir die Schuhe auszog. "Diese Wohnung ist ja winzig", meinte er, bevor er sich neben mich setzte. Ich zuckte mit den Schultern. "Ich kenne es nicht anders", meinte ich und krabbelte auf mein Bett, um das Fenster zu öffnen. "Außerdem können wir uns nicht mehr leisten", ergänzte ich. Er nickte stumm und schaute auf den Boden. "Was ist los?", fragte ich besorgt, er antwortete jedoch nicht sondern drückte mich aufs Bett, um mich zu küssen.

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