Kapitel 2 I Scherze

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"Ich sagte doch, dass ich nichts damit zu tun habe!" Genervt ließ sich Elisabeth in den Stuhl fallen, nachdem sie wütend aufgesprungen war.

"Es können nur Sie sein. Bitte, ersparen Sie uns doch einfach diese endlosen Beweisaufnahmen, Ermittlungen und Berichte!" Kommissar Kurt war unnachsichtig, nachdem er den halben Tag lang im Pyjama mit Tomaten und anderen Dingen beworfen wurde.

"Wieso denken Sie nicht, dass jemand anderes die Leiche einfach in meinem Garten abgelegt hat?" Ein letzter Hoffnungsschimmer, noch vor dem Abend aus der Polizeiwache herauszukommen und somit die Chance, den Mörder zu finden, glühte in Elisabeth auf.

"Wer? Dass nur ihre Spuren an der Leiche sind, beweist alles eindeutig. Oder soll eine Hexe alles so arrangiert haben?" Der Kommissar lachte trocken, so wie auch sein Kollege.

"Ja! Ich bin eine Hexe! So wie auch die Frau, die ich umbringen wollte. Doch nun wird sie innerhalb von zehn Tagen auferstehen und an jedem Rache nehmen, der nach ihrem Tod in ihrer Nähe war!" Diesen Scherz konnte sich Elisabeth nicht verkneifen.

Der Kommissar wich verschreckt zurück und wandte sich an seinen Kollegen: "Hubert, ruf den Pathologen an! Er muss unbedingt darauf aufpassen."

Zu spät bemerkte er, dass alles nur ein Scherz war und sein Kollege war schon davongeeilt. Elisabeth kicherte erst, dann lachte sie aus voller Seele. Sie hätte niemals geglaubt, dass jemand ihr ihre Scherze abkaufen würde, erst recht kein Polizist. Aber ihre beste Freundin war immerhin seine Tochter und ihre Intelligenz reichte auch nicht viel weiter, wie Elisabeth dachte. 

"Das ist nicht witzig!" Der Kommissar stürmte davon, um seinen Kollegen vor der größten Blamage seines Lebens abzuhalten.

Elisabeth konnte es wirklich nicht fassen. Doch trotz allem durfte sie nicht den Ernst der Lage vergessen. Sie holte den Zettel aus ihrer Manteltasche. Diese kleine Rose über dem "I". Wo hatte sie die schon gesehen? Es fiel ihr partout nicht ein.

Sollte sie den Zettel abgeben? Doch was würde es bringen? Die Polizei würde nur denken, dass sie selbst den Zettel geschrieben hatte, damit war sie dann ihre größte, eigene Spur los. Nein, sie musste ihn unbedingt behalten. Doch leider konnte sie nicht ermitteln, solange sie hier festsaß. Doch wie würde sie hier herauskommen? Einfach davonrennen? Nein, das würde ihre Chancen nur verringern. Doch nichts tun kam auch nicht infrage. Elisabeth stützte ihren Kopf auf den Händen ab und blickte nach vorne, während der Kommissar schon auf dem Weg zurück in das Verhörzimmer war.

"Beamtenbeleidigung, jawohl! Das ist unerhört, was sie tun!" Sein Gesicht lief rot an und sie konnte sich ein Grinsen nicht mehr unterdrücken.

"Ich dachte wirklich nicht, dass sie das glauben, was ich sage. Tut mir leid." Sie gab sich die größte Mühe, schuldbewusst zu wirken, doch es funktionierte nicht so recht. Der Kommissar seufzte. Sein einziges Ziel war, diesen Fall so schnell wie nur möglich abzuschließen, doch diese sture, junge Frau machte ihm nun einen Strich durch die Rechnung. Nun kam auch sein Kollege wieder. Beschämt wagte dieser nicht einmal, seinen Kopf zu heben. 

"Ich bitte Sie doch nur, dass Sie einfach gestehen! So schwer kann das doch nicht sein."

"Und ich bitte sie nur zu verstehen, dass ich niemanden umgebracht habe. Punkt. Aus. Ende." Viele Menschen hätten sich nicht erlaubt, so mit der Polizei zu reden, aber da sie schon einige Male bei ihm und seiner Tochter, ihrer besten Freundin, zu Abend aß, gab sie sich nicht mehr so viel Mühe, vorsichtig das richtige Argument zu finden. Dass sie wie eine richtige Verdächtige behandelt wurde, störte sie massiv. 

Plötzlich klingelte sein Telefon und nachdem es nach wenigen Sekunden immer noch nicht aufhörte, entschloss Kommissar Kurt sich, heranzugehen. "Melanie? Was ist los? Ja, ich bin auf der Arbeit und habe absolut keine Zeit, mit dir zu reden. Ja, ein Mordfall. Ja, nach über zwanzig ruhigen Jahren in der Stadt." Aufmerksam lauschte Elisabeth. Wieso hatte Melanie bloß angerufen?

"Nein, wir verhören sie gerade. Nein, das ist nicht möglich. Natürlich ist sie die Mörderin! Aber ..." Das Telefon piepte und er schmiss es wütend auf den Tisch. Sein Blick wanderte gehetzt zu der Uhr.

"Also ... gestehen Sie nun endlich oder nicht?"

"Nein!" Elisabeth dachte nicht im Geringsten daran, einfach nachzugeben. Irgendetwas musste Melanie mit ihm besprochen haben und sie würde mit ihrem Leben darauf wetten, dass es dabei über sie ging.

"Dann gebe ich Ihnen noch neun Minuten Zeit. Dann ... dann bringen wir Sie in die Folterkammer." Er sah noch einmal prüfend zum Mikro herüber, das jedoch immer noch abgeschaltet war. Glaubwürdig klang er dennoch nicht.

"Sie haben hier keine Folterkammer, sondern nur zwei Verhörzimmer, ein Vorzimmer, ein paar Räume für die Angestellten und die Toilette. Erinnern Sie sich etwa nicht, dass sie mich und Melanie nach der Schule so oft hierher gebracht haben, bis meine Mutter kam und mich nachhause gebracht hat? Ich kenne mich also blendend aus", meinte Elisabeth triumphierend.

Nervös kratzte sich der Kommissar am Kopf. Wie sollte er sie doch noch zu einem Geständnis bringen? Doch das musste er irgendwie. Nach etlichen Minuten des Schweigens brach Elisabeth die Stille: "Was wollte Melanie denn von Ihnen?"

Er blickte wieder zur Uhr an der Wand: "Sie kommt in wenigen Minuten, besser Sie machen sich schon auf den Weg nach draußen. Solange Sie kein Geständnis ablegen, hat es sowieso keinen Sinn, Sie hierzubehalten, noch dazu ohne eindeutige Beweise."

Leise seufzte er. Wieso konnte Elisabeth nicht einfach alles gestehen, er damit den Fall zu den Akten legen? Es würde alles doch nur vereinfachen. Aber nein, natürlich musste auch noch seine Tochter darauf bestehen, sie freizulassen. Gedankenverloren bemerkte er, wie seine Hauptverdächtige aus der Tür spazierte, als wäre sie nur zu einer Routinebefragung gekommen.

Elisabeth währenddessen war auf dem Weg nach draußen, jedoch nicht halb so ruhig, wie sie vorgab. Wieso hielt man sie für eine Mörderin? Woher wusste Melanie, dass sie in der Polizeiwache war? Und wieso hatte Melanie sie herausgeholt? Soweit sie wusste, war niemals Verlass auf Melanie gewesen, sie kam immer zu spät, oder überhaupt nicht. Also wieso jetzt? Doch das alles waren längst nicht ihre größten Probleme, nein, ihr größtes Problem war immer noch die Suche nach dem Mörder.

"Stimmt was nicht?", Melanie war so fröhlich wie immer.

"Außer dass ich in der letzten Stunde eine Leiche in meinem Garten fand, mit Lebensmitteln beworfen wurde, des Mordes bezichtigt wurde und nun in meinem Mantel mit rosa Plüschschuhen durch den Flur einer Polizeiwache spaziere, stimmt alles", wurde sarkastisch erwidert.

"Die Plüschschuhe sind wirklich ein Problem. Du solltest dir neue in violett besorgen, diese Farbe würde dir besser stehen."

Fassungslos starrte Elisabeth Melanie an. Von allem, was sie erwähnt hatte, waren nur die Plüschschuhe ein Problem? Und das nur, weil die Farbe nicht mehr so besonders zu ihr passte? Sie kannte wirklich nur eine Person, die bei einem Mord noch an das Aussehen kannte und fragte sich manchmal, wie ihr Vater ein Polizist wurde und ihre Mutter die Universität absolviert haben konnte.

"Fahren wir?"

"Aber gerne." Das seltsame Lächeln von Melanie bemerkte Elisabeth nicht mehr, als sie eingestiegen war, sowie auch das Funkeln in ihren Augen. 

Zum Mord bestimmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt