- Epilog -

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Vier Wochen.

Kommissar Stevens kann nicht glauben, dass Hayden Reed und Hale Dexter bereits seit vier Wochen tot sind. Die Ermittlungen laufen zwar immer noch auf Hochtouren, aber ohne jegliche Hinweise werden Kommissar Stevens und sein Team vor eine Aufgabe der Unmöglichkeit gestellt.

Immer häufiger muss der Kommissar an die Worte von Hayden Reed zurückdenken.

„Hale und ich wurden in einen Spiegel eingesogen und waren in einem Paralleluniversum gefangen. Dort mussten wir einen König töten, um die Menschen von ihrem Leid zu befreien."

Anfangs hat Kommissar Stevens Hayden als traumatisiert und verrückt abgestempelt, doch je mehr Zeit verstreicht, umso mehr freundet sich der Kommissar mit dieser bizarren Erklärung an.

Fehlt nur noch die Antwort auf die Frage, weshalb Hayden und Hale plötzlich tot auf dem Dachboden von Familie Reed lagen.

Auch wenn es dem Kommissar nicht gefällt, spürt er tief in seinem Inneren, dass er keine Antwort auf diese Frage erhalten wird. Zum ersten Mal in seiner 30-jährigen Karriere wird er einen Fall zu den ungelösten Akten legen müssen.

Kommissar Stevens seufzt unzufrieden, als sein verkniffener Blick über den Friedhof wandert.

Wie jeden Samstagmorgen stehen Isabelle, Thomas und Sharleen Reed an dem Grab von Hayden. Nur ein paar Meter weiter trauern Max und Josephine Dexter um ihren verstorbenen Sohn Hale.

Die beiden Familien haben in den vergangenen Wochen unfassbar viel Kummer und Leid erfahren müssen. Kommissar Stevens wünschte, er könnte den Familien zumindest einen Teil ihres Schmerzes nehmen, doch solange er keine Todesursache und keine plausible Erklärung für das Verschwinden der beiden Teenager nennen kann, wird er den Schmerz nicht verringern können.

Enttäuscht über sich selbst wendet sich Kommissar Stevens zum Gehen ab.

Kurz bevor er seinen Oldtimer auf dem Parkplatz erreicht hat, hallt eine japsende Frauenstimme durch die Luft.

„Kommissar Stevens! Warten Sie!"

Außer Atem kommt Sharleen Reed vor dem grauhaarigen Mann zum Stehen. Ihre Wangen sind gerötet, ihre hellen Augen mit Tränen des Verlustes benetzt.

„Wir haben vor einigen Tagen einen Zettel auf dem Dachboden gefunden. Er lag zwischen ein paar Scherben in der hintersten Ecke des Speichers", berichtet Sharleen aufgeregt. „Meine Eltern und ich haben ehrlich gesagt keine Ahnung, was die Worte bedeuten könnten. Auch wenn ich es bezweifele, hilft Ihnen der Zettel vielleicht bei Ihren Ermittlungen weiter."

Sharleen lächelt gequält. Mit zittrigen Fingern drückt sie dem Kommissar einen zerknitterten Papierfetzen in die Hand, ehe sie auf dem Absatz kehrt macht und zurück zu dem Grab ihrer Schwester läuft.

Kommissar Stevens schaut Sharleen Reed noch einige Sekunden hinterher. Es ist erstaunlich, wie ähnlich sie der toten Hayden sieht.

Kommissar Stevens schluckt schwer. Da er merkt, wie sich die ersten verräterischen Tränen in seinen Augen sammeln, faltet er nervös den Zettel auseinander, um sich von seinen dunklen Dämonen abzulenken.

In fein säuberlicher Handschrift steht auf dem Papier geschrieben:

H.R. und H.D.
Gestorben für den Frieden. Gestorben für eine bessere Welt. Gestorben für unser 2096.
H.R. und H.D.
Gestorben als Helden der Ewigkeit!
N.B.

Sobald Kommissar Stevens die wenigen Zeilen überflogen hat, zittern seine Finger so sehr, dass ihm der Zettel aus den Händen gleitet.

Für einen Moment bleibt dem Kommissar die Luft im Hals stecken. Schwindel und Übelkeit strecken ihre Klauen nach ihm aus, weshalb sich Kommissar Stevens kurz auf den Boden hocken muss.

Die Erkenntnis, die wie eine Bombe in seinem Verstand einschlägt, lähmt den Kommissar.

Hayden Reed hat die Wahrheit gesagt.

Eine Wahrheit, die in Kommissar Stevens Ohren so absurd klingt, dass er verzweifelt nach Luft schnappen muss.

Der Fall von Hayden Reed und Hale Dexter ist abgeschlossen – jedenfalls inoffiziell.

Glauben würde dem Kommissar nämlich vermutlich niemand, wenn er sagen würde, dass Hayden und Hale gestorben sind, um die Menschen aus einem Paralleluniversum zu retten.

„Tja", seufzt Kommissar Stevens mit einem verbitterten Lächeln auf den Lippen, während er den Zettel vom Boden aufhebt. „Wie David Bowie einst so schön gesagt hat: Wir alle können Helden sein!"

In einer Zeit nach dir und mirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt