Kapitel 7

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Als ich wieder zu mir kam, lag ich in der Gasse neben dem Haus, in dem ich lebte. Jeder Atemzug schmerzte, ich musste mich jedoch auf meine Beine quälen, wobei ich permanent wimmerte. Tränen des Schmerzes liefen über meine Wangen, während ich mich in die Wohnung kämpfte. Als erstes stellte ich mich unter die Dusche und ließ einfach das warme Wasser über mich laufen. Mein gesamter Körper war bedeckt von blauen Flecken und von irgendwoher kam Blut. 

Nach dem Duschen trocknete ich mich vorsichtig ab und zog mir lediglich Unterwäsche an, bevor ich mich im Spiegel betrachtete. Ich hatte ein sehr auffälliges Veilchen, aber wenigstens war meine Nase noch heile, auch wenn sie scheinbar geblutet hatte. Auch meine Lippe war aufgeplatzt und meine Augenbraue war durchzogen von einer Platzwunde, die jedoch auch nicht mehr blutete. 

Auf die Wunden schmierte ich Salbe, bevor ich mich auf mein Bett legte. Ich hoffte, dass das alles schnell wieder verheilte. Irgendwann kam Mom in mein Zimmer und schaute mich geschockt an. "Was ist denn mit dir passiert?", fragte sie schockiert und sah sich meinen lädierten Körper an. "Hab Mist gebaut", murmelte ich, worauf sie nickte. Sie wusste genau, wann sie nicht weiter fragen sollte. "Ich melde dich für die nächsten Tage krank. So kannst du nicht zur Schule", versprach sie mir, wofür ich ihr sehr dankbar war. "Hast du dich um die Sache mit den Schulden gekümmert?", fragte ich nach und schaute sie flehend an. "Ich bin dabei", erwiderte sie, bevor sie mein Zimmer wieder verließ. Den Rest des Tages schlief ich eine Menge, während eine Serie auf meinem Laptop lief. Mir ging es echt dreckig, jedoch musste ich da irgendwie durch. Mit einer Menge Schmerzmitteln sollte ich das schon überstehen. 

Die nächsten Tage war es mir beinahe unmöglich, aufzustehen. Meine Mutter brachte mir Essen ans Bett. Ich zählte auf sie, dass sie sich um ihre Schulden gekümmert hatte, denn es war Mittwochmorgen und heute könnte jederzeit jemand von den Azura vor der Tür stehen. Ich schlurfte durch die Wohnung und duschte mich erstmal, bevor ich mir eine lockere schwarze Jogginghose und ein enges dunkelblaues Top anzog. In der Küche machte ich mir einen Toast, den ich frühstückte, während Mom schon wieder am arbeiten war. Langsam waren die blauen Flecken nur noch blau und nicht mehr fast schwarz, was mich schon einigermaßen beruhigte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits Mittag war wider meine Vermutung. Ich hatte wirklich Angst, denn wenn meine Mutter sich nicht gekümmert hatte, würde es vermutlich nicht glimpflich ausgehen. 

Während ich meinen Tee trank, zitterte meine Hand so stark, dass die Hälfte davon auf dem Tisch landete. Irgendwann verzog ich mich in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. Moms Freier war in der Zwischenzeit abgehauen und so waren wir beide alleine in der Wohnung. Als es plötzlich laut gegen die Wohnungstür hämmerte, zuckte ich zusammen. Sofort schloss ich meine Zimmertür, während meine Mutter zur Wohnungstür ging. 

"Endlich treffen wir dich mal an. Du siehst echt scheiße aus", begrüßte eine unbekannte Stimme meine Mutter. Mehrere Schritte bewegten sich in die Wohnung. Ich hielt mir den Mund zu, um kein falsches Geräusch zu machen. "Hier soll noch eine in der Wohnung sein, such sie", ordnete er offenbar dem anderen an, der direkt in meine Richtung ging. Er riss die Tür auf und zerrte mich an meinen Haaren in den Flur, wo ich regungslos bäuchlings auf dem Boden liegen bleib. Etwas metallenes berührte meinen Hinterkopf, vermutlich eine Waffe. Ich wimmerte. Damit ich nicht aufstehen konnte, hatte er sich mit einem Fuß auf meinen Rücken gestellt. Meine Wirbelsäule knackte. "Wo ist das Geld, Fiona", sprach derjenige, der auch schon vorher gesprochen hatte, meine Mutter wieder an. "Ich kann nicht zahlen", jammerte sie. Vorwurfsvoll sah ich sie an, zuckte jedoch zusammen, als derjenige, der auf mir stand, seine Waffe entsicherte. 

"Wag es ja nicht, ihr auch nur ein Haar zu krümmen",  wurde meine Mutter plötzlich mutig. Das würde definitiv nach hinten losgehen. "Und wieso sollten wir auf dich hören?", spottete der Mann gegenüber meiner Mutter und überkreuzte seine Arme. "Weil das Lorenzos Tochter ist", erwiderte meine Mutter. Meine Augen weiteten sich. Wer war Lorenzo und was hatte das mit dem allen hier zu tun. "Du willst mir weismachen, dass das die Tochter vom Boss sein soll", lachte der Mann und schüttelte den Kopf. "Macht einen Test und wenn er negativ ist, gehört sie euch und ihr könnt mit mir machen, was ihr wollt", sagte meine Mutter. "Mom!", rief ich vorwurfsvoll, der andere stimmte zu. 

Der Mann auf mir riss mir plötzlich mehrere Haare aus, worauf ich vor Schmerz jammerte. "Wir kommen wieder, wenn das Ergebnis da ist", versprach der erste, sodass beide die Wohnung verließen. 

Ich brauchte ein paar Minuten um das Geschehene zu realisieren, bevor ich aufstand. "Hast du gerade ernsthaft behauptet, dass ich die Tochter von deren Boss bin?", keifte ich sie an, worauf sie tief durchatmete. "Es stimmt aber", erwiderte sie kleinlaut. "Mein Vater ist der Boss eines Drogenkartells?", schrie ich sie weiter an, wodurch sie immer kleiner wurde. "Ich wollte nie, dass du das erfährst", redete sie sich heraus. "Ich hoffe für dich, dass das nicht wahr ist", knurrte ich, bevor ich in mein Zimmer verschwand. 

Perplex blies ich meinen gesamten Lungeninhalt heraus. Ich ließ mich auf meinem Bett nieder und versuchte, das Erzählte zu realisieren. Meine Mutter hatte mir jahrelang verschwiegen, wer mein Vater war und platzte jetzt damit heraus. Ich ließ mich nach hinten fallen und starrte an die Decke, bevor ich mein Handy zur Hand nahm und googelte, wie lange ein Vaterschaftstest dauerte. 

Mein Kopf platzte beinahe vor Gedanken. All die Jahre war mein Vater so nah gewesen und trotzdem hatte ich ihn nie kennengelernt. Ich konnte Mom ja irgendwo verstehen, dass sie nicht wollte, dass ich wusste, dass genau der gefährlichste Mann der Stadt mein Vater war. Sie wollte mich immerhin beschützen und das konnte ich nachvollziehen. 

Dennoch war es schlimm für mich, dass sie mir so lange meinen Vater vorenthalten hatte. Hätte ich es gewusst, hätte ich wenigstens selbst entscheiden können, ob ich Kontakt zu ihm wollte. 

Ich wollte einfach nur noch Gewissheit darüber, ob meine Mutter die Wahrheit gesagt hatte. 

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