5 - König Arvid

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Hale war furchtbar nervös. Sein Körper zitterte, sein Herz raste und seine Gedanken fuhren Achterbahn mit Loopings.

Eigentlich hatte Hale am Morgen mit dem blondhaarigen Mädchen – mittlerweile wusste er, dass sie Novalee hieß – sprechen wollen, um ihr ein paar Fragen bezüglich der Königsfamilie zu stellen, doch zwei Wachmänner hatten Hale kurz nach Sonnenaufgang einfach aus dem Bett gezerrt und zum Speisesaal geführt.

Hale wusste erst gar nicht, wie ihm geschah, bis ihm einer der Wachmänner erklärte, dass der König mit ihm sprechen wollte.

Begleitet von der Aufregung stand Hale nun in seinem weißen Schlafgewand vor dem Speisesaal und wartete darauf, dass ihm jemand die riesige Tür öffnete.

Schwindel und Übelkeit kämpften in Hales Körper um die Oberhand, während er warten musste. Hale hatte keine Ahnung, was er dem König sagen sollte, geschweige denn wie er sich ihm gegenüber zu verhalten hatte.

Im Grunde genommen wusste Hale absolut gar nichts über König Arvid.

Am Vortag – dem Tag der Hochzeit – hatte Hale leider auch keine neuen Informationen über seinen Aufenthaltsort, seine derzeitige Situation oder die Königsfamilie in Erfahrung bringen können.

Novalee hatte ihn bloß in sein Zimmer begleitet und ihm ein heißes Schaumbad eingelassen. Danach war das braunhaarige Mädchen mit den gefährlich blitzenden Augen aufgetaucht, allerdings hatte Hale sie relativ schnell wieder abwimmeln können.

Hoffentlich konnte Hale heute einige seiner Fragen mit Wissen stillen.

„Der König ist jetzt bereit, um mit Ihnen zu sprechen, Eure Hoheit", ließ die tiefe Stimme eines Wachmannes Hales Gedanken zu Staub verpuffen. Im Einklang mit seinen Worten öffnete der Mann die riesige Tür und gab somit den Blick auf einen pompösen Speisesaal frei.

Hale musste schwer schlucken.

Der Speisesaal war mindestens so groß wie eine ganze Wohnung. Bodentiefe Fenster, die mit goldenen Schnörkeln verziert waren, ließen sanftes Licht in den Raum fallen, wohingegen die weißen Fliesen mit einem roten Teppich, auf dem sich die Reflexionen der diamantenbesetzten Kronleuchter widerspiegelten, ausgelegt waren.

In der Mitte des Saals war eine lange Tafel aus dunkelbraunem Holz aufgestellt, an der mindestens 30 Menschen Platz nehmen konnten. Die weinrote Tischdecke, die Hale an Blut erinnerte, war mit Kerzen, Blumen und bunten Strasssteinchen verziert.

Der Kloß in Hales Hals wurde immer größer.

War es wirklich eine gute Idee gewesen, die Identität des Prinzen anzunehmen? Zwar war er Prinz Hale Dexter dem Ersten wie aus dem Gesicht geschnitten – das hatte ihm ein Gemälde im Treppenhaus verraten – aber ein und dieselbe Person waren sie ganz bestimmt nicht.

Was, wenn der König merken würde, dass Hale bloß ein Betrüger war? Würde er ihn dann in den Schlosskerker werfen? Oder noch schlimmer: Würde er Hale töten lassen?

Am liebsten hätte Hale auf dem Absatz kehrt gemacht, um das Schloss fluchtartig zu verlassen, doch dafür war es nun zu spät.

„Mein Sohn", schallte nämlich in genau dieser Sekunde die mächtige Stimme des Königs durch den Raum. „Komm und setz dich zu mir."

Die graublauen Sturmaugen von König Arvid verfolgten jede noch so kleine Bewegung von Hale. Er konnte seinem Sohn an der blassen Nasenspitze ansehen, wie unwohl er sich fühlte, doch das war König Arvid egal.

Hale musste nun Verantwortung für seine Fehler übernehmen.

Wäre König Arvid am Vortag nicht noch auf einer geschäftlichen Reise in einem anderen Sektor gewesen, hätte er seinen Sohn schon gestern zur Rechenschaft gezogen.

In einer Zeit nach dir und mirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt