Kapitel 27 I Beste Freundinnen

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Elisabeth konnte es nicht fassen, es durfte nicht wahr sein! Melanie war doch ihre Freundin! Tränen rollten ihr über das Gesicht. 

"Ich sagte doch, dass jemand in unserer Asservatenkammer ist! Ich habe jemanden gehört!" Das Schloss knackte, als jemand den Schlüssel darin drehte. 

Wo sollte sie sich verstecken? In der Eile würde sie nicht so schnell aus dem Fenster kommen. Sollte sie sich verstecken? War aufgeben nicht besser? Kommissar Kurt und sein Assistent kamen in den Raum. 

"Sehen Sie? Das Fenster ist offen! Das war bestimmt diese seltsame Frau Grandler." Der junge Bursche konnte sich kaum einkriegen vor Nervosität.  

Elisabeth biss sich auf die Unterlippe. Würde man sie hinter dem Regal erkennen? Wenn sie doch schon richtig geraten hatten! Was würde wohl geschehen? Schlimmer konnte es nicht mehr werden! 

Nachdem sich beide gut umgesehen hatten, gingen sie wieder hinaus. Der Assistent beschwerte sich so laut, dass man deutlich merkte, wann sie davongingen. Nachdenklich stand sie wieder auf. Sie war der Polizei einen weiteren Tag entronnen, doch wie lange noch? Was machte diese Jagd noch wert? 

Ihre Finger wanderten über die Regale mit dem Beweismaterial. Ein Beweis fehlte selbst ihr für die Lösung. Noch ergab nicht alles seinen Sinn, doch schon sehr viel. So oft war sie in die falsche Richtung geeilt, hatte sich in ihren Gedanken verrannt und nur auf das verlassen, das logisch schien. Doch nun war nichts mehr logisch. Ihr schien der Boden unter den Füßen weggerissen worden zu sein. 

Beste Freundinnen. Jahrelang hatte sie an das gegenseitige Vertrauen, das Für-einander-da-sein und an die ewige Wahrheit geglaubt. Doch nun schienen beide ihrer Freundschaften unter einem zusammenstürzenden Lügengebilde begraben zu sein. Alles schien zerstört zu sein, nichts schien mehr zu existieren. Wieso hatte Melanie gelogen? Wieso hatte sie all das getan? Was hatte sie nur dazu gebracht einen Menschen zu töten? Was hatte sie nur dazu gebracht, Elisabeth ermorden zu wollen? 

Selbst wenn es zwei Personen sein könnten, so deutete doch jedes Detail auf Melanie hin. Jede Spur, die irgendwo anders hin führte, schein im nicht zu enden. Wieso wurde sie zur Mörderin? Sie hatte doch alles! Sie hätte doch jederzeit Elisabeth fragen können! Sie waren doch Freundinnen! 

Wütend stampfte Elisabeth den Weg von Kommissariat bis zu Melanies Haus entlang. Eigentlich war es nicht Melanies Haus, sondern das ihres Vaters. Ihres musste sie schließlich wegen ihren Schulden an Elisabeth verkaufen. Wieso nur das alles? Mord konnte doch nicht der einzige Ausweg aus den Schulden sein! Man konnte doch nicht einfach seiner besten Freundin mit einem Lächeln ins Gesicht lügen, während man gemeine Intrigen spinnt! 

Man konnte seiner besten Freundin nicht mit einem Lächeln ins Gesicht lügen. Doch, das konnte Melanie. Immer ihr puppengleiches Gesicht, die perfekte Frisur und eine Mischung aus Ballkleid und halber Garderobe. Doch niemals ein echtes Lächeln. Von einer Sekunde auf die andere ihre Mimik wechseln, ja, das konnte die gerissene Blondine. Sie war längst nicht so blöd, wie alle dachten. 

Beste Freunde. Das waren Kira, Melanie uns sie. Eine Wahnsinnige, die nun für unzurechnungsfähig erklärt wurde und für suizidgefährdet, eine kaltblütige Mörderin mit einem Puppengesicht und Elisabeth. Doch wer war Elisabeth? 

Elisabeth. Früher konnte sie in den Spiegel sehen und sich klar definieren. Die junge Studentin mit durchschnittlichem Abschluss, einem gewöhnlichen Kleidungsstil und naivem Charakter. Die junge Dame, die mit Gutgläubigkeit auf die Welt blickte und Vertrauen zurückbekam. Sorgen hatte sie nie, nicht, wie so viele andere. Natürlich hätte besser sein können, wie Kira, die trotz ihrer perfekten Noten nicht weiterlernen konnte, sondern allein das Geld für den Unterhalt aufbringen musste. Natürlich hätte sie schöner sein können, wie Melanie, die in jedem Stil einfach glänzen konnte und auf jeder Bühne die Blicke auf sich zog, nun doch in einen Strudel aus Mord in Intrigen geraten war. Doch Elisabeth war immer auf den absoluten Durchschnitt bedacht. Die graue Maus, die man meistens übersah. Jetzt blieb ihr nicht einmal das übrig. 

Was blieb denn noch? Alles lag in Trümmern. Vor einigen Tagen schien der einzige Ausweg die Wahrheit, doch würde sie nun helfen? Die Tochter des Polizisten eine Mörderin. Besser konnte es wirklich nicht kommen. Die Wahrheit würde sie nirgendwohin führen. Oder doch? 

Elisabeths wütende Schritte hämmerten über den Asphalt. Nein, sie konnte sich nicht beruhigen! Wenn sie eins hasste, dann waren es Lügen. Doch wie würde Melanie bei ihrer Ankunft reagieren? Selbst wenn sie Elisabeth umbringen würde, diese interessierte es nicht mehr im Geringsten. Denn was blieb schon übrig, für das es sich zu leben lohnte? Nichts, wie es schien. Nichts. 

Zum Mord bestimmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt