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Hunter

Am nächsten Morgen saß Hunter mit der Familie beim Frühstück. Ihrer Familie. Nicht seiner. Obwohl er sich mit jedem Tag wohler bei ihnen fühlte. Vielleicht würde er heute eine ruhige Minute finden, um Romina - oder sollte er sie von nun an Romy nennen? - zu erklären, warum er hier war.

Aber auch nachdem er die halbe Nacht wach gelegen hatte und das Problem endlose Male hin und her gedreht hatte, stand er immer vor dem selben Verdacht: es würde kein gutes Ende nehmen. Romina würde die Nachricht verstimmt aufnehmen. Die Unbefangenheit wäre, völlig zurecht, vorbei. Sie würde ihn gruslig finden und heraus werfen. Und egoistisch wie er in dem Fall war, wollte er einfach noch nicht gehen.

"Hey, Hunter. Was denkst du?"

Er drehte den Kopf nach rechts und sah in Gracies strahlende Augen. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er ihren kritischen Blick sah. Die Mädchen waren so goldig, so großartige Geschöpfe. Was war Christopher nur für ein elender Versager gewesen, wenn er lieber in der Weltgeschichte herumtobte, statt Zeit mit seiner perfekten Familie zu verbringen.

"Ich habe darüber nachgedacht, was wir heute tun", log Hunter schnell.

Rominas Augenbraue schoss in die Höhe. Natürlich hatte sie ihn durchschaut. Sie war einfach zu klug um sich etwas vormachen zu lassen. Sicherlich wusste sie, dass ihn etwas anderes beschäftigt hatte. Aber er betete, dass ihre Fantasie nicht ausreichte, um ihr die Wahrheit auszumalen über einen Fremden, der nicht nur aus Zufall hier war und darüber sinnierte, was ihr Exmann für ein Trottel war.

"Das Wetter ist besser. Wir werden also rausgehen und schauen, was der Sturm alles von den Bäumen geholt hat."

Gracie stöhnte, während Tillie "Juchu!" schrie.

Hunter hatte ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer, was Gracie zum Stöhnen verleitete. Es war ja nicht so, als würde sie höchst persönlich die herabgefallenen Äste aufsammeln und klein hacken müssen, nicht wahr?

Drei Stunden später ging Hunter langsam auf, was in Gracie vorgegangen war. Inzwischen waren sie in die Küche zurück gekehrt. Die Arbeitsplatte und der Boden standen voll mit Körben und Eimern, bis zum Rand gefüllt mit verschiedenen Obstsorten.

Es hatte sich schnell herausgestellt, dass es kaum etwas gab, das Romy weniger interessierte als herabfallende Äste. Sicherlich würde sie in den kommenden Tagen die Bäume am See auf Totholz prüfen, eh sie die Mädchen wieder dort spielen ließ. Falls sie sie jemals wieder dort spielen ließ. Was er nicht hoffte.

Im Moment trieben sie sich noch auf der Obstwiese hinter dem Haus herum. Ob er mit Romina darüber sprechen sollte? Gedankenverloren sah er ihr dabei zu, wie sie durch ihre Schränke wirtschaftete und riesige Töpfe hervorholte.

"Wenn die Mädchen alleine draußen spielen, sollten wir dann einmal nachsehen, dass ihnen unten am See nichts passieren kann?", wagte er schließlich den Vorstoß.

Romina griff nach einer Schüssel Obst, wusch es ab und kippte es in die nächste Schüssel, die bereits auf einer Küchenwaage stand. "Wegen des Baumhauses?"

"Ja. Auch", sagte er, erleichtert, dass sie seinen Wink verstanden hatte.

Sie nickte gedankenverloren. "Ja. Ich muss mir Mal einen Plan machen, wie das Haus aussehen soll und dann muss ich Donnie endlich bitten, es fertigzustellen."

Sie öffnete einen weiteren Küchenschrank und zog eine ganze Stiege Was-auch-immer heraus. Daneben lagen Gefrierbeutel, noch mehr Schüsseln und neben dem Herd entdeckte er Gewürze, die dort an den anderen Tagen nicht gestanden hatten.

Cassie Lion - eine Novella •abgeschlossen•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt