Kapitel 26

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Diese Schule schüchterte mich unglaublich ein. Während ich auf das Schulgebäude zuging, dessen Mauern mit Graffiti besprüht waren, klammerte ich mich an meinen Rucksack. Da dies eigentlich die nächste Schule von meinem Zuhause aus war, konnte ich hier sogar zu Fuß hingehen. Wir hatten immer versucht, zu verhindern, dass ich hierhin ging, weil diese Schule so einen schlechten Ruf hatte, jedoch blieb mir ja nun nichts anderes übrig.

Meine Unterlagen hatte ich zum Glück schon, weshalb ich direkt zu meinem ersten Unterricht ging. Mit meinem Spind würde ich mich in der Pause auseinandersetzen. Niemand beachtete mich, was mir sehr recht war, denn ich wollte auf keinen fall 'die Neue' sein, auch wenn das bei mir ja der Fall war. Jedoch hasste ich dieses Getue, wenn ich neu an eine Schule kam, vor Allem wenn es mitten im Schuljahr stattfand.

Da der Lehrer noch nicht da war, wartete ich vor dem Raum, in dem ich gleich Mathe haben würde und lauschte dabei den Gesprächen der anderen, die im unmittelbaren Umkreis rumhingen. "Heute soll die Neue an die Schule kommen. Du weißt schon, die, die sie an der einen Schule letztens festgenommen haben", sagte ein Typ zu einem anderen. Da sie mir den Rücken zugewandt hatten, konnten sie mich glücklicherweise nicht sehen, sodass ich ihnen erstmal weiterhin lauschen konnte. "Stimmt. Soweit man nach dem Video urteilen kann, muss sie ja wirklich heiß sein", erwiderte der andere, genervt schüttelte ich den Kopf. Typisch Jungs.

"Die Kleine werde ich nageln, bis sie nicht mehr geradeaus laufen kann", meinte nun wieder der Erste. Ich verdrehte die Augen und schaute auf mein Handy. "Pass aber auf, nicht dass sie dich auch zusammenschlägt", witzelte der zweite, weshalb ich die Hand, die nicht immer noch in der Schiene steckte, zu einer Faust ballte. "Hast du nicht mitbekommen, dass das ein Azura gewesen sein soll?", erwiderte der andere. Ich entspannte mich wieder und lauschte wieder deren Gespräch. "Das glaube ich nicht", stritt der Zweite ab und schüttelte vehement den Kopf, während der gerade eingetroffene Lehrer die Tür aufschloss.

"Das stimmt aber", kommentierte ich nun und ging unter den geschockten Blicken der beiden Jungs an ihnen vorbei in den Raum, wo ich mich direkt zum Tisch des Lehrers begab. "Ich würde dich bitten, dich kurz vorzustellen. Danach kannst du dich auf den freien Platz dort hinten setzen", meinte er, weshalb ich nickte und in die Klasse schaute, die sich lauthals unterhielt, während der Lehrer verzweifelt versuchte, sie zur Ruhe zu bringen.

"Schnauze halten, alle miteinander!", schrie ich die Klasse an, weshalb augenblicklich Ruhe einkehrte. "Mein Name ist Lorelei Crawford, ich musste die Schule wechseln und bin deshalb jetzt hier. Ich werde mit niemandem von euch ins Bett gehen oder sonst was. Weitere Fragen?", ratterte ich schlecht gelaunt herunter. Ich nahm eine Person dran, die sich meldete. "Wieso musstest du die Schule wechseln?", fragte ein Mädchen, die mich freundlich ansah. "Ich soll jemanden zusammengeschlagen haben, habe ich aber nicht", erwiderte ich.

Sonst wollte niemand etwas wissen, weshalb ich mich auf den einzigen freien Platz setzte und meinen Block aus meinem Rucksack holte. Neben mir saß die, die mir die Frage gestellt hatte, sie lächelte mir freundlich zu. Ich schaute sie an, um mir einen Eindruck von ihr zu verschaffen. Ihre Haare waren kinnlang und kupferfarben, ob das ihre natürliche Haarfarbe war oder gefärbt, konnte ich nicht bestimmen. Für gefärbt sah die Farbe zu natürlich aus und für natürlich war die Farbe zu gleichmäßig. Sie trug eine enge schwarze Hose, dazu einen dunkelgrauen Sport-BH und eine ebenfalls schwarze Trainingsjacke. Hübsch war sie, das konnte ich nicht leugnen.

Der Unterricht war extrem langweilig, weil der Lehrer sich kaum durchsetzen konnte.

"Du kannst in der Mittagspause gerne bei uns sitzen", bot sie mir an, als es zur Pause klingelte. "Ich überlege es mir, danke erstmal", erwiderte ich, bevor ich zu meinem Spind aufbrach und einige meiner Bücher darin verstaute.

"Ey, Schlägerbraut!", rief jemand. Ich wusste nicht, ob die Person mich meinte, weshalb ich darauf nicht reagierte und den Spind schloss. Jemand stützte sich an den Spind neben mir, weshalb ich mich zu demjenigen umdrehte. "Ja, dich meine ich", meinte er und schaute mich mies gelaunt an. "Was ist mit mir?", fragte ich ihn verwirrt und zog die Ärmel meines Langarmshirts zurecht, das ich unter meinem neuen T-Shirt trug. "Denkst du echt, du kommst einfach so damit davon, dass du jemanden von uns dafür anschwärzt, obwohl du Mist gebaut hast?", fuhr er mich an, weshalb ich ihn verwirrt ansah. Wovon zur Hölle redete er überhaupt.

Er schien meinen Blick gedeutet zu haben. Er stieß mich gegen die Spinde, worauf ich schmerzhaft aufkeuchte. "Schon vergessen, dass du behauptet hast, ein Azura hätte den Typen zusammengeschlagen", knurrte er mich an, worauf mir wortwörtlich ein Licht aufging. "Kannst du mal aufhören, so rumzuschreien?", zischte ich, weshalb er neben meinem Kopf gegen den Spind schlug. "Ich bin doch selbst eine, du Pfeife", flüsterte ich ihm noch zu, bevor er innehielt. "Was?", erwiderte er perplex, ich verdrehte jedoch nur die Augen. "Ich hänge es nur nicht an die große Glocke, wäre also nett von dir, wenn du es für dich behältst", meinte ich leise, zustimmend nickte er und verschwand plötzlich. Er hatte mir ernsthaft geglaubt, ohne einen Beweis einzufordern? Der schlauste schien er nicht zu sein, aber das hätte mir ja eigentlich auch schon vorher klarwerden müssen.

Das hier an der Schule konnte ja was werden.

Mein Weg führte mich zum nächsten Unterricht, der genau so langweilig ablief wie der letzte Unterricht. Dieses mal entdeckte ich das Mädchen nicht. Mir fiel auf, dass ich sie gar nicht nach ihrem Namen gefragt hatte, aber das würde ich wohl in der Mittagspause nachholen. Immerhin hatte sie mich eingeladen, mit ihr zu essen.

Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, während ich beinahe einschlief. Die Schüler tanzten dem Lehrer die ganze Zeit auf der Nase herum, sodass er mir beinahe leidtat, immerhin versuchte er sein Bestes und die Schüler hier bestanden Größtenteils aus Assis. Vermutlich würde man mich bei denen einordnen. Ich war ja lediglich hier, weil mich keine andere Schule wollte oder schon hatte.

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