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Romy

"Ohh", flüsterte Romy. Das konnte doch nicht wahr sein. Alexander Stewart alias Hunter Greer stand direkt vor ihrer Tür. Während der letzten Viertelstunde hatte sie nicht viel Zeit gehabt, den Fremden eindringlich zu begutachten. Aber das, was sie aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte, hatte ihr gefallen.

Nur wie hatte es ihr entgehen können, dass es sich um Hunter Greer handelte? Die Lederjacke, die Sonnebrille, die Statur. Heiliger Bimbam, das würde ihr ausreichend Stoff für einige Tagträume geben. Er sah aus wie seinem Insta entsprungen. Und sie hatte es nicht gemerkt. Toller Fan.

"Also okay, Hunter. Kommst du noch zum Tee mit rein? Oder Mom macht dir Kaffee, wenn du Tee eklig findest. Fast niemand hier mag Tee", erklärte ihre Tochter dem nicht mehr ganz so fremden Helfer.

Mochte ja sein, dass sie versucht hatte, ihren Töchtern vernünftige Umgangsregeln beizubringen, aber sie war sich sicher, dass Stars andere Sorgen hatten als Teepartys mit fremden kleinen Mädchen zu veranstalten. Überhaupt, was tat eine Berühmtheit wie er in Ashland, noch dazu hier draußen? Egal, wenn das hier nicht in Drama enden sollte, musste sie eingreifen.

"Gracie", begann sie behutsam und machte einen Schritt auf ihre Tochter zu. Sie hasste es, wenn die Mädchen enttäuscht wurde. Egal, ob große oder kleine Enttäuschungen, es brach ihr das Herz, vor allem, wenn sie sich wie jetzt tadellos verhielten und versuchten, das Richtige zu tun. "Ich glaube, Mr. Greer hat noch etwas besseres vor, als mit uns Tee zu trinken."

Ihre Tochter zuckte mit den Schultern. "Aber du hast gesagt, man muss sich anständig bedanken, wenn jemand hilft", sagte Gracie nicht im Geringsten verunsichert und verschränkte nun die Arme vor der Brust.

"Ist eine Einladung zum Tee nicht anständig?", erkundigte sich Tillie. Die steile Falte auf ihrer Stirn verriet, wie verwirrt sie von dieser ganzen Situation war. Hätte sie den Kinder doch bloß nicht erlaubt, alleine draußen spielen zu gehen.

"Doch, natürlich." Sie ging in die Knie um auf Augenhöhe mit den Mädchen zu kommunizieren. "Ich meine nur, dass Mr. Greer für heute vielleicht noch eine andere Verabredung hat, nicht wahr?", fügte sie an ihn gewandt hinzu.

"Hab ich nicht", sagte er gedehnt und zwinkerte ihr zu. Dann wandte er sich direkt an Grace. "Ich würde sehr gern einen Tee mit euch trinken. Aber wir müssen erst deine Mom fragen, ob das wirklich in Ordnung geht."

Grace sah Romy beinahe flehend an. Sie seufzte lautlos. Es gab scheinbar keinen Weg, aus dieser Nummer herauszukommen. Als wäre es nicht schon peinlich genug, dass ein Fremder das eigene Kind vor dem Sturz aus einem Baumhaus retten muss, nein, da muss dieser Fremde natürlich Hunter Greer sein.

Ausgerechnet der Schauspieler, dem sie seit Wochen und Tagen hinterher träumte. Vermutlich würde sie in der kommenden Stunde so häufig über ihre eigene Zunge stolpern, als wäre sie ihr direkt an den großen Zeh getackert. Bei der Vorstellung musste sie grinsen.

"Was ist, Mom?"

Immer noch lächelnd schüttelte sie den Kopf. "Nichts. Ich habe nur an etwas Lustiges gedacht. Lasst uns reingehen."

"Aber was war denn das Lustige?", hakte Tillie nach.

Romy öffnete die Tür und schob die Kinder herein. "Eine Zunge."

Als sie selbst in den Flur getreten war und die Tür für Mr. Greer aufhielt, versuchte sie, sich ein Bild von der Urordnung in ihrem Haus zu machen. Wie würde ein Fremder ihr Haus betrachten? In dem vor ihr liegenden Spielzimmer stand ein Sofa und überall auf dem Boden verteilt fand sich diverses Spielzeug, von Büchern, über Barbies bis hin zu Lego und anderen Bausteinen. Wenn sie eins mit Gewissheit sagen konnte, dann dass es diesen Kindern materiell gesehen an absolut Nichts fehlte.

Cassie Lion - eine Novella •abgeschlossen•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt