𝟎𝟑 | 𝐒𝐭𝐞𝐯𝐞 𝐑𝐨𝐠𝐞𝐫𝐬

3.2K 153 15
                                    

◦•●◉✿ Teil I ✿◉●•◦

"Na komm schon, Fluffy, gib mir meinen Schuh wieder!", flehe ich den aufgeweckten Welpen mit dem braunen Farbklecks auf der Nase an. Seufzend ziehe ich ein Leckerlie aus meiner Tasche und versuche es mit einem Tauschgeschäft. Mein Schuh gegen einen kleinen getrockneten Silberfisch.

Und die kleine Fellnase versucht doch allen ernstes das Leckerchen zu nehmen, ohne dabei meinen Schuh loszulassen.

Letztendlich habe ich wieder beide Schuhe an und kann Flavio das Zepter übergeben und nach Hause gehen. Der Tag war wie immer gleichermaßen schön und anstrengend, aber so ist die Arbeit mit Tieren nunmal.

Lächelnd blicke ich auf die frisch gestrichene Fassade des kleinen aber feinen Tierheims, das ich aus dem Nichts erschaffen habe. Es war Ares gewesen, der mich vor beinahe sechs Jahren von meinem lange geplanten Weg abbrachte und mir zeigte, was meine wahre Berufung ist. 

Ich war Studentin, trat in die Fußstapfen meines Vaters und meiner älteren Schwester. Meine halbe Familie bestand aus Anwälten und so fand auch ich mich an der juristischen Fakultät der NYU wieder. Ich war gerade auf dem Weg in die Bibliothek um für meine Seminararbeit zu recherchieren, als ich ihn traf.

Der kleine irische Wolfshund lag verletzt am Straßenrand. Er sah aus, als sei er erst wenige Tage oder Wochen alt und mit nur einem Blick in seine wunderschönen Augen, die mich um Hilfe baten, um Liebe und Zuneigung und Geborgenheit, war es um mich geschehen.

Zunächst wollte ich ihn nur zu einem Tierarzt bringen, sicherstellen, dass er gesund war und ihn dann in das nächstgelegene Tierheim bringen. Aber dann im Untersuchungsraum, hatte das kleine Fellknäuel sich trostsuchend gegen meinen Bauch gepresst, um Schutz zu suchen, als der Tierarzt ihm eine Spritze geben wollte.

In diesem Moment war mir klar, dass ich den Kleinen nicht wieder loswerden würde. Und das wollte ich auch gar nicht mehr.

Was ich aber wollte, war mein Leben vollkommen umzukrempeln. Und genau das tat ich. Als ich das Studium abbrach, war meine Familie entsetzt, geradezu enttäuscht von mir.

Sie hatten keinerlei Verständnis für meine Entscheidung und als ich mein Familienkonto plünderte, um das heruntergekommene Haus zu kaufen, und ein Tierheim daraus zu machen, stellten sie mich vor die Wahl.

Jurastudium, Familie und deren Vermögen oder das Tierheim und Einsamkeit.

Unnötig zu erwähnen, dass ich mich für die Tiere entschieden habe. Und bisher bereue ich es nicht. Allen voran Ares, der einzige Hund, der es nicht nur in mein Herz, sondern auch in mein Haus geschafft hat, erfüllt mein Leben mit mehr Freude und Leben, als es meine Familie je vermocht hätte.

Mittlerweile läuft das Tierheim besser als jemals zuvor. Vor einem halben Jahr haben wir einen Anbau fertiggestellt, der jetzt unsere Not- und Rettungsstation ist. Dort ziehen wir verlassene oder verstoßene Tierbabys auf und bieten auch geretteten Tieren, die uns von Tierschutzorganisationen zeitweise anvertraut werden, Unterkunft.

Es ist bereits dunkel, als ich durch die Straßen New Yorks laufe. Die Autoabgase und generell die Verschmutzung der gedankenlosen Bewohner dieser großen Stadt verhindern, dass ich die funkelnden Sterne am schwarzen Himmel leuchten sehen kann.

Es ist kälter, als ursprünglich erwartet. Ich trage nur ein T-Shirt und eine große Strickjacke, die ich enger um mich ziehe, obwohl es kaum gegen die kühle Nachtluft hilft. Ich umrunde eine große Pfütze, und frage mich, wo sie herkommt. Um sie herum ist alles trocken, und es hat tagelang nicht geregnet.

𝐅𝐀𝐑 𝐅𝐑𝐎𝐌 𝐑𝐄𝐀𝐋𝐈𝐓𝐘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt