Kapitel 21 I Rache?

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"Lass Blut fließen, doch lass es nicht meines sein. Der Schein trügt diesmal nicht allein. Zerstörung durch meine Adern fließt. Zerstörung, die genug für alle misst. Wir werden und bald wiedersehen. Am Todestag, ach wird das schön", summte Kira vor sich hin. Das Lied, das sie schon in der Krippe gehört hatte faszinierte sich von Anfang bis Ende. Heute war ihr großer Tag.

"Kira Schumacher aus dem Gefängnis geflohen! Braunes Haar, grüngelbe Augen, blasse Haut. Trägt einen weiten Pulli und sehr große Hosen. Wenn Sie sie sehen, bitte die Polizei rufen."

Lachend sah sie den Zettel an. Wie konnte die Polizei bloß glauben, sie ein zweites Mal zu fangen? Nein, diesmal war sie gewappnet. Niemand würde ihr im Weg stehen. Elisabeths rosafarbene Gardinen waren schon von weitem erkennbar. Wieso musste sie Kira auch an die Polizei verraten? Ungezogenes, kleines Ding.

Wieder summte Kira ihr schönes Lied. Jede einzelne Note ließ ihre Finger zucken und das Messer bohrte sich in ihre Handfläche. Jahrelang hatte sie sich zusammengerissen, hatte sich bemüht, freundlich zu sein, auch wenn es selten funktionierte. Doch nun? Nun hielt sie doch jeder für eine Mörderin! Sie konnte in Ruhe sie selbst sein. Es war trotz allem die fröhlichste Zeit ihres Lebens.

Die Kiesel unter ihren Füßen knirschten, als sie durch das Gartentor trat. Diese kleinen Kiesel. Wie lange hatte sie sich gefühlt, als würde genauso wie auf diesen Steinchen auf ihr getreten worden. Wie lange war sie gegen die Absperrung geknallt, nur um wieder unter die Füße der Menschen zu geraten? Selbst Elisabeth hatte es nie interessiert. Selbst ihre angeblich beste Freundin sah in ihr immer nur den Zeitvertrieb, im Kampf konnte sie nie auf sie zählen. Diesmal würde sie aber nicht nachgeben und den Kiesel spielen. Es war an der Zeit für Elisabeth, die Realität zu begreifen.

Die Tür knarrte, als sie dagegen drückte. Wie gerne hätte sie das Holz zersplittern gesehen, doch das durfte sei nun nicht. Sie musste ihren Kampf gegen Elisabeth gewinnen. Sie musste!

Das Messer schnitt immer tiefer in die Haut. Immer größere Blutrinnsale ergossen sich über die Fingerspitzen auf den Boden. Das monotone Tropfen nahm sie in seine Mitte. Sie konnte niemals verlieren, es machte sie wahnsinnig. Und ausgerechnet gegen diejenigen zu verlieren, den sie doch jahrelang traute, war schmerzhaft.

"Lass Blut fließen, doch lass es nicht meins sein ..." Das Lied war das einzige, was sie als Andenken von ihren Eltern noch hatte. Aber das wusste Elisabeth nicht. Sie fragte nie. Zwei Jahre war das her und keiner hatte sich überhaupt dafür interessiert. Tolle Freundinnen waren das! Und nun glaubten sie, dass sie die Verräterin war? Ihr Lächeln wurde grimmig. Sie brauchte keine Freundinnen, die sie nie unterstützten. Ihre Eltern waren genug gewesen. Doch waren sie verstorben.

Mehrere Tränen machten sich auf den Weg über ihre Wangen zum Kinn hinab. Ihre Trauer, die sie immer in sich hineinfraß hatte sich in eine rasende Wut verwandelt. Sie würde nicht vor der Haustür stehenbleiben! Nein, sie würde Elisabeth auslachen und sie voller Schmerzen einfach in der Ecke liegen lassen. So wie diese es früher getan hatte. Nie hatte Elisabeth etwas verstanden! Ein simpler Schnitt in den Finger bedeutete den Weltuntergang! Oh, wie sehr hasste sie doch doch dieses Getue um nichts!

Die Stufen erbebten unter ihrer harten Tritten. Nachgeben sollten sie! Nachgeben! Nicht einmal Fröhlichkeit empfand sie. Nein, nun würde alles zu Ende sein. Alles!

Nun stand sie vor der Tür. Sie bemühte sich eines Lächelns, doch diesmal gab ihr nicht einmal die Freude der Rache eins. Würde sie Elisabeth wirklich töten? Selbst Kira wusste es nicht mehr so genau, doch ihr Wunsch nach Rache blieb derselbe ... 

Zum Mord bestimmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt