Lea Lennox
Mit einem leisen Seufzen ließ ich mich auf das Bett plumpsen. Federnd gab die Matratze unter mir nach. Ich lies mich auf den Rücken sinken und schloss für einen Moment die Augen, um die Tränen zurückzuhalten, die schon lange fällig waren. Es gelang mir nicht. In schmalen Rinnsalen rannen Tränen über meine Wangen und tropften auf das samtige Bettzeug.Ich stemmte mich wieder hoch. Ich durfte nicht weinen, in Selbstmitleid verfallen und den Glauben in mich selbst verlieren. Das würde mir kein Stück weiterhelfen. Ich musste stark bleiben, oder zumindest so wirken, wenn ich überleben wollte. Keiner würde ein schwaches, zerbrechliches Mädchen, welches nicht an sich selbst glaubte, unterstützen wollen. Von Sponsoren hing aber möglicherweise mein Leben ab.
Ich fegte die Tränen mit einer raschen Handbewegung fort, nahm einen tiefen Atemzug und richtete mich zu voller Größe auf. Es half. Ich fühlte mich nicht mehr so hilflos und klein. Und mit jedem weiteren Atemzug den ich nahm, glaubte ich fester daran, eine gewisse Überlebenschance zu haben.
Die Schiebetüren des Kleiderschranks glitten zur Seite, als ich daran vorbeiging. Überwältigt musterte ich den Haufen an Stoff und Accessoires die sich vor mir erstreckten. Mit offen stehendem Mund betrat ich den begehbaren Kleiderschrank, der wahrscheinlich einen ganzen Wagen des Zuges einnahm. Eigentlich völlig überflüssig. In meinem Distrikt brauchte ich für meine Kleidung nicht mehr als eine der Ablagen, die sich in dem hölzernen Schrank übereinander stapelten. Einen Moment stand ich nachdenklich im Türrahmen, war es wirklich nötig sich in diese bunten Dinger zu zwängen? Eigentlich hätte ich lieber das unauffällige Kleid anbehalten, welches ich bei der Ernte getragen hatte.
Ich zuckte mit den Schultern. Was solls, ich konnte auch einfach etwas anprobieren und dann wieder ablegen. Man würde mich wahrscheinlich komplett übersehen, wenn ich, unauffällig wie ich war, aus dem Zug spazieren würde. Die tausenden Kapitolsleute in ihrer farbenfrohen Aufmachung würden mich einstimmig übertönen.
Ich ließ meinen Blick durch die Kleiderstangen wandern. Angestrengt suchte ich nach etwas, was den Umständen entsprechend unauffällig war. Das war gar nicht so einfach. Doch dann blieb mein Blick an einem Stück Stoff hängen, das dunkelblau eingefärbt war. Ich ging hin und nahm es, um es näher zu betrachten. Es war ein geschnürtes, bauchfreies Oberteil mit goldenen Stickmustern. Es gefiel mir, deshalb nahm ich es. Dazu griff ich mir noch eine dunkelbraune, weite Jeans und einen schlichten Gürtel. Von dem Schuhregal suchte ich mir ein paar dunkelblaue Stiefel aus.
Nachdem ich mich angezogen hatte betrachtete ich mich im Spiegel. Ich war sehr zufrieden, auch wenn ich die Aufmachung - besonders den goldenen Schmuck - etwas zu übertrieben fand. Aber das lag nur daran, dass ich bisher noch nie so luxuriös gekleidet war. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse, um mich von allen Seiten bewundern zu können. Die vordersten Stränen meiner roten Haare hatte ich mir mit einer goldenen Haarklammer, die mit mystischen Ornamenten geschmückt war, nach hinten gesteckt, damit sie mir nicht ständig vor die Augen fielen.
Was sollte ich nun tun?, die Zugfahrt würde noch mehrere Stunden dauern und ich hatte absolut keine Lust mit irgendwelchen Leuten zu sprechen die ich nicht kannte. Die Frau, die meinen Namen aus der Lostrommel zog und somit über mein Schicksal entschied, war mir von Anfang an unsympathisch. Ihre aufgebrezelte Art und ihr künstliches Lächeln, igitt.
Und auf die Gesellschaft von meinem Mentor und dem anderen Tribut konnte ich ebenfalls verzichten. Im jetzigen Moment wollte ich einfach mit meinen Gedanken allein sein. Um sicher zu gehen, dass mich keiner stören würde, schloss ich die Tür meines Abteils ab.
Ich lies mich auf das Bett sinken und griff nach der Fernbedienung. Kaum hatte ich einen Knopf gedrückt, erhellte sich der Bildschirm des Fernsehers. Auf dem Bildschirm lief eine Wiederholung der Ernte aus allen Distrikte. Interessiert folgte ich dem Geschehen, um meine Mitstreiter kennenzulernen.
Gerade lief die Ernte aus Distrikt 2. Es meldeten sich zwei Tribute freiwillig, was den sonst. So lief das in den ersten Distrikten nun einmal. Für mich war ihr Handeln nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar. Schliesslich unterschrieb man dabei sein sicheres Todesurteil. Die Überlebenschancen standen 1 zu 24, was für meiner Meinung nach das Risiko nicht wert war.
Wie sich herausstellte, waren die beiden Geschwister. Ihre Namen waren Lena und Liam Kentwell. In ihren Gesichtern war purer Kampfgeist zu sehen. Ich zweifelte keinen Moment daran, dass einer von ihnen gewinnen könnte. Ihre Blicke waren siegessicher und voller Tatendrang. Beide waren bereit zu töten, das wusste ich.
Bei Distrikt 3 stach mir das Mädchen ins Auge. Ein Mädchen mit dunklen Haare, die ihr sanft über die Schultern flossen. Ihre dunklen Augen wurden von einer rosa Brille umgeben, die ihr Gesicht gleich sympathischer wirken lies, auch wenn sie zurzeit schockiert von einem Punkt zum anderen schaute.
In Distrikt 4 sah ich in Mädchen, welches zu lachen begann, wieso auch immer. Schliesslich gab es keinen Grund zu lachen. Ihre braunen Locken bebten jedes Mal wenn sie von Neuem zu lachen begann. Sie wirkte fast schon ausgelassen. Im Gegenteil zu dem Jungen der nach ihr auf die Bühne trat. Auf seinem Gesicht lag ein matter Ausdruck in dem man leicht das Entsetzen sehen konnte. Ein undeutbarer Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
Bei Distrikt 5 gab es ebenfalls einen Freiwilligen. Er sah nicht so aus, als ob er unbedingt in die Arena wollen würde. Das bedeutete wohl, dass er sich wegen dem Mädchen mit den roten Haaren gemeldet hatte. Oder er war einfach nur suizidgefährdet.
Das rothaarige Mädchen bombardierte ihn mit stechenden Blicken, während sie sich die Hand reichten. Die beiden schienen sich also tatsächlich zu kennen.
Bei Distrikt 8 wurde ein hageres Mädchen mit heller Haut und Haaren gewählt. Sie wirkte unscheinbar und unsicher. Mit zögernden Schritten ging sie zur Bühne. In ihren Augen lag Furcht.
Im Prinzip war es in jedem Distrikt das selbe. Nur, dass es verschiedene Menschen mit verschiedenen Reaktionen waren. Als die Ernte meines Distrikts zu laufen begann, schaltete ich den Bildschirm rasch aus. Es war mir unangenehm mich selbst zu sehen.
Ich lies mich auf den Rücken sinken und starrte gedankenverloren an die Decke. Ich lies meine Gedanken schweifen, bis ich so in ihnen versunken war, dass ich alles um mich herum vergaß. Es war einer der Momente, in denen man am liebsten bleiben würde, weil alles besser war, einfacher war und man nicht den Tod zu befürchten hatte. Ein ruhiger Ort, fast schon langweilig, aber dennoch so wunderbar.

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MMFF || Die 13. Hungerspiele
Fanfic‼️Anmeldung geschlossen‼️ Dieses Jahr werden wieder 24 mutige Mädchen und Jungen ausgewählt, um an den 13. Hungerspielen teilzunehmen. Sie werden Verbündete finden und verlieren. Sie werden Leben retten und beenden. Sie werden gewinnen oder verlier...