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Hunter

Hunters Handy zeigte ihm eine neue Nachricht.

Hab dir die Fotos von heute gesendet. Lad sie hoch.

Er stöhnte auf. Er wusste, dass soziale Medien das A und O der modernen Künstler waren, aber die Pflege der zahlreichen Accounts ging ihm auf die Nerven. Insta, Facebook, Twitter und wie sie alle hießen. Vielleicht war es doch an der Zeit jemanden einzustellen, der sich in seinem Namen darum kümmerte.

Aber dann würde er Fotos weiterleiten, Termine abgleichen und Beiträge freigeben müssen. Eine echte Erleichterung wäre das jedenfalls nicht. Er würde sich also wohl oder übel weiterhin selbst darum kümmern.

Immerhin konnte man die meisten Accounts mit ein paar Fotos bestücken und bis auf einen Satz gänzlich auf irgendwelches Gerede verzichten. Hunter öffnete seinen privaten Mailaccount und fand die Fotos von Inez. Sie schwamm in einem Pool.

Hübscher Ausblick, antwortete er ihr, nachdem er das Foto bei Insta hochgeladen und mit einem lässigen, und vor allem kurzen, Spruch versehen hatte.

Beim Schließen der App stellte er fest, dass die Anzahl seiner Follower erneut gestiegen war. Eine hohe vierstellige Zahl stand neben dem kleinen Herzsymbol. Hunter öffnete die App erneut. 7315 an einem Tag. Nicht schlecht.

Er klickte auf das Herz und sah sich die Neuigkeiten an. B.island07, moonice__g und lauradz105 folgen dir jetzt. Die Liste war unendlich lang und neben jedem Namen war die Vorschau einer schönen jungen Frau zu sehen. Gelangweilt scrollte er weiter, unsicher wonach er eigentlich suchte.

Sein Blick blieb an einem Namen ohne Zahlen und Sonderzeichen hängen. Fionosa. Daneben sah er ein Foto eines Schattenbildes. Er klickte das Profil an und sah diverse Fotos eines Kleinstadtlebens.

Zwei blonde Kinder, eins davon offensichtlich ein Mädchen; ein paar Bilder mit frischem Misfit-Gemüse, an dem noch Erde klebte; eine schlafende Katze; ein Puppengesicht mit dicker Farbe im Gesicht und ein Teller Plätzchen neben drei hohen Türmen aus Marmeladengläsern.

Fasziniert scrollte er den Verlauf hinunter. Ein Foto von einer langen Reihe Liköre stand ganz selbstverständlich zwischen dem Schnappschuss eines Kleinkindes auf einem Fahrrad und den Reflektionen der Familie in einer Weihnachtsbaumkugel.

Ein Foto seines Bourbons würde sich in dieser Reihe gut machen. Er lachte und sah genauer hin. Die Gesichter der Mädchen waren auf keinem Foto zu erkennen. Weder auf der Schaukel, noch im Sandkasten, im Fahrradanhänger oder in so einem Schal, mit dem Mütter sich Babys vor den Bauch banden. Selbst das Gesicht der Mutter blieb verborgen.

Alles, was man diesen Fotos entnehmen konnte, waren der Standort und ein paar witzige Hashtags. Die Hastags waren sicherlich nicht dafür ausgelegt, Follower anzulocken. Sie waren eher untypisch: Hermitdengeschenken, dastimmtdochwasnicht, undjadaskindhateinensonnenhut.

Mit welchen Absichten postete jemand Fotos, wenn er nicht darauf aus war, ein großes Publikum zu erreichen? Hunter schloss die Augen und atmete tief durch. Schluss mit diesem Quatsch. Er würde schnell bei Facebook nach dem Rechten sehen und sich dann den wichtigen Dingen des Lebens widmen. Die neue Kollektion der Vampir-Shirts musste mit Johan abgestimmt werden und vielleicht fiel ihnen noch etwas zu dem geplanten Bourbon-Laden ein.

Auch Facebook zeigte ihm etliche neue Likes an, doch nur ein Name stach ihm ins Auge. Romy Fionosa folgt dir jetzt. Romy Fionosa gefällt ein Foto von dir.
Seine Hand navigierte sich wie von selbst auf ihr Profilbild und er klickte es an.

Romy Fionosa. Mutter von zwei menschlichen und etlichen Fellbabys. Privat-Bibliothekarin. Gartenliebhaberin. In Europa geboren, in Amerika zu Hause.

Das Profilbild zeigte das Gesicht einer jungen Frau in der Seitenansicht. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Lippen blutrot und ein Großteil ihres abgewandten Gesichts wurde von wilden blonden Locken verdeckt.

Neugierig scrollte Hunter weiter, doch das Profil war scheinbar privat. Er konnte keine Fotos, Beiträge oder Freunde ansehen. Eine Welle der Enttäuschung durchfuhr ihn. Er spürte einen Verlust und konnte sich nicht erklären, wie dieses Gefühl zustande gekommen war. Seltsamerweisen wollte er mehr über diese Romy erfahren. Sie schien ein neuer Fan zu sein. Hatte sie die Vampirserie gesehen? Oder sein neues Format?

Er ging zurück zu Insta und öffnete seine Neuigkeiten. Sie hatte alle möglichen Fotos mit einem Herzchen versehen.
Hunter ging erneut auf ihren Account. Noch einmal überflog er sämtliche Fotos und achtete dabei auf die jeweiligen Angaben zum Standort. Portsmouth OH, Raceland KY, Huntington WV, Wheelersburg OH, aber am häufigsten las er einen Standort: Ashland KY.

Ashland. Noch nie hatte Hunter von einem Ort mit diesem Namen gehört. Ungeduldig tippte er den Ort in eine Suchmaschine. Nach wenigen Sekunden präsentierte ihm das Internet ein Ergebnis. Immerhin wusste er nun mit nur einem Blick, dass es nicht nur ein Ashland in Amerika gab, das er bisher nicht gekannt hatte.

Schon Mal in Kentucky gewesen?, schrieb er eine Nachricht an Johan, bevor er sich eines besseren besinnen konnte.

Gott sei Dank nicht. Dort sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht, kam prompt die Antwort.

Woher weißt du das?

Warum willst du das wissen?

Geht dich nichts an.

Wie auch immer. Wenn du das Nichts suchst, bist du dort vermutlich an der richtigen Stelle. Michael hat mir Mal von seiner Reise durch diese Region erzählt.

Hunter legte die Stirn in Falten.Was genau hat er erzählt?

Keine Ahnung. Es war jedenfalls nichts spannendes.

Hunter rollte mit den Augen. Dass Johan sich nicht erinnern konnte, hatte nichts zu bedeuten. Er interessierte sich am meisten für hübsche Mädels und verdrängte alle anderen Informationen schnell und gerne. Das Aufleuchten des Displays kündigte den Eingang einer weiteren Nachricht an.

Wenn dich dieses Nest so brennend interessiert, fahr doch in der drehfreien Zeit einfach Mal hin.

Einen Moment schloss Hunter die Augen. Er sah sich in seinem Cabrio sitzen und die Interstates entlang cruisen. Neben ihm saß eine knackige Brünette, deren Haar im Wind wehte. Aber so weit er wusste, hatte Romy Fionosa blonde Haare. Ruckartige riss er die Augen auf. Was war nur los mit ihm? Sein Handybildschirm leuchtete erneut auf.

Aber hol Inez vorher zurück, bevor sich Gott und die Welt fragen, wie du zeitgleich mit ihr im Pool dümpeln und durch die Pampa fahren kannst.

Das werde ich vielleicht tatsächlich tun.

Er müsste Inez ja nicht direkt bitten, zurück zu kommen. Vielleicht konnte er sie einfach überreden, sich ein wenig aus der Öffentlichkeit zurück zu ziehen und weiterhin so zu tun als wären sie zusammen auf der spanischen Urlaubsinsel.

Oder sie gab vor, er müsse an einer Promi-Geschichte arbeiten und hätte sich zurück gezogen. Oder er wäre früher abgereist. Was auch immer. Inez wusste was sie tat. Schließlich unterhielt sie ihre und zugegebenermaßen auch seine Follower regelmäßig mit netten Updates.

Cassie Lion - eine Novella •abgeschlossen•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt