Cassie Lion - eine Novella •abgeschlossen•

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Romy

Nachdem sie Hunter beruhigt hatte, war sie in ihr kleines Vorratsreich geklettert. Und mit geklettert meinte sie genau das. Eine klapprige Holzleiter führte in die Tiefe. Die letzten zwei Sprossen waren über die Jahre morsch geworden und gebrochen. Eine Zeitlang war sie herunter gesprungen und wieder hinauf geklettert, aber schließlich hatte sie in der Garage einen alten Holzblock gefunden und dort deponiert.

Wann immer sie vor den Regalen stand, überkam sie ein beruhigendes Gefühl. Sie hatte zwar sonst keine Kontrolle über das Leben, aber sie wusste zumindest, dass sie und die Mädchen so schnell nicht verhungern würden.

In den Regalen türmten sich allerhand Leckereien von Bolognesesauce über diverse Suppen, Bouletten, Gulaschgerichte, Säfte, Liköre und Obstkompotte. Nicht zu vergessen ihre umfangreiche Kuchensammlung. Selbst Kartoffeln, Reis und Nudeln hatte sie für den Fall der Fälle eingekocht. Flink stellte sie einen Auswahl zusammen und stieg die knarzende Leiter hinauf.

Vielleicht sollte sie doch bei Gelegenheit Mal etwas Zeit und Geld investieren, um das Ding auszutauschen. Sie würde sich buchstäblich in den eigenen Hintern beißen, wenn sie mit ihrem Korb - bis zum Rand gefüllt mit Eingemachtes - die Treppe herunter flog und alles zersprang. Von den zu erwartenden Verletzungen ganz zu schweigen.

Als sie das Bunkerhäuschen, das die meisten ihrer Gäste für eine Art Geräteschuppen hielten, verlassen hatte, hielt sie ihr Gesicht in den Wind. Sie liebte Sommerstürme. Diese Naturgewalten waren einfach zu beeindruckend um sich darüber zu ärgern.

Zwei Minuten gab sie sich, dann kehrte sie mit dem vollen Korb voller zurück. Beim Anblick von Hunters erleichtert Miene musste sie sich ein Lachen verkneifen.

Der Rest des Tages verlief relativ ereignislos. Natürlich saßen sie nicht still herum wie zwei Gestrandete ohne Kinder es getan hätten, sondern hatten jede Menge Abenteuer zu erleben. Es war ungewohnt, aber eigentlich sehr angenehm, Hunter den ganzen Tag um sich zu haben.

Es war als wäre sie mittendrin in seiner Serie, nur dass es diesmal eine Romcom statt eines Fantasy Epos war, dachte Romy während sie friedlich mit ihm auf dem Sofa saß. Die Mädchen waren davon gezogen und spielten auf eigene Faust etwas im Familienzimmer. Es klang verdächtig nach Bausteinen. Egal, sie würde sie später aufräumen und für Hunter einen ordentlichen Platz zum Schlafen zu schaffen.

Sie wusste nicht, warum, aber sie hoffte inständig, dass er wirklich kein Problem damit hatte, hier zu sein und nicht nur gute Miene zum bösen Spiel machte, wie man so schön sagte.

Aber statt Starallüren raushängen zu lassen und sich zu verkriechen, hatte er sich den ganzen Tag mit ihrer Familie beschäftigt. Sie hatten zusammen einen Kinderfilm gesehen, verkleiden gespielt, sich gegenseitig geschminkt und er hatte sogar beim Staubsaugen geholfen. Seine zukünftige Frau könnte sich echt glücklich schätzen.

Moment mal, war er nicht sogar verheiratet? Sie schielte auf seine linke Hand, doch am Ringfinger saß kein Ring. Auch nicht an den andere Fingern der Hand. Oder an der anderen Hand. Hmm. Vielleicht trug er ihn mit einer Kette um den Hals. Prüfend starrte sie auf seinen Hals. Doch auch hier war nichts zu sehen, außer des wohl schönsten Adamsapfels der Welt. Sie schluckte.

"Romina, ist alles in Ordnung?"

Oh je. "Ja, klar. Ich habe nur gerade...", murmelte sie und griff nach ihrem Telefon.

Sie öffnete Insta und gab seinen Namen ein. Dann scrollte sie ein paar Minuten durch die bunten Bildchen. Eins schöner als das andere. Aber keins so gut wie das Model selbst. In echt wirkte er noch viel besser. Jedes kleine Fältchen erwachte zum Leben und jede Pore strahlte Zufriedenheit aus. Das Spiel des Lichts in seinen Augen war einfach nur übertrieben schön und überhaupt ihn so nah erleben zu dürfen war völlig surreal. Sie rechnete jeden Moment damit aus einem Traum zu erwachen. Ihr Blick fiel zurück auf seine Fotos. Es war als starrte er sie direkt an.