77 | Wir können es nicht wissen.

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Wieder einmal habe ich dieses Déjà-vu-Gefühl, als ich vor Arthurs Wohnungstür stehe und den Klingelknopf mit dem Namen Moore darüber betrachte.

Ist es ihm wohl überhaupt recht, dass ich jetzt einfach bei ihm klingle, obwohl wir ausgemacht hatten, dass wir uns morgen in meinem Café treffen?

Und wie schon einige Male zuvor habe ich wieder eine einleuchtende Erkenntnis: Ich weiß nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit, was Arthur will. Vorhin im Café fiel es mir noch gar nicht so auf, aber jetzt ist es mir vollkommen klar.

Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Gerade senke ich meinen Finger wieder, der bis eben noch vor dem Klingelknopf geschwebt hat, als Arthurs Wohnungstür aufgerissen wird und mein Wieder-Fester-Freund und Traummann auf einmal vor mir steht.

Beinahe gleichzeitig geben wir beide einen überraschten Schrei von uns und Arthur fasst sich hektisch atmend an die Brust.

„Felix!", keucht er. „Hast du mich erschreckt."

„Entschuldige", lächle ich beschämt. „Ich ... ich wusste nicht, dass du wegwolltest ... ich–"

„Um ehrlich zu sein, wollte ich zu dir", gibt Arthur betreten zu.

„Ach wirklich?"

Er zuckt mit seinen Schultern, ein verlegenes Grinsen auf seinem Gesicht.

„Dann war ich wohl schneller als du."

„Sieht ganz danach aus."

„Was ... äh ... wolltest du denn bei mir?"

Arthurs Wangen bekommen wieder dieses entzückende Pink und er senkt den Blick.

„Ich ... vielleicht wollte ich einfach nicht bis morgen warten. Es war so still und ich hatte ohnehin nichts zu tun, war überhaupt nicht mehr müde und dann habe ich mich gefragt, was du wohl so allein in deinem Haus machst und ob du dich vielleicht freuen würdest, wenn–"

Ich trete einen Schritt vor, lege meine Hand an seine Wange und unterbreche Arthurs hektisches Gerede mit einem Kuss auf seinen Mund.
„Ich würde mich sehr freuen, wenn du einfach bei mir auftauchen würdest", wispere ich. „Und ich war gerade dabei, mir etwas zu kochen, aber ich konnte nicht aufhören an dich zu denken und fand es irgendwie albern, dass wir uns erst morgen wiedersehen, wenn–"

„Wir doch sowieso schon so viel Zeit vergeudet haben?", beendet Arthur meinen Satz, seine Augen auf meine Lippen fixiert.

„Ganz genau das", hauche ich und küsse ihn erneut.

Arthurs Lippen sind weich und warm und schmiegen sich perfekt an meine eigenen.

Die Hand, die noch den Korb mit den Zutaten für das Abendessen hält, lässt diesen los und legt sich auf Arthurs andere Wange. Meine Zunge stupst an seinen Mund und gleitet langsam hinein, als er sich öffnet.

Ein leises Seufzen entkommt Arthur, als unsere Zungen sich berühren und ich halte sein Gesicht unwillkürlich etwas fester, bin vollkommen berauscht von dem Gefühl, ihm wieder so nah zu sein.

Ohne nachzudenken schiebe ich Arthur zurück in seine Wohnung und denke nicht daran, unseren Kuss zu unterbrechen. Mein Fuß tritt die Tür hinter mir zu, während meine Hände sein Gesicht weiterhin festhalten.

Arthurs Finger krallen sich in den Stoff meines T-Shirts, ziehen mich noch näher an ihn, während unsere Küsse immer heißer und leidenschaftlicher werden.

Meine Gedanken sind regelrecht benebelt vor Lust und Verlangen und doch blitzt kurz die Erinnerung an das letzte Mal auf, als ich so gefühlt habe.

Ich löse meine Lippen von Arthurs, blicke tief in seine schönen, dunklen Augen, ohne sein Gesicht loszulassen.

Wäre es jetzt richtig, meinen Instinkten nachzugeben?
Was, wenn es zu früh für uns ist?
Was, wenn es zu spät für uns ist?
Wäre vielleicht alles anders gelaufen, wenn ich beim letzten Mal nachgegeben hätte?

Vielleicht hätte es auch einfach keinen Unterschied gemacht.

Ich kann nicht wissen, was passieren wird. Ob es gutgehen wird. Das wird mir in diesem Moment klar.

Ich kann mich oder mein Herz nicht schützen und ich kann das Gleiche ebenso wenig für Arthur tun.

Wenn es schiefgeht, tut es weh.
Und wenn es gutgeht, wird es fantastisch.
Wir können es nicht wissen.

„Ist alles okay, Felix?", wispert Arthur kaum hörbar und ich lächle.

„Mehr als okay", flüstere ich zurück und vereine unsere Lippen wieder miteinander.

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