CARLA
Ich verließ gerade das Haus, um Luca zu besuchen, als Papá mit einer Tüte voller Frühstück und einem niedergeschlagenen Gesichtsausdruck den Hügel hinaufkam. Was war passiert? Ich blieb stehen.
"Papá, was ist los?", fragte ich besorgt nach, worauf er aufsah. Mir fiel auf, dass er seltsam lief, er trat nicht auf die Fugen im Boden und wirkte so, als würden Tränen in seinen Augen stehen. Was war denn passiert? "Papá, hast du geweint? Was ist passiert?" Er schüttelte den Kopf und gab mir einen Kuss auf die Wange.
"Es ist alles gut, Carlita, mach dir keine Sorgen. Geh ruhig zu Luca, wenn du möchtest", wehrte er ab und wollte reingehen, aber ich schüttelte den Kopf und hielt ihn fest.
"Papá, ich bin nicht mehr klein! Ich bemerke es, wenn etwas nicht stimmt! Was ist passiert?", fragte ich noch einmal besorgt nach, aber er schüttelte nur wieder den Kopf.
"Nichts, mi amor, mach dir keine Sorgen", wehrte er wieder ab, aber so einfach würde er mich nicht losbekommen. So leicht ließ ich mich nicht abwimmeln! Ich konzentrierte mich auf seine Gedanken.
Carla, es ist nichts. Du kannst mir glauben.
Verdammter Mist! Ich stöhnte genervt und verdrehte die Augen. Wieso mussten meine Augen mich auch immer verraten?!
"Es ist alles in Ordnung, mi vida, wie gesagt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen und auch keine Gedanken zu lesen, ja?", sagte Papá und lächelte mich an, aber es wirkte nicht ehrlich. "Geh ruhig zu Luca, ihr wolltet doch zusammen frühstücken, oder?"
"Ja, schon, aber...", begann ich, aber er unterbrach mich.
"Dann viel Spaß euch zwei", meinte er und bevor ich etwas erwidern konnte, war er im Haus verschwunden. Ich sah Casita an.
"Verstehst du das?", fragte ich, das Haus deutete mit ihren Ziegeln ein Schulterzucken an. Ich seufzte. Das war doch unglaublich! "Na gut, dann gehe ich zu Luca. Gib Bescheid, falls etwas ist, ja, Casita? Ich mache mir wirklich Sorgen um Papá." Das Haus schlug mit den Fensterläden, was ich als Zustimung nahm. Also lief ich los zu Luca, obwohl ich immer noch ein komisches Gefühl bei der Sache mit meinem Vater hatte. Etwas war passiert, da war ich mir sicher, aber ich wusste nicht, was genau. Während ich durch die Stadt lief, konzentrierte ich mich auf die Gedankenstimmen um mich herum, in der Hoffnung, etwas zu erfahren. Ich war schon fast bei Lucas Wohnung angekommen, als ich plötzlich etwas hörte, das meine Aufmerksamkeit erregte.
Zum Glück kommt Bruno nicht zu meinem Geburtstag! Sonst würde er ihn nur ruinieren, und das kann nicht sein! Er bringt nur Pech, die Leute von früher hatten recht! Er wird unsere Ernte ruinieren und bevor er auch noch meinen Geburtstag kaputt macht, soll er lieber wegbleiben! Wer weiß, ob er nicht doch Sofías Kette gestohlen hat?
Ich sah mich verwirrt um und versuchte die Stimme zuzuordnen, aber das gelang mir nicht und niemand verhielt sich auffällig. Wer hatte das gedacht? Wer verdächtigte Papá? War das vielleicht die Person, wegen der Papá gerade eben so seltsam drauf gewesen war? Ich blieb stehen und sah mich weiter um, aber ich konnte niemand Auffälligen sehen und die Stimme meldete sich auch nicht mehr zu Wort, also lief ich weiter zu Lucas Wohnung. Ich öffnete die Tür und stieg die Treppen zu seiner Wohnung hinauf, bevor ich an seine Tür klopfte. Es dauerte eine gute Minute, bis Luca mir in kurzer Hose und einem riesigen T-Shirt die Tür öffnete. Ich musste grinsen, als ich seine verwuschelten Locken sah.
"Habe ich dich geweckt?", fragte ich grinsend, er nickte.
"Ja, irgendwie schon. Tut mir leid, ich hab total vergessen, dass wir frühstücken wollten. Komm rein, ich ziehe mir bloß noch schnell etwas anderes an", antwortete er und gähnte müde, ich lachte und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
"Mach das, ich kümmere mich schon mal um das Frühstück", erwiderte ich, worauf er zurück ins Schlafzimmer ging und ich die Tür schloss. "Können wir übrigens mal über etwas reden?"
"Über alles, mi vida!", rief er aus dem Schlafzimmer zurück.
"Ich hab gerade meinen Vater vor dem Haus getroffen und er war total komisch drauf! Er sah so aus, als wäre er kurz vorm Weinen, aber er wollte nichts zugeben und auch seine Gedanken haben nicht hergegeben! Und dann habe ich gerade eben eine Stimme gehört, die sich darüber gefreut hat, dass Papá nicht zu ihrem Geburtstag kommt, weil er sowieso nur Pech bringt! Das ist doch unglaublich, oder? Ich habe das Gefühl, dass das Dorf langsam wieder zu seinem Ursprung zurückkehrt und wieder anfängt, Papá für Unglück verantwortlich zu machen! Ich will das nicht, das tut Papá wirklich nicht gut!", erklärte ich und drehte mich zu Luca um, als er auch in die Küche kam. Er biss sich unsicher auf die Lippe und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Das ist wirklich blöd, da hast du recht. Hast du die Person angesprochen, die so gedacht hat?", fragte er nach, aber ich schüttelte den Kopf.
"Nein, ich konnte niemanden ausfindig machen", antwortete ich und seufzte. "Das alles macht mich irre! Es hat sich gerade die Aufregung wegen Sofías Kette gelegt und jetzt so etwas!"
"Ich verstehe dich, Carla, aber wir können leider nicht viel tun", wandte er ein und legte mir eine Hand auf die Schulter. "Oder hast du eine Idee?"
"Nein, leider nicht. Und jedem eine zu klatschen, der so etwas denkt, wird auch nicht gehen", erwiderte ich niedergeschlagen. Luca wollte gerade etwas erwidern, als es an die Tür klopfte. Luca sah mich verwirrt an. "Erwartest du noch mehr Besuch?"
"Nein, eigentlich nicht. Warte hier", erwiderte er ebenso verwirrt, bevor er zur Tür ging. Er öffnete sie. "Carlos? Was willst du denn hier?" Ich ging neugierig zur Tür.
"Kann ich nicht einfach mal meinen Cousin in seiner neuen Hütte besuchen?", fragte Carlos nach, Luca nickte.
"Kannst du schon, würdest du nur nie tun, wenn du nicht auch etwas von mir willst. Und so früh bist du für gewöhnlich auch nicht wach", antwortete Luca. "Also? Was ist?" Carlos kam in die Wohnung, Luca schloss die Tür hinter ihm. Als er mich sah, nickte er nur knapp zur Begrüßung. Er holte eine kleine schwarze Maske aus der Tasche und legte sie auf den Küchentisch.
"Meine Eltern wollen mir nicht glauben, aber ich hab mit meinen Freunden schwarze Gestalten im Wald gesehen, fast schon wie Gespenster. Ich war vorhin im Wald und habe nach Beweisen gesucht, dabei hab ich das hier gefunden", erklärte er und zeigte auf die Maske. "Sie lag unter einem Baumstamm bei einer schönen Lichtung mit einem Bach. Die war auch sehr versteckt." Ich sah Luca an. Eine schöne, versteckte Lichtung mit einem Bach und Baumstamm? Wie die Lichtung, die Mamá und Papá mir gezeigt hatten? Luca schien auch zu bemerken, dass etwas nicht stimmte, denn er sah seinen Cousin an.
"Zeig uns die Lichtung, sofort."
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Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung
FanfictionEin Jahr nachdem Carla aus Medellín zurückkehrt, erhält sie einen Brief von Luca. Dieser wird nach Encanto zurückkehren und hat vor, auch dort zu wohnen, um bei ihr sein zu können. Es scheint so, als sei das Glück perfekt, doch dann hat Bruno einen...