kapitel 08

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Am nächsten Tag hört es nicht auf zu regnen, aber Romere und ich sind ohnehin im Rückstand, weshalb wir beschließen, uns dennoch schon auf den Weg zu machen. Ich sehe ihm dabei zu, wie er das Zelt auseinandernimmt und dann in das Innere des Autos legt, wo ich auch schon mein restliches Gepäck deponiert habe. Ich frage mich, wieso er nicht in dem Auto schlafen wollte. Das ist bestimmt wärmer und vielleicht auch angenehmer als sich mit mir in ein Zelt zu quetschen und jetzt jemanden an der Backe zu haben, den er gar nicht leiden kann.

Romere isst dabei sein Sandwich, welches ich zubereitet habe, während ich die Karte mustere, genau wie auch die roten Hütchen darauf, welche anzeigen, wo wir bei welcher Station hinmüssen. Die Wanderwege sind allesamt nicht übertrieben lang, aber ich nehme an, dass es mit der Zeit anstrengend wird, jeden Tag eine Wanderung zu machen und dass Pausen mit einberechnet sind.

„Bereit?", will Romere immer noch kauend von mir wissen. Ich nicke knapp und schlüpfe in meinen Regenmantel. Romere hat keinen, aber ich verbiete mir, Mitleid mit ihm zu haben. Ich bewahre mich selbst vor einer Lungenentzündung, nicht ihn. Page hat mir genug lang eingetrichtert, dass ich mehr auf mich selbst achten sollte und nicht nur auf die anderen Leute um mich herum.

Romere wirft sein altes T-Shirt in den Wagen – ich habe ihm ein neues von Brexon gegeben – und schließt das Auto dann ganz altmodisch mit den Schlüsseln ab. Ich spare mir den Kommentar, dass das hier ohnehin unnötig ist, weil wir allein in der Wildnis sind.

Den größten Teil der Wanderung schweigen wir. Es gibt nicht viel zu sagen und außerdem ist es nicht gut für die Atmung, wenn man zu viel spricht. Romere legt immer wieder eine Pause ein, was mich per se nicht stört, aber gleichzeitig auch skeptisch macht.

„Ist deine Kondition so schlecht?", frotzle ich, worauf er mir einen so bösen Blick zuwirft, dass ich die Klappe halte. Er ist anscheinend nicht gut gelaunt. Ich sehe nicht mehr in seine Richtung, damit ich nicht genauso böse zurückstarre und konzentriere mich stattdessen auf meine Umwelt. Bisher habe ich die Natur immer als einen ruhigen Ort betrachtet, aber eigentlich stimmt das gar nicht. Sie hat einfach eine vollkommen andere Melodie als alles, was ich bisher erlebt habe. Die überwältigenden Farben der verschiedenen Pflanzen werden von winzigen Tieren belebt, manchmal sogar kleiner als meine Fingernägel. Ich mag es, dass einige von ihnen zirpen, während über unseren Köpfen Vögel hinwegfliegen und sich Dinge zurufen, die ich nicht verstehen kann. Ich denke allerdings nicht, dass das darin liegt, dass sie anders kommunizieren oder vielleicht eine vollkommen andere Sprache untereinander verwenden als wir. Ich verstehe meistens nicht einmal, was mir andere Menschen mitteilen wollen.

Dicke Baumstämme ragen vor mir auf und plötzlich regnet es nicht mehr so stark, weil wir von einem dichten Blätterdach geschützt sind. Das Aufprallen der Wassertropfen ist in einem regelmäßigen Takt zu hören. Auf meinen Lippen bildet sich ein Lächeln und ich wünschte, dass mein Bruder hier wäre. Der Kerl lebt durch die Musik und ich würde meine Seele darauf verwetten, dass er es nur tut, um das endlose Chaos in seinem Kopf zu kitten. Die Unruhe darin war schon immer schwer zu bewältigen, vor allem weil wir beide eine verstärkte Wahrnehmung der Umwelt hatten und dadurch einen verstärkten Drang verspürt haben, diese Wahrnehmung zu teilen. Brexon macht es durch die Musik und er ist dazu noch verdammt gut darin, während ich ... nun ja, ich mache es eben nicht so. Ich tue es meistens gar nicht, bis mich die Unruhe erdrückt und ich sie irgendwie loswerden muss.

Plötzlich spüre ich Romeres Hand an meinem Arm. Ich sehe ein wenig verwirrt zu ihm, doch er deutet nur mit einem Nicken auf das Loch im Boden vor mir. Eine Bärenfalle. Einfach nur großartig.

„Sei ein wenig vorsichtiger, Audrey."

Ich schlucke, nicke dann aber. Eigentlich hätte er mich in das Loch fallen lassen müssen, denn das wäre bestimmt eine bessere Lektion gewesen, als wenn er mir einfach aufmerksam hilft. Aber das hat er nicht getan, obwohl er sich noch über mich ärgert. Vielleicht ist er dafür zu anständig.

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