Kapitel 22

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"Danke fürs Fahren", murmelte ich, als ich mich abschnallte. Ezra hatte bei mir geschlafen und sich bereiterklärt, mich bei der Schule abzusetzen, immerhin lag sie ohnehin auf dem Weg. Zwar war Mom wieder da gewesen heute Morgen, jedoch hatten wir es geschafft, dass sie ihn nicht bemerkt hatte. "Viel Spaß", stichelte er, denn er wusste, wie sehr ich diese Schule hasste. Vor allem seit dem gestrigen Erlebnis. Ich hoffte nur, dass er mich nicht verpfiff.

Die Schiene an meinem Handgelenk war nicht gerade angenehm, jedoch tat es weniger weh als mit dem Verband, da ich meine Hand weniger gut bewegen konnte. "Pass auf dich auf", sagte er noch, bevor ich ausstieg und dabei zusah, wie er vom Parkplatz fuhr. Zurückhaltend ging ich auf das Schulgebäude zu. Die Ärmel meines bauchfreien Langarmshirts zog ich zurecht, da sie immer hochrutschten.

Es klingelte und ich wollte gerade in die Klasse gehen, da ich dachte, es hätte zum Unterricht geklingelt, jedoch war es nur eine Durchsage, bei der mein Name mal wieder ins Direktorat zitiert wurde. Genervt trottete ich dorthin und klopfte an die Tür, bevor ein strenges "Herein" ertönte. Ich trat ein und lächelte den Schulleiter zurückhaltend an, sein Gesichtsausdruck zeigte mir jedoch, dass er innerlich vor Wut tobte. "Setz dich hin", knurrte er, weshalb ich mich auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch setzte. Links von mir saß eine Frau in ihren Vierzigern. "Hallo", begrüßte ich sie kleinlaut, mit ihren Blicken brachte sie mich jedoch beinahe um. "Was ist hier los?", fragte ich den Schulleiter perplex.

"Wo warst du gestern nach der Schule?", fragte mich der Schulleiter mit strengem Ton. "Mich hat ein Freund von der Schule abgeholt und dann habe ich zuhause gelernt", erwiderte ich und schaute weiterhin verwirrt zwischen der Frau und dem Schulleiter hin und her. "Du kleines Miststück hast meinen Sohn krankenhausreif geprügelt!", schrie die Frau mich plötzlich an, weshalb ich zusammenzuckte. "Wie soll ich mit meiner verstauchten Hand denn bitte jemanden schlagen?", erwiderte und erhob demonstrativ meine in der Schiene verpackte Hand. "Was ist da passiert?", fragte der Schulleiter direkt. "Ich habe zuhause aufgeräumt und mir ist eine Kiste auf die Hand gefallen", log ich. "Ich habe genug deiner Akten gelesen, Lorelei. Ich war echt nachsichtig mit dir, aber das hier geht zu weit. Du kannst doch nicht einfach so einen unschuldigen Jungen schlagen", sagte der Schulleiter streng. Entweder hatte er mir nicht zugehört oder er hatte meine Lüge durchschaut. "Um wen geht es denn überhaupt?", fragte ich gespielt verwirrt nach. Natürlich wusste ich, dass Lance gemeint war, aber das durften die ja nicht wissen.

"Du hast meinen kleinen Lance vollkommen entstellt. Er ist so verstört, dass er gar nicht mehr spricht, seit er gestern im Krankenhaus wieder aufgewacht ist. Er hat dir nichts getan", meckerte die Frau

Bei ihren letzten Worten platzte mir der Kragen. "Nichts getan? Lance soll nichts getan haben? Er hat versucht, mich zu vergewaltigen!", keifte ich die beiden Erwachsenen vor mir an. Der Schulleiter schüttelte mit enttäuschtem Gesichtsausdruck den Kopf, während die Mutter von Lance richtig wütend wurde. "Du bist doch genau so eine Nutte wie deine Mutter. Wahrscheinlich bist du nur so auf ihn losgegangen, weil du die Beine breit gemacht hast und er nicht wollte", spottete seine Mutter. "Das lasse ich mir nicht bieten", erwiderte ich empört und stand auf. "Lorelei", bat mich der Schulleiter, ich riss jedoch die Tür auf und verließ das Büro. Ich sah zwei Polizisten den Gang entlang auf mich zukommen. "Fuck", hauchte ich, bevor ich in die entgegengesetzte Richtung rannte. Die hatten mir gerade noch gefehlt.

Ich kam in den Hauptflur der Schule und wollte mich durch die Schüler nach draußen kämpfen, jedoch rang mich einer der Polizisten aggressiv nieder. Ich wehrte mich gegen den Handgriff, bis mir der Mann, der bestimmt fast doppelt so viel wog wie ich, sein Knie in den Rücken bohrte. Wirklich jeder im gesamten Gang starrte mich an und es war totenstill.

Vor Schmerzen schrie ich, als er meine Hand hinter meinen Rücken zerrte, um mir Handschellen anzulegen. "Schnauze!", schrie der Polizist und verlagerte noch mehr Gewicht auf mich. "Bitte passen Sie mit meiner Hand auf, die ist verletzt", wimmerte ich, wofür ich mir direkt einen Tritt in den Bauch einfing. Diverse Handys waren auf das Geschehen gerichtet, während sie mich durchsuchten. Die Schmerzen lähmten mich beinahe, weshalb ich mich nicht auf den Beinen halten konnte. Gewaltvoll zogen sie mich hoch und verfrachteten mich in einen Streifenwagen, der auf dem Parkplatz stand.

Zwar war das hier bei Weitem nicht das erste mal, dass ich festgenommen wurde, jedoch hatte ich noch nie so gewalttätige Polizisten erlebt. Ich musste mir eindeutig deren Nachnamen merken. Vor Allem weil die mir nicht mal meine Rechte vorgelesen hatten. Die würde ich dafür noch fertig machen.

Der eine Polizist warf meinen Rucksack in den Kofferraum. "Wenn da irgendwas kaputtgegangen ist, kommen Sie dafür auf", schnaubte ich, worauf mich der andere Polizist zu Boden stieß, sodass ich auf den gepflasterten Weg stürzte.

Aggressiv zerrten sie mich wieder hoch und stießen mich in das Auto. Meine Wange brannte genauso wie mein rechter Oberarm und mein rechter Oberschenkel. Meine Kleidung war an den Stellen eingerissen und meine Wange vermutlich aufgescheuert. Tränen des Schmerzes liefen über meine Wangen, während mich beide Polizisten die ganze Fahrt über anschrien. Ich hoffte inständig, dass die mich nicht auch noch verhören würden, denn danach könnte ich mich wahrscheinlich zu Lance ins Krankenhaus einweisen lassen, wenn sie mir nicht einfach in den Kopf schossen. Die beiden machte mir panische Angst, das hatte ich bei den Polizisten hier sonst noch nie erlebt.

Wir fuhren einige Minuten, während ich schwieg. Ich hoffte nur, dass sie mir meinen Anruf gewähren würden, denn sonst wäre ich wirklich hoffnungslos verloren. Ich hoffte nur, ich würde jemanden erreichen und mir würde auch jemand helfen, denn alleine kam ich hier bestimmt nicht mehr raus. Wenn Lance mich wirklich verpfiffen hatte, würde ich ihn definitiv im Krankenhaus aufsuchen und ihm den Rest geben.

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