11 - Noch ein Mord

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Die Erschöpfung war Hayden, Novalee und Shade förmlich ins Gesicht gemeißelt, als sie am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang gemeinsam mit Hale, Yamila und Elrik in einer Kutsche saßen, die den fünften Sektor zum Ziel hatte.

Während Novalee bloß zwischen Tür und Angel mitbekommen hatte, dass der fünfte Sektor angeblich einen Anschlag auf König Arvid geplant hatte, tappten Hayden und Shade in der Dunkelheit umher. Beide wussten nicht, warum sie in der Kutsche hockten.

Normalerweise hasste Hayden es, von Ungewissheit umhüllt zu werden, doch an jenem Morgen fühlte sie sich so ausgelaugt und entkräftet, dass sie keine Nachfragen stellte.

Die bösen Blicke von Yamila reichten ohnehin schon aus, um Haydens Kopfschmerzen zu verstärken.

Yamila erging es ähnlich wie Hayden. Ihr Magen rebellierte, elektrisierende Blitze zuckten unter ihrer Haut und ihre Gedanken liefen Amok.

In wenigen Stunden würde ein Krieg ausgelöst werden, bei dem unschuldige Menschen sterben würden.

Yamila wusste, dass das allein ihre Schuld war.

Um Hale zu retten, war sie bereit gewesen, dieses Risiko einzugehen. Nun musste sie die Konsequenzen für ihr Handeln tragen.

Konsequenzen, dessen Ausmaß sich noch niemand vorstellen konnte.

„Kann mir mal jemand verraten, warum wir gerade in den fünften Sektor fahren?", fragte Shade irgendwann müde. Die Stille und die Ungewissheit, die ihn wie ein sanfter Windhauch umgeben hatten, trieben ihn zur Verzweiflung. Hinzu kamen seine fürchterlichen Schmerzen, die unaufhaltsam durch seinen Körper wanderten.

Im Gegensatz zu Hayden und Novalee hatte Shade seine Operation im Nacken sehr schlecht verkraftet. Nicht nur die Narbe brannte wie Feuer, sondern seine rechte Schulter, die vor wenigen Wochen von einem Pfeil durchbohrt wurde, stand ebenfalls in Flammen.

Eigentlich brauchte Shade Ruhe, um seine Verletzungen auszukurieren, doch dafür blieb keine Zeit. Es war sein eigener Wille gewesen, Hayden, Hale und Novalee in den fünften Sektor zu begleiten, denn Shade vertraute Yamila und Elrik nicht.

Aktuell konnten sich Yamila und Elrik zwar nicht an die vergangenen Tage im zweiten Bezirk erinnern, doch das könnte sich jederzeit ändern. Für den Notfall wollte Shade Hayden, Hale und Novalee nicht allein ins offene Messer laufen lassen.

„König Pierce und seine Tochter Prinzessin Liva müssen getötet werden." Das war alles, was Yamila sagte. Der Kloß, der sich bei Shades Frage in Yamilas Hals gebildet hatte, war zu groß, als dass sie ihre Worte hätte weiter ausführen können.

Das schlechte Gewissen nagte immer mehr an ihrem dunklen Herzen.

Yamila kannte Liva aus ihrer Kindheit. Wenn König Pierce und seine damals noch lebende Ehefrau bei König Arvid zu Besuch waren, hatten Hale, Yamila und Liva immer gemeinsam im Schlossgarten Verstecken gespielt.

Mit den weißen Locken und den kristallblauen Augen sah Liva wie ein Engel aus. Auch ihre freundliche, aufgeschlossene und hilfsbereite Art war Yamila positiv in Erinnerung geblieben.

Zu gerne würde Yamila eine andere Königsfamilie töten lassen, aber da König Arvid und König Pierce erst vor wenigen Wochen bei einer geschäftlichen Verhandlung aneinandergeraten waren, war es ein leichtes Spiel gewesen, König Pierce als Verräter darzustellen.

„Töten?", mischte sich nun Hayden in das Gespräch ein. „Warum?" Ein Gefühl des Unwohlseins breitete sich in ihrem Körper aus.

Seit Hayden in dieser fremden Welt gefangen war, war noch kein einziger Tag vergangen, an dem nichts Schlimmes passiert war. Ständig wurden Menschen ermordet oder Kriegspläne geschmiedet.

In einer Zeit nach dir und mirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt