Kapitel 5 I Zettel

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Elisabeth wachte auf und ihr Schädel dröhnte. Die halbe Nacht hatte sie hin und her überlegt, wen sie hätte anrufen können, doch es fiel ihr niemand ein. So lag sie nun, halb aufgerichtet, quer auf dem Fußboden. Nicht gerade der bequemste Platz, aber sicherlich besser als eine Attacke ihrer Nachbarn. 

Vorsichtig drehte sie sich etwas und zog an ihrem Fuß. Mit einem heftigen Ruck kam sie endlich frei und der Schrank fiel mit einem ohrenbetäubenden Krach auf den Fußboden. In der Nacht musste er sich wohl etwas gelockert haben. 

Mit einem schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie sich den Knöchel. Von einem Albtraum war sie nun in die Realität gestoßen, die leider nicht ein wenig besser war. 

Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, humpelte sie bis zur Tür und befreite diese von ihrem Bett. Was wollte der Mörder gestern bloß hier? Sollte sie etwa die letzte in der Mordreihe sein? Ein kalter Schauer jagte ihr über den Rücken. 

Am Ende der Treppe, die sie nur mit Mühe hinter sich bringen konnte, fand sie ein Stück Papier vor sich. 

"Du bist zum Mord bestimmt. Du weißt es, Elisabeth." Immer noch fragte sie sich, wer diese Handschrift mit der Rose über dem "I" hatte, denn bisher hatte sie solch etwas nur einmal gesehen, ohne zu wissen, bei wem. Diese kleine Rose des Teufels, woher sie auch immer kam, war nicht das, was Elisabeth gerne sehen wollte. 

Voller Wut zerknüllte sie den Zettel und warf ihn weit weg von sich. Was hatte es mit diesen Nachrichten auf sich? Wieso machte sich ein Mörder mit solchen Kleinigkeiten solch eine große Mühe? 

Gedankenverloren trat sie in die Küche ein. Als ihr Blick hochwanderte, erbleichte sie. Wieder dieselben Worte, diesmal in rot auf der Wand. Es würde Stunden dauern, sie abzuputzen! Dann trat sie näher und sah sich die Farbe genauer an. 

"Lippenstift. Burgunderrot", meinte sie verwirrt. Sie kannte die Farbe nur deshalb so gut, weil Melanie schon seit Jahren damit durch die Gegend lief. Unbedingt musste Elisabeth sie fragen, wer außer ihr noch diese Farbe trägt. Dann war es aber eine Mörderin? Oder waren es gar zwei? Burgunderrot. Wer fiel ihr sonst noch ein, der diese Farbe mochte? 

Anschließend machte sie sich auf den Weg in die Küche, um zu sehen, ob noch irgendwo im Haus solch eine Unordnung wie in ihrem Zimmer herrschte. Die Küche war blitzeblank, nur ein riesengroßer Felsen aus Metall, oder was auch immer das war, stand mitten im Weg. Von allen Seiten begutachtete sie das seltsame Ding, bis sie näherkam. 

"Verdammt!" Ihre Halskette klebte förmlich an dem Ding auf dem Flur. Sie zerrte, doch es brachte nichts. Ein Magnet! Natürlich! Damit hatte der Mörder wohl auch ihren Schrank bewegen können. Doch in der Eile hatte er oder sie sicherlich nicht diesen Magneten mitnehmen können. Wie sollte man aber auch dieses mehrere Kilogramm schwere Ding die Straße hinunterziehen. Immer mehr verfestigte sich die Theorie, dass es zwei waren. Zwei Komplizen mit nur einem Ziel. Sie als Mörderin dastehen zu lassen. Doch wer hatte was davon? 

So wütend wie sie war, hätte sie am liebsten gegen den Magneten getreten, doch auf einem Fuß konnte sie gerade nicht stehen. So begnügte sie sich damit, wüst vor sich herum zu schimpfen. Ihr gutes Benehmen konnte auch einmal eine kleine Pause machen. 

Erst diese Zettel, dann die Leichen und nun dieser riesige Magnet. Es behagte ihr gar nicht, dass jemand Fremdes in ihrem Haus herumspazierte und alles tat, was er nur wollte. Das musste aufhören! 

Elisabeth hockte sich neben den Magneten auf den Boden. Wie würde sie nur jemals aus allem herauskommen? Wie? Denn jetzt gab es noch keinen sichtbaren Ausweg. Und jede Spur würde nur weiter in die Hölle der Verwirrung führen ... 

Zum Mord bestimmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt