kapitel 28

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Wenn ich Liebe suche,
finde ich dich.
Aber wieso suche ich nicht
dich
und finde stattdessen Liebe?

Ich habe ewig nach Liebe gesucht
und dich dann zufällig getroffen.
Zufällig, auf eine schlimme Art wieder verloren.
Wenn ich dich wiederfinden möchte, finde ich nichts.

Nicht einmal Briefe, Worte, Sätze.
Nicht einmal Erinnerungen,
sondern nur die Gefühle für dich.
Das Chaos in mir.

Dabei weiß ich,
dass du und die Liebe nur
zusammen zu mir kommen könnt.
Und nur, wenn du es zulässt,
gefunden zu werden.

Ich wünschte, du würdest diese Worte sehen
oder ich könnte sie dir zeigen.
Aber ich weiß nicht, wie ich dich finden soll
oder deine Worte.

Ich bin nicht überrascht, als ich das Klopfen an meiner Tür vernehme, aber ich zucke trotzdem zusammen. Romere ist da. Romere, Romere, Romere. Meine Hände zittern ein wenig und ich atme tief durch, um meinen raschen Herzschlag zu beruhigen.

„Hey", begrüße ich ihn mit einem Lächeln, sobald ich es geschafft habe, die Tür zu öffnen. Die Erinnerungen an Suttons Geburtstagsparty überströmen mich, als ich sehe, wie er in meinem Türrahmen steht. Aber diesmal bin ich sogar bereit, ihn eintreten zu lassen. Romere ist hier, hat aber nicht so viel Zeit, weil später seine Schicht in der Starlight-Bar beginnt. Ich frage mich, ob er absichtlich diesen Abend ausgesucht hat, damit er ein Zeitfenster hat und nicht unbegrenzt Zeit, die er bei mir vertreiben kann.

„Guten Abend", erwidert er. Sein Blick schwebt aufmerksam über mich und ich frage mich, was seine wunderschönen Augen an mir sehen, dass sie sich so Zeit dabei lassen. Romere hat sich tatsächlich bereit erklärt, mir Football zu erklären und nun ist er hier. Er fährt sich mit seiner Hand durch die Haare, ohne mein Aussehen zu kommentieren und wirft dann einen neugierigen Blick über meine Schulter in die winzige Wohnung. Ich trete rasch einen Schritt zur Seite, um ihm nicht im Weg zu stehen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob mir das gefällt. Jemandem sein Zuhause zu zeigen – den Rückzugsort, dort wo man sicher und geborgen ist – ist eine intime Sache und eigentlich hatte ich nicht vor, Romere jemals wieder an den Intimitäten meines Lebens teilhaben zu lassen. So schnell wie er nämlich eindringen kann, ist er auch wieder draußen, aber sein Nachklang verhallt ewig.

„Deine Wohnung ist süß", sagt er irgendwann. Ein Lächeln spielt um seine Lippen, während er seine Schuhe auszieht und bei der Tür abstellt. Süß? Ist das gut oder schlecht?

„Auch wenn sie nicht ganz so ist, wie ich sie erwartet habe", fährt er fort und dreht sich schließlich wieder zu mir um. Ich suche in seinen Augen nach Antworten, aber ich finde dort nur die unendliche Stille, die ich in ihnen sehe, seit ich ihm in New York wieder zum ersten Mal wieder begegnet bin. Der Schmerz ist zu seinem ständigen Begleiter geworden und ich frage mich, welches Puzzleteil mir fehlt, bis ich entziffern kann, was ihn so beschäftigt. Bis ich begreifen kann, was aus diesem lebendigen, liebevollen Kerl geworden ist, der so viele Schatten mit sich trägt, dass das Licht in ihm kaum mehr durchschimmert. Mein Herz zieht sich jedes Mal zusammen, wenn ich das wieder bemerke, aber ich finde den Mut nicht, ihn zu fragen. Wir beide teilen kein Zelt mehr. Keinen Rückzugsort. Kein Zuhause. Er hat sein eigenes und dort sollten sich auch seine Geheimnisse befinden, genau wie sich meine auch hier befinden. Hier, wo er gerade steht, und mich ansieht, als wäre ich die einzige Frau in dem Universum. Als wäre ich die einzig bedeutende Frau im Universum.

„Was hast du erwartet?"

Romere zuckt mit den Schultern. „Ein wenig mehr Abenteuerlust...Lebendigkeit. Ein bisschen mehr von dem, was dich wirklich ausmacht."

Ich traue mich nicht zu fragen, was mich ausmacht. Stattdessen räuspere ich mich und deute auf einen Prospekt auf meinem Küchentisch.

„Wenn du willst, können wir uns etwas bestellen", schlage ich vor. Wenn ich es mir genauer überlege, habe ich schon seit einiger Zeit nichts mehr gegessen und ich sollte dringend wieder etwas zu mir nehmen, bevor ich noch umkippe oder – was noch viel schlimmer wäre – die Kontrolle oder Vernunft über meinen Körper verliere, während Romere hier ist.

„Gerne."

Ich bestelle Chinesisch. Romere lässt den Blick wieder durch meine Wohnung schweifen und geht zu meinem Bücherregal. Er ist dabei nicht zu beirren und ignoriert meinen fragenden Blick dabei gekonnt, weil er wirklich interessiert aussieht. An meinen Sachen. An meiner Privatsphäre. Mir wird wieder mulmig, aber ich verbiete mir, schon wieder auf seine Lippen zu starren. Oder auf seine Hände, an deren Berührung ich mich so gut erinnern kann, als wären sie immer auf meiner Haut geblieben.

„Ich wusste nicht, dass du so auf Poesie stehst."

Romere zieht eine zerfledderte Poesiesammlung aus meinem Regal und durchblättert sie. Hält inne. Hebt seinen Blick. Mein Atem stockt, weil ich genau weiß, was er gerade entdeckt hat, ich aber nicht imstande bin, ihm eine Lüge aufzutischen. Ich war schon nicht in der Lage, ihn davon abzuhalten, dieses Buch aus dem Regal zu ziehen. Vielleicht wollte ein kleiner Teil von mir, dass er sieht, was ich dazugeschrieben habe. Wie sein Name auf diesen Seiten steht, wie oft ich meine eigenen Gedanken zu winzigen Texten hinzufüge und ihnen eine Macht und Bedeutung gebe, die eigentlich vollkommen ungerecht ist, weil ich nicht wirklich wollte, dass sie jemals gesehen werden. Ich schreibe für mich, aber die Verse in diesem Buch sind auch für Romere. Ich wollte vielleicht nicht, dass er diese Intimitäten sieht, aber ich kann sie kaum verstecken, weil sie überall sind. Ich kann nicht so tun, als wären sie nicht hier, denn sie haben sich wie Duftkerzen überall im Raum verbreitet und schaffen eine Atmosphäre, in welcher sie mich gefangen halten.

„Wenige Worte können viel Bedeutung haben", sage ich, weil mir kein besserer Weg einfällt, um die Stille zwischen uns zu überbrücken. Ich kann Romere nicht noch weiter in mein Leben lassen, wenn ich nicht weiß, wie ich sonst auf die Emotionen in seinem Blick reagieren soll.

„Ich verstehe endlich auch, wieso du Callum so gut helfen konntest", murmelt er, während er mit großen Schritten den Raum zwischen uns überbrückt. In seinen Augen herrscht ein Sturm, aber als er mein Gesicht in die Hände nimmt, spüre ich nichts davon, sondern nur die unendliche Sanftheit, die von ihm ausgeht. Er hält mich, als wäre ich kostbar. Er atmet so langsam, so flach, als würde die Zeit damit langsamer vergehen. Vielleicht kann man deshalb kaum mehr atmen, wenn man mit der Person ist, welche man liebt. Man will Momente in die Länge ziehen, kleine Ewigkeiten schaffen und sich davon verschlucken lassen.

„Ich habe gar nicht so viel gemacht", entgegne ich schwach, während meine Hände sich auf seine legen. Ich schließe meine Augen. Nicht, weil ich erwarte, geküsst zu werden, sondern weil ich den Moment vernehmen möchte. Romere lehnt seine Stirn an meine und für einige Minuten lausche ich nur seinen Atemzügen, die sanft über meine Lippen streifen. Aber es ist genug für den Moment, auch wenn mein ganzer Körper konsumiert werden möchte, am liebsten mit Romere eins werden möchte. Ich möchte nur fühlen, wie es ist, Zuneigung zu spüren. Wärme zu spüren, auch wenn gar nicht so viel dafür nötig ist außer wenigen Momenten, die zwischen uns stehen. Bisher habe ich immer geglaubt, dass das, was zwischen uns ist, ein Berg ist, welcher noch schwieriger zu besteigen ist als der Mount Everest. Obwohl der Abstieg komplizierter ist als der Aufstieg. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass es viel eher ein Abgrund ist. Ich kann einstürzen, aber ich kann auch eine Brücke bauen, eine Verbindung. So wie das Band, welches mich immer wieder zu ihm zieht.

Wir lösen uns erst, als es an der Tür klingelt, und unser Essen hier ist. Romere geht zur Tür, nimmt das Essen an und bezahlt, als wäre das seine Wohnung. Ich bin noch zu gebannt, um zu reagieren, aber ich werfe es ihm auch nicht vor, als ich mich wieder gefasst habe. Stattdessen setze ich mich zu ihm an meinen Küchentisch. Romere und ich gehen nicht wieder auf das Gedicht ein, aber an der Art, wie seine Stimme immer wieder weich wird, während er mir Football erklärt, merke ich, dass es ihn nicht kaltlässt.

Was halten wir von Romere und Audrey?

Werden sie es schaffen, die Hindernisse zu beseitigen?

Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat und wir lesen und nächste Woche wieder 💖

Save Me MaybeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt