36

2.4K 64 3
                                    

Als ich den Text für das Lied schon fast fertig hatte, klingelte mein Telefon. Es war Rafe. Ich drückte ihn weg, doch hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Irgendwann müssen wir doch reden oder? Irgendwann würde ich ihm so und so begegnen.
Als er dann ein zweites Mal anrief ging ich mit den Worten „Hallo?" ran. Es dauerte eine Weile, bis er etwas sagte. „Alya? Ich- Ich bins. Ähm... tja ich dachte irgendwie nicht dass du rangehst. Aber hey! Hast du vielleicht kurz Zeit?" kam es vom andern Hörer und man konnte deutlich hören, dass er nicht nüchtern war.
Jetzt? Ihn sehen? Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, also antwortete ich einfach mit „Ich weiß nicht". „Naja ich wär schon hier" „Was?? Wie du wärst hier? Wo bist du?" sprang ich auf und sah aus dem Fenster. Hoffentlich hatten meine Abuelos noch nicht bemerkt, dass er vor unserem Haus stand und gerade versuchte, die Treppe zu meinem Fenster hochzugehen. Immer wieder rumpelte er dabei an das Geländer, also ging ich raus und half ihm nach oben.
Ich setzte ihn auf der Bank auf meinem Balkon ab und setzte mich neben ihn. Ohne ihn anzusehen fragte ich ihn, was er denn nun will. „Ich. Argh!" rief er und ballte seine Hände zu fäusten während er sich scheinbar über sich selbst ärgerte. Ich sah ihn einfach nur fragend an. „Es ist nicht leicht sowas zu sagen ok?? Also schön... es tut mir Leid." „Hätte nicht gedacht das Mal von dir zu hören..." lachte ich bevor ich wieder ernster wurde: „Was tut dir Leid?"

Auf diese Frage war er scheinbar nicht vorbereitet und er sah mich erstaunt an.  „Na alles!" „Ich will wissen, ob du deine Fehler eingesehen hast Rafe. Und ob du weißt, was falsch war!" entgegnete ich ihm. Er dachte nach. „Es tut mir Leid, dass ich dich angelogen habe und dich benutzt habe den Stick zu stehlen. Es tut mir Leid, dass ich während du geschlafen hast wieder rüber gegangen bin. Es tut mir Leid, dass das alles wegen mir zerbrochen ist und es tut mir Leid, dass es dir so schlecht gegangen ist. Sarah hats mir erzählt. Und es tut mir Leid, dass ich das nicht kommen gesehen habe und mich in dich verliebt habe" wurde er immer leiser und nahm meine Hand.

Ich wusste wieder nicht, wie ich reagieren sollte. Soll ich ihm verzeihen? Wie soll es weitergehen? „Entschuldigung angenommen. Ich habe schließlich auch ein paar Sachen gesagt, die mir sehr Leid tuen und es ist ja auch mir zuzuschreiben, dass ich nicht vorher gemerkt habe, dass es wahrscheinlich nicht lange halten wird" gab ich zu. Bevor er allerdings etwas sagen konnte, musste ich ihn fragen: „Aber eins muss ich wissen... Als du nochmal zu Katie gegangen bist- Ich meine habt ihr? Also weil sie gesagt hat dass-". Sofort ließ er meine Hand los. „Du denkst also wirklich ich hab mit ihr geschlafen? Meinst du wirklich ich wäre dir fremdgegangen?" fragte er geschockt und man konnte sehen, wie wütend er dadurch wurde. „Nein, aber als du gesagt hast dass- Ach ich weiß ja auch nicht! Ich war mir eben nicht sicher" vergrub ich meinen Kopf in den Händen.
Er lachte aber nur. Das provizierte mich: „Es tut mir Leid ok? Aber als du das gesagt hast kam mir das eben sofort in den Kopf!" schrie ich ihn an.  „Ach ja? Dann kann ich ja gleich auch wieder gehen! Versuchen brauchen wir es dann eh gar nicht mehr!" schrie er zurück und stand auf. „Fick dich doch" sagte ich leise und weinte wieder.
Er drehte sich zu mir und meinte ebenso leise „Nicht mich. Katie.". Jetzt reichte es mir. Ich stand auf und gab ihm eine Ohrfeige, welche er nicht kommen gesehen hatte.
Beide standen wir jetzt voreinander und sagten nichts mehr. Es war still, bis auf das Schluchzen von mir, denn ich weinte immernoch.
Plötzlich hob Rafe seine Hände und da ich nicht wusste, was passierte zuckte ich leicht. Er legte jedoch beide Hände um mich und zog mich in eine Umarmung, wobei er mich fest an sich zog. Ich legt meinen Kopf an seine Brust und umschloss ihn mit meinen Armen. Es fühlte sich an wie ein Abschied. Noch nie ging es mir bei einem Abschied so schlecht. Noch nie hatte ich so Liebeskummer! Wie soll es denn jetzt weitergehen?

Doch bevor ich länger darüber nachdenken konnte nahm er meinen Kopf in seine Hände, sodass ich ihn ansah. Mit seinen Daumen fuhr er meine Wangen entlang und wischte so meine Tränen weg. Oh gott machte mich das fertig! Seine wunderschönen blauen Augen sahen in meine. Es war fast so wie am Strand, als wir uns das erste Mal geküsst haben. In diesem Moment wollte ich nichts mehr als das tun.  Aber ich wusste, es war falsch.
In seinen Augen konnte ich genau sehen, dass er das gleiche dachte. Ihm war es scheinbar egal, dass es nicht richtig war, denn langsam kam er immer näher. Sanft legt er seine Lippen auf meine und für kurze Zeit erwiderte ich den Kuss auch.

Ich war überfordert und wusste nicht, was das für Auswirkungen haben wird. Nicht zu wissen, wie es weitergeht, das hasste ich am Meisten! Also zog ich meinen Kopf schnell zurück und zog mich aus seiner Umarmung zurück. „Nein Rafe, das geht so nicht" murmelte ich während ich mit dem Kopf schüttelte. Er sah mich nur fragend an. „Jetzt gleich wieder so weiter zu machen führt uns nur wieder da hin, wo wir gerade erst waren"

Er setzte sich hin. „Weißt du eigentlich, dass du die erste Person bist die mich wirklich versteht? Die mich als Menschen sieht, der sich ändern kann und nicht als Rafe den drogenabhängigen, aggressiven und zukunftslosen Sohn von Ward Cameron? Und dass du die erste Person bist an der mir wirklich etwas liegt, die nicht aus meiner Familie ist? Und dass ich das nicht einfach so aufgeben will?" entgegnete er mir traurig. Ohne den Alkohol in seinem Blut wäre er niemals so ehrlich zu mir gewesen! Ich setzte mich zu ihm und legte eine Hand auf seinen Rücken, weil er den Kopf auf seinen Händen hatte, die auf seinen Beinen lagen. Er war echt verzweifelt!

„Natürlich will ich das nicht aufgeben, aber ich brauche jetzt erst einmal, um nachzudenken über uns. Ob das überhaupt Zukunft hat. Verstehst du nicht, dass ich nicht noch einmal so verletzt werden will?" antwortete ich, wieder weinend. Ich konnte es sehen: Ihm fiel das ganze auch nicht leicht!

So schwer es mir auch fiel musste ich ihn jetzt wegschicken. „Rafe ich bin wirklich müde... ich schlafe ja hier schon fast ein. Ich muss morgen früh raus, das Event ist ja schon übermorgen..." gab ich als Anstoß. „Jaja, schon klar, dann fahr ich mal wieder" meinte er und stand auf. „Fahren? Wie fahren? Bist du etwa mit dem Auto hier?" fragte ich erschrocken. „Ja, womit denn sonst?" fragte er, als ob ich nicht mehr ganz bei mir wäre. „Du bist betrunken! Du fährst jetzt sicher nicht mehr" machte ich ihm klar und wollte nach seinem Schlüssel in der Hand greifen, doch er war schneller und zog ihn weg. „Ich bin ja hergekommen auch" mumelte er und ging die ersten Stufen der Treppe hinunter, was sich als genauso schwierig gestaltete, wie beim rauf gehen vorhin. Ich rannte ihm nach und versuchte seinen Schlüssel zu bekommen, was mir auf der dritten Stufe auch gelang. Ich rannte in mein Zimmer, weil ich wusste, dass er mir den Schlüssel nicht überlassen wird und versteckte den Schlüssel.

„Wo hast du ihn?" stand er mir ernster Miene vor mir. „Das sag ich dir wenn du wieder fahren darfst" verschränkte ich meine Arme und stellte mich vor ihn. „Gut, dann fährst du mich nach Hause, aber gehen werde ich nicht" machte er mir die Pose nach. „Wir waren vorhin am Strand, ich darf auch nicht mehr fahren" gab ich zu. „Gut" sagte er darauf leise und ließ sich auf mein Sofa fallen. „Dann schlafe ich eben hier" grinste er provokant. Ich schaute ihn aber nur vorwurfsvoll an. „Ist das jetzt dein Ernst?" fragte ich nur, aber er hatte sich schon die Decke genommen und sich zugedeckt. „Rafe" meinte ich nochmal, aber er tat wirklich so, als ob er schlafen würde.

Weil es mir jetzt auch zu blöd war akzeptierte ich es, ging ins Bad und legte mich danach in mein Bett, in der Hoffnung meine Abuelos kommen in der Früh nicht herein und sehen Rafe auf meiner Couch.

seven things | Rafe CameronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt