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Romy

Sie hatten geschwitzt. Den ganzen Nachmittag. Trotz Klimaanlage. Romy konnte sich ehrlich nicht dran erinnern, wann sie das letzte Mal so k.o. gewesen war.

Aber dann hatte sie ihr Werk betrachtet. Dutzende Marmeladen, Säfte, Kuchenfüllungen und diverse Gefrierbeutel voll mit vorbereitetem Obst hatten vor ihr gelegen. Wenn es eins gab, das sie hasste wie die Pest, dann war es Verschwendung - oder in ihrem Fall einfach nur Nichtnutzung. Ihr Garten warf so viele Erträge ab, da wäre sie ja wirklich blöd, wenn sie das ganze Obst und Gemüse nicht verwerten würde. Ja, es war viel. Viel Essbares. Und viel Arbeit. Aber sie freute sich ehrlich über jedes eingemachte Glas, das sie im Verlauf der kalten Jahreszeit öffnen würde.

Und obwohl es diesmal kaum mehr Obst war als in den Jahren zuvor und sie mehr oder weniger unerwartet sogar Hilfe gehabt hatte, war sie am Abend völlig platt und mit schmerzenden Gliedern ins Bett gefallen. Die Beine hatten vom Stehen geschmerzt und der Nacken war verspannt wie nie zuvor.
Doch als Romy am nächsten Morgen die Augen aufschlug, und dem leisen Vogelgezwitscher lauschte, fühlte sie sich wie neu geboren. Witzig, wie eine erholsame Nacht manchmal alles Elend wieder wett machen konnte. Nun ja. Fast alles.

Schnell schob sie die negativen Gedanken beiseite und warf die Decke zurück. Kurz und schmerzlos war fast immer ihre Devise und so schwang sie die Beine über die Bettkante, glitt auf den weichen Läufer und tappste auf leisen Sohlen ins Bad um sich für den Tag herzurichten.

Nachdem sie angekleidet war, steckte sie ihr Haar locker hoch und machte sich auf den Weg in die Küche. Im Flur blieb sie einen Moment stehen und spitzte die Ohren, doch im Haus war es ruhig. Also schliefen sowohl die Mädchen als auch ihr gemeinsamer Gast noch. Kein Problem. Dann würde sie mit dem Frühstück noch einen Moment warten und stattdessen in der Garage nach dem rechten sehen.

Mit geschlossenen Augen im Bett liegend, hatte sie eine Idee gehabt, wie sie den Tag heute nutzen wollte. Doch dafür musste sie ein paar Vorkehrungen treffen. Auch für den Fall, dass Hunter sie begleiten wollte. Worüber sie sich natürlich freuen würde. Allein bei dem Gedanken daran, kribbelte ihre Haut.
Leise öffnete sie die Verbindungstür und zuckte zusammen, als die frische Luft aus der Garage ihr entgegenströmte.

Es ging doch nichts über einen kühlen Sommermorgen - aber bitte passend gekleidet. Also schnappte Romy sich schnell ihre Jacke vom Haken neben der Tür ehe sie die Werkstatt betrat. Leicht fröstelnd machte sie sich an die Arbeit, stellte Räder bereit, pumpte Luft, suchte Helme und war schließlich zufrieden.
Glücklicherweise waren sowohl Hunter als auch die Mädchen bei ihrer Rückkehr ins Haus erwacht und standen jeder für sich geschniegelt und gestriegelt vor ihr.
Romy musste sich ein Lachen verkneifen. Hatte Hunter sich etwa die Mühe gemacht und versucht, Grace einen Zopf zu flechten? Wie groß sie damit auch gleich wirkte.

"Oh, guten Morgen alle miteinander. Ihr seid ja schon wach. Wer hat Hunger?"

"Ich!" - "Ich", schrien beide Mädchen um die Wette.

"Na dann los. Tischdecken. Hoppi Galoppi", sagte Romy fröhlich und wusch sich flink in der Küchenspüle die Hände, bevor sie sich an Hinter wandte. "Heute morgen Tee oder Kaffee?"

"Tee, bitte."

Sie lachte. "Du musst nicht meinetwegen auf Kaffee verzichten."

"Ich glaube, den Koffeinkonsum zurückzufahren, könnte sich positiv auf meine Gesundheit auswirken." Er zwinkerte ihr zu und ging ohne zu fragen auf die Schränke zu um Teller, Besteck und Tassen herauszuholen.

Wie sehr sie davon angetan war, dass er ihr ohne mit der Wimper zu zucken bei den einfachsten Kleinigkeiten zur Hand ging. Nicht in der Art, als wäre sie unfähig. Einfach, weil es sich gehörte, mitzuhelfen. Ganz anders als Alex.

Cassie Lion - eine Novella •abgeschlossen•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt