56 | Was ist los mit mir?

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Gemeinsam gehen Arthur und ich, jeder von uns nur mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet, durch mein Haus.

Es fühlt sich seltsam an, denn obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, jemals schon in den Zimmern und dem gepflegten Garten hinter dem Haus gewesen zu sein, weiß ich dennoch, wo sich alles befindet und alles ist mir vertraut.

Schließlich stehen wir in der angrenzenden Garage und blicken beide auf einen schwarzen Audi A5.

„Hm", macht Arthur wieder neben mir. „Passt irgendwie zu dir."

„Findest du?"

„Ja, er ist schlicht, aber nicht billig. Solide eben."

„Du findest mich solide?", grinse ich.

Arthur zuckt mit den Schultern.
„Irgendwie weiß ich gerade nicht, wie ich dich finden soll."

Fragend sehe ich ihn an. Ist diese Aussage jetzt gut oder schlecht?

„Arthur", sage ich und greife seine Hand. „Ich wollte dir wirklich keine Angst–"

„Kannst du denn überhaupt Auto fahren?", lenkt er ab und geht um das Fahrzeug herum.

„Ich denke schon", gebe ich zurück. „Immerhin habe ich einen Führerschein. Und obwohl ich nicht wusste, dass ich es kann, konnte ich auch die Kaffeemaschine im Café sofort bedienen oder dir Frühstück machen."

„Vielleicht fahre besser ich", schlägt er vor und lächelt verlegen. „Aber erst einmal würde ich gern duschen."

•••

Während Arthur oben im Badezimmer duscht, räume ich die Küche auf und denke über sein Verhalten nach.

Seit ich ihm von meinen Erlebnissen erzählt habe, benimmt er sich irgendwie merkwürdig und ich habe ein seltsames Gefühl in meinem Bauch.

Fühlt er sich schuldig, dass ich immer nur dann auftauche, wenn wir uns wieder begegnen sollen? Er kann ebensowenig etwas dafür wie ich.

Will er eigentlich lieber wieder nach Hause oder zu Tessa, traut sich jetzt aber nicht, mich allein zu lassen, weil ich dann wieder im Dunkeln verschwinde?

Der letzte Gedanke bohrt sich schmerzhaft in meinen Hinterkopf und ich kneife verzweifelt meine Augen zusammen.

Wenn Arthur nur aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus hier ist, aber nicht, weil er es möchte, bin ich nicht sicher, ob das alles richtig ist. Ob es richtig war, ihm überhaupt davon zu erzählen.

Allerdings will ich ehrlich zu ihm sein, denn Arthur verdient es, dass man ehrlich zu ihm ist.

Aber verdiene ich es nicht auch, dass man ehrlich zu mir ist?

„Du kannst", höre ich Arthurs Stimme und als ich meine Augen öffne, steht er in seiner Jogginghose und seinem T-Shirt in der Küchentür. „War es wieder dunkel?"

„Nein", gebe ich etwas zu barsch zurück und fahre mit meinem Fingern durch meine Haare.

Wann hat sich die Stimmung zwischen uns so gewandelt?

„Hör zu, wenn du doch lieber nicht–", fängt Arthur an, doch ich unterbreche ihn, indem ich herausplatze: „Willst du eigentlich gar nicht hier sein?"

„Was?" Seine Augen sind erschrocken geweitet, doch dass er mir nicht sofort widerspricht, ist für mich Antwort genug.

„Ich ... Arthur, wenn du nur hier bist, weil du jetzt das Gefühl hast, dass du hier sein musst, dann weiß ich nicht, ob das richtig ist."

„Felix, was soll ich denn tun?", fragt er zurück.

„Keine Ahnung!", rufe ich aufgebracht. „Vielleicht einfach gehen. Ich zwinge dich nicht, hier zu bleiben."

„Bist du jetzt sauer auf mich, wenn ich hier bleibe?"

„Nein, ich bin sauer, wenn du hier bleibst, weil du denkst, du musst hier bleiben."

„Wenn ich gehe, verschwindest du irgendwo im Nichts. Ich will nicht schuld daran sein, wenn du aufhörst zu existieren."

„Du bist schuld daran, dass ich existiere!", rufe ich und er zuckt merklich zusammen.

„T-Tut mir leid", wispert er und sofort bereue ich meinen Ausbruch. Was ist denn nur los mit mir?

„Nein", seufze ich und mache vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. „Mir tut es leid. Ich wollte dich nicht anschreien."

Arthurs Augen blicken überall hin, nur nicht zu mir und ich weiß sofort, dass er weg will. Weg von hier. Weg von mir.

Was habe ich bloß angerichtet?

„Schon okay", murmelt er und senkt seinen Kopf.

„Es ist nicht okay", widerspreche ich. „Ich bin nur ... durcheinander und möchte nicht, dass du etwas tust, was du nicht willst oder dass du dich wegen irgendwas schuldig fühlst."

„Durcheinander bin ich auch", gibt Arthur gedankenverloren zurück.

„Dann rede mit mir", flehe ich und lege meine Hände auf seine Schultern. „Ich weiß bestimmt nicht alle Antworten, aber bitte sprich mit mir, Arthur."

Langsam hebt er seinen Kopf und sieht mir direkt in die Augen.
„Woher weiß ich, dass du dich nicht nur deshalb in mich verliebt hast, weil ich dich erschaffen habe?"

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