Kapitel 27

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Das Mädchen aus dem Unterricht wank mich aufgeregt zu sich, als sie mich entdeckte. Schlecht gelaunt, immerhin hatte ich seit Schulbeginn noch nicht eine Zigarette rauchen können, ging ich zu ihr und setzte mich auf den freien Platz am Tisch, der sich zu ihrer Linken befand.

"Hey", begrüßte ich die anderen beiden am Tisch. Die eine begrüßte mich direkt aufgeregt. Sie hatte blonde Haare, die sie zu einem unordentlichen Dutt hochgebunden hatte, ihre Augen hatten ein wunderschönes braun und ihr Gesicht war übersäht von Sommersprossen. Der weiße Pullover mit Rollkragen stand ihr ungemein gut und schmeichelte ihr sehr. "Ich bin Vivian", stellte sie sich freundlich vor. "Lorelei", erwiderte ich skeptisch, bevor sie direkt wieder in ihren Redefluss verfiel. "Cynthia hat schon so viel von dir erzählt. Du bist mega hübsch", schwärmte sie und stieß dem Mädchen neben sich ihren Ellenbogen in die Seite.

Diese schnaubte genervt und kaute auf dem Stück ihres Burgers herum, das sie gerade abgebissen hatte. An ihrem Mundwinkel klebte etwas Ketchup, den sie wegwischte, bevor sie mich ansah. Ihre wilden braunen Locken, die ihr bis zu den Schultern gingen, versteckte sie zum Teil unter einer schwarz weiß gemusterten Mütze. Sie erinnerte mich ein wenig an Louise aus Bobs Burgers, jedoch hatte sie weder Hasenohren an ihrer Mütze noch war ihre Stimme so schrill. "Tess", nuschelte sie, bevor sie wieder von ihrem Burger abbiss. Sie war mir direkt sympathisch. "Wieso isst du nichts?", fragte die aus meiner Klasse, vermutlich Cynthia, mich überrascht und entfernte die Gurkenscheiben von dem Burger auf ihrem Tablett. "Ich habe keinen Hunger. Ich hole mir nach der Schule irgendwo was", erwiderte ich schulternzuckend.

"Wie seid ihr hier gelandet?", fragte ich in die Runde, worauf alle innehielten. "Meine Eltern haben einfach keine Kohle, damit ich auf eine weiter entfernte Schule gehen kann", erwiderte Tess. Sie hatte mittlerweile aufgegessen und sich ihrem Handy gewidmet. "Ich kann überhaupt nichts dafür, dass ich hier bin", meinte Vivian mit einer Spur der Arroganz, worauf sich Cynthia an ihrem Getränk verschluckte. "Du hast das Auto deines alten Englischlehrers angezündet", korrigierte sie Vivian. Ich schaute jene geschockt an. "Er hat mich einfach durchfallen lassen", jammerte sie, weshalb ich mir ein Lachen kaum verkneifen konnte. "Mein Dad ist der Schulleiter hier", brummte nun Cynthia. Sie schien nicht gerade begeistert über diesen Umstand zu sein, jedoch kam mir das irgendwo schon gelegen. "Also muss ich mich nur mit dir anfreunden, um nicht von noch einer Schule zu fliegen?", fragte ich neugierig nach, worauf sie lachte. "So kann man es auch sagen", erwiderte sie stolz und grinste vor sich hin.

"Ich bin von so ziemlich jeder Schule im Umkreis geflogen", meinte ich amüsiert, weshalb wieder alle Blicke auf mir lagen. "Was hast du angestellt?", fragte Vivian neugierig und lehnte sich vor. "Mal weil ich gedealt habe, was ich mittlerweile aber nicht mehr mache, mal weil ich jemanden verprügelt habe, auch wenn es nie schlimm war und jetzt halt, weil ich jemanden krankenhausreif geprügelt haben soll, was ich aber gar nicht war", erzählte ich. Sie wirkten überrascht. "Hast du über den Schulverweis je Stress bekommen wegen des Dealens?", fragte nun Cynthia neugierig nach. Erst schüttelte ich den Kopf, hielt jedoch inne. "Ich wurde mal von nem Azura verdroschen, weil die mich erwischt haben", korrigierte ich mich und musste bei dem Gedanken daran grinsen, auch wenn es kein schönes Erlebnis gewesen war.

"Sei froh, dass du nur verprügelt wurdest", murmelte Tess plötzlich, weshalb wir anderen drei sie ansahen. Als sie dies bemerkte, schaute sie von ihrem Handy auf. "Meinen Onkel haben die kaltgemacht, aber der war auch ein Arschloch", ergänzte sie und zuckte mit ihren Schultern. "Die haben Walt plattgemacht?", fragte Cynthia überrascht und zog ihre Augenbrauen zusammen. "Schon vor Monaten, ich fand das nicht wirklich erwähnenswert", erklärte Tess daraufhin und erhob sich, um ihr Tablett wegzubringen.

Da die Pause bald vorbei war und alle aufgegessen hatten, erhoben Cynthia, Vivian und ich uns ebenfalls und verließen die Mensa. Tess war bereits verschwunden, weshalb wir zu dritt nun zu unserer letzten Stunde aufbrechen wollten. "Ich gehe nochmal nach draußen vor dem Unterricht", meinte ich zu den beiden, die darauf weiter zum Raum gingen, während ich nach draußen ging, wo ich mir in einer Ecke, in der mehrere Personen standen und rauchten, selbst eine Zigarette an. Ich hatte Tess dort entdeckt, weshalb ich mich neben ihr an die Wand lehnte.

"Du redest nicht viel, oder?", sprach ich sie an, worauf sie mich anschaute. "Ich habe einfach nicht viel zu erzählen bei Vivian und Cynthia. Ich hänge nur mit den beiden rum, damit ich nicht weiter ausgeschlossen werde", meinte sie und schaute auf ihre Füße, die in hohen Stiefeln steckten. "Jetzt hast du ja mich", erwiderte ich grinsend, worauf auch sie lächelte. "Ich bin ziemlich langweilig, ich denke nicht, dass du es lange mit mir aushältst", murmelte sie, ich zuckte jedoch nur mit den Schultern. "Ich denke eher, dass du noch die interessanteste aus der Gruppe bist", meinte ich gut gelaunt.

Sie brachte mich auf den neusten Stand der Gerüchte an dieser Schule, wobei ich ihr interessiert zuhörte. Ihre Stimme war sehr angenehm, weshalb ich ihr echt gerne zuhörte. Leider unterbrach uns jedoch das Klingeln, also machten wir uns auf den Weg in das Schulgebäude.

Wir hatten festgestellt, dass sie nur wenige Häuser von mir entfernt wohnte, weshalb wir beschlossen, nun morgens gemeinsam zur Schule zu laufen, so wäre niemand von uns dabei alleine und das hatte ja auch was Gutes.

Ich war froh, dass wir vier uns recht weit hinten im Raum verschanzt hatte, da wir so leise reden konnten, ohne dass der Lehrer etwas dazu sagte. Wir verstanden uns immer besser miteinander, es war ein wirklich schönes aber auch ein recht ungewohntes Gefühl, immerhin hatte ich bisher nie Freundinnen gehabt. Ja, sie als Freundinnen zu bezeichnen, war dafür, dass ich sie erst einen Tag kannte, recht hochgegriffen, jedoch waren wir recht schnell miteinander warm geworden. Vor allem Tess und ich waren auf einer Wellenlänge.

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