"Ich werde definitiv niemals mit meiner Freundin abhängen. Nie im Leben!", dachte Elisabeth sich, "Nicht nach diesem Tag."
Ihr Blick wanderte nach oben, wo jemand vom Baum herunterhing. Nach diesem 'Abhängen' war ihr aber wirklich zumute, auch wenn sie sich sonst so gerne entspannte. Aber von Bäumen tot herunterzuhängen, war selbst für sie etwas geschmackslos.
Doch wenigstens ging sie diesmal nicht ins Haus zurück. Nein, nachdem sie die halbe Nacht über die Ereignisse geweint hatte, war sie halbwegs gewappnet. Doch trotz allem begannen ihre Beine zu zittern und ihre Gedanken in einen Strudel zu versinken.
Wer konnte so etwas nur tun? Kein vernünftiger Mensch, so viel war schon mal klar. Doch gab es noch vernünftige Menschen? Wie weit würde dieser wahnsinnige Killer noch gehen? Was ist zu tun? Ihre nicht enden vollenden Gedanken kreisten um sie herum und schlossen sie in sich ein.
Wieder schwenkte ihr Blick zu der baumelden Person, die wie ein Windspiel da hang und eine stetige 'Melodie' von sich gab. Das Rauschen der Leiche im Wind. Das würde mal Schlagzeilen geben. Doch wie bekam sie diesen Menschen von ihrem Baum gehoben, noch ohne dieses Mal verdächtigt zu werden?
Zur Polizei gehen oder zuhause bleiben? Eins war schlimmer als das andere. Doch was war wohl das Schlimmste? Wieder sah sie nach oben. "Hilfe!", ihre Stimme durchquerte die halbe Stadt, so kam es, dass sich fast alle aus der Nachbarschaft innerhalb von Minuten vor dem Tor ansammelten. Diesmal würde sie nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Wozu denn? War es etwa nicht schlimm genug, dass eine Leiche von ihrem Baum herunterhang? Nein, hoffentlich würde so alles besser laufen.
Als die ersten Menschen ankamen, sah sie den zornigen Ausdruck in ihren Gesichtern. Was stimmte mit ihnen nicht? Wieso waren sie so wütend auf sie? Die Leiche hing immerhin in IHREM Garten!
"Mörderin!" Eine Frau wagte sich nach vorne und begann, Tomaten nach Elisabeth zu werfen.
"Sie werden uns alle töten! Einen nach den anderen. Und das sollen wir zulassen?" Hilflos sah Elisabeth sich um, während Gegenstände auf sie niederieselten. Doch keiner dieser Dinge bereitete ihr einen solchen Schmerz, wie ihr Herz es tat. Wieso glaubte ihr Dorf ihr nicht? Wieso hielten sie alle für eine Mörderin? Wieso tat nur jemand so etwas grausames, wie zwei Leichen vor einer fremden Haustür ablegen? Wer war bitte dieser wahnsinnige Killer?
Die ersten Menschen begannen über den Zaun zu klettern, während der wenig dekorative Baumschmuck im Wind hin- und her wehte. Mit erst vorsichtigen, dann immer schnelleren und festeren Schritten lief sie nach hinten. Wie hatte es jemals so weit kommen können, dass sie fortlaufen musste? Was ist denn passiert? Immer noch gab es so viele Rätsel.
Ihre dünnen Schuhe klapperten auf dem Asphalt während sie durch die Straßen lief. Erst jetzt spürte sie die Kälte, die davor kaum anmerkbar war. Wo war bloß dieser verdammte Polizist? Des Mordes beschuldigen, ja, das konnte er. Aber ihr helfen? Nein! Wo sollte sie denn hin? In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass selbst eine Zelle besser Aussichten für sie hatte, als ihren Nachbarn zu begegnen. Sogar das Schlimmste war zum Besten geworden ... also wie sollte es nun weitergehen?
Elisabeths Blick wanderte durch die leeren Straßen. Kaum ein Geräusch war zu vernehmen. Vermutlich krempelten ihre Nachbarn gerade das gesamte Haus um. Plötzlich ertönte die Hupe eines stehenden Autos und sie schnellte herum.
"Wer ist da?" Panik kam in ihr auf. Wer war das bloß? In dieser Stadt konnte es dabei kaum eine gute Variante geben ...
"Elisabeth! Erkennst du deine beste Freundin nicht mehr?" Melanie stieg aus dem Auto.
"Du musst wohl länger hier gewartet haben."
"Oh nein! Ich muss wohl kurz nach dem Einparken eingenickt sei." Eigentlich war diese Straße kaum befahren und - und der einzige Weg von ihrem Haus, wenn man nicht durch das Gartentor möchte. Was machte Melanie also hier? Dass sie einfach hier eingeschlafen war, glaubte Elisabeth ihr nicht. Aber vielleicht wusste ihr Vater von dieser Aktion vor dem Zaun und hatte sie deshalb hier hin geschickt. Ja, so musste es geschehen sein. Mit großer Mühe versuchte sie, eine plausible Erklärung zu finden.
Lange Zeit danach schwiegen beide, doch Elisabeth bemerkte das kleine Funkeln in Melanies Augen nicht. Das Funkeln, welches eine unglaubliche Wut in sich ausdrückte. Was es wohl damit auf sich hatte? Gegen wenn war diese Wut gerichtet? Und was gab es, das Melanie ihr verschwieg?
"Und, was machst du?" Melanie versuchte, das Gespräch wieder aufleben zu lassen.
"Vor meinen Nachbarn und dem undekorativen Baumschmuck davonrennen."
"Baumschmuck?"
"Die neuste Leiche in meinem Garten. Das wird wohl auch nicht die letzte bleiben." Elisabeth seufzte.
"Noch lange nicht die letzte." Melanies Kommentar machte sie stutzig. Woher konnte sie das wissen? Bestimmt war alles nur eine Ahnung.
"Vielleicht kann ich aber bald zu meinem Haus zurückkehren."
"Ja vielleicht. Tschüss!", verabschiedete sich Melanie. Es herrschte eine Stimmung zwischen den beiden, die es noch nie gab. Nachdenklich sah Elisabeth ihr nach. Was war wohl mit ihr los? Normalerweise spann sie ja nicht so herum. Aber egal.
Nachdem sie ein wenig durch die Straßen marschiert war, kehrte sie der Nachbarschaft, vor welcher sie sich verstecken wollte den Rücken und ging Nachhause, kaum jemand war mehr vor dem Haus zu sehen und die Leiche war schon weg. Hauptsache sie hatte ihre Ruhe. Sie schloss die Tür hinter sich und atmete tief ein, kurz bevor sie in Tränen ausbrach.
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Zum Mord bestimmt
Mystery / Thriller'Du bist zum Mord bestimmt. Du weißt es, Elisabeth', mit diesem einen Zettel fing alles an. Elisabeth versteht nichts, bis plötzlich eine Leiche vor ihrem Haus liegt. Jemand will ihr die Morde unterjubeln, doch wer ist es? Sie weiß nicht mehr, wem...