Ich suche nach Worten,
aber finde nur deine.
Wieso sind sie keine Antwort
auf meine Fragen?Ich suche nach mir selbst,
aber finde mich nur bei dir.
Wieso sind wir so weit entfernt,
wenn da so viel Nähe sein müsste?Ein Brief klebt an meiner Tür. Mein Name steht schwungvoll draufgeschrieben. Dieselbe saubere Handschrift wie beim letzten Mal. Ich habe einen Briefkasten, aber anscheinend mag Romere meine Tür lieber. Ich frage mich, ob er zu meiner Tür kommt, weil er glaubt, dass er klopfen wird, es dann aber doch nicht tut und stattdessen den Brief an meine Tür klebt. Ich habe Romere seit einer Woche nicht gesehen. Wahrscheinlich, weil ich ihm erfolgreich aus dem Weg gehe. Aber ich denke, dass es viel eher damit zusammenhängt, dass ich Angst habe, wieder von dem Schmerz überwältigt zu werden, welchen ich so erfolgreich verdrängt habe. Ein Teil von mir wünschte, ich würde die Antwort darauf kennen, aber es gibt nichts, was ich darauf noch als Antwort erhalten könnte ... außer Schmerz und noch mehr Schmerz, so stark, so überwältigend, dass sich alles in mir zusammenzieht und mir die Luft zum Atmen nimmt.
Ich reiße den Brief auf, denn egal wie müde ich auch von meinem langen Tag an der Schule bin, meine Neugier über Romeres Worte würde mich nicht schlafen lassen. Ich wünsche mir zwar, dass er das ganze nicht in Papier gehalten hätte, denn es ist so viel einfacher, etwas Gesagtes zu ignorieren als etwas Geschriebenes. Die gesagten Dinge können verdreht und verflochten werden, bis sie zu einer Illusion in unserem Inneren werden, aber die Worte, welche er auf einem Papier zu Sätzen zusammenbaut, haben immer dieselbe Struktur, immer denselben Geist. Dieselbe Bedeutung. Ich zwinge mich zu einigen ruhigen Atemzügen und fange dann an zu lesen.
Audrey,
Ich würde mich gerne entschuldigen. Aber ich glaube, wir wissen beide, dass der Schmerz in uns zu tief sitzt, als dass eine Entschuldigung genügt. Ich möchte dir dennoch sagen, was mir leidtut, auch wenn ich kein Recht habe, deine Vergebung zu verlangen oder gar zu fordern.
Es tut mir leid, dass ich dich im Stich gelassen habe. Vier Jahre sind lang, aber verfliegen trotzdem. Ich habe nach einem Weg gesucht, mein Verhalten zu begründen, aber ehrlich gesagt ist da nur Angst. Die ständige Panik, dass ich einen Fehler mache, dass ich dich mit reinziehe, wie ich meine anderen Fehler in Ordnung bringen soll und wie ich überhaupt mein Leben auf die Reihe kriege – und dabei stehe ich praktisch noch ganz am Anfang meiner Selbstständigkeit.
Ich habe dir die Schuld für unsere Situation gegeben: Audrey hat mir die Wahrheit nicht gesagt. Sie hat mir verschwiegen, dass sie reich ist, dass sie fast schon berühmt ist. Sie hat mich im Stich gelassen.
Dabei stimmt das alles nicht. Ich habe mich auf die leichteste Stütze von Ausreden gestützt, um nicht Kontakt aufnehmen zu müssen, weil mir die Worte für eine anständige Entschuldigung gefehlt haben. Ich habe mir geschworen, dich anzurufen, deine Nummer weiß ich auswendig, genau wie auch die Nachrichten, die mir von der Schnitzeljagd-Leitung weitergegeben worden sind. Aber die Angst hat mich jeden Tag überwältigt. Ich habe mich gefühlt, als würde ich jeden Tag aufs Neue ertrinken und du weißt, wie sehr ich mich vor Gewässern fürchte. Unsere Situation hat mich ertränkt und gelähmt und ich habe den Gedanken gehasst, dass der letzte Moment, in welchem du mich vor all dieser Zeit gesehen hast, nur ein lebloses Abbild von mir gewesen ist.
Ich habe mich in jedem Aspekt deiner und meiner Verarbeitung und Vergebung getäuscht und nun sind wir hier. In New York. Einer Stadt, welche so gross und so unglaublich ist, dass manch einer sagen würde, dass es Zufall ist, dass sich zwei Menschen, die sich so nahe und doch so fern sind, treffen. Aber ich glaube, dass diese Häufung von Zufällen gar kein Zufall mehr sein kann, sondern viel mehr Schicksal.
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Save Me Maybe
Romance„Mein Herz braucht dich", wispere ich. „Nicht so sehr, wie ich dich brauche." --- Audrey Dillon hat genug von Männern - oder Menschen ganz allgemein. Um ihren Herzschmerz nicht mehr in Ben & Jerry'...