Kapitel 8

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BRUNO

Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht. Um ehrlich zu sein, schlief ich sogar gar nicht. Ich warf mich unruhig im Bett herum, während Lia ruhig neben mir schlief. Ich fühlte mich einfach zu unwohl, um zu schlafen und starrte nur unsicher die Wand an. Nach einigen Stunden reichte es mir. Ich hatte lange genug wach im Bett gelegen, ich brauchte ein bisschen frische Luft. Der Traum von letzter Nacht nagte noch an mir und ich wollte jetzt unbedingt ins Dorf gehen, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Also schlüpfte ich leise aus dem Bett und zog mir meinen Poncho über, bevor ich leise aus dem Zimmer schlich. Es war dunkel und angenehm kühl draußen, dazu konnte ich außer einigen Grillen nichts hören. Alle schienen also zu schlafen. Ich warf einen Blick zur Kerze, doch die leuchtete ganz normal. Mit der Magie schien also alles in Ordnung zu sein - zum Glück. Ich lief die Treppe hinunter und öffnete die Tür, um nach draußen zu gehen. Vom Hügel aus war alles friedlich, das Dorf lag ruhig und dunkel vor mir. Trotzdem wollte ich auf Nummer sicher gehen und lief die Straße ins Dorf hinab. Es war keiner mehr auf den Straßen, nur in einigen Fenstern brannten noch Kerzen. Sofía, die Bäckerin, stand am Fenster und schüttelte einen Teppich aus, als ich vorbeikam und lächelte mich an.
"Hola, Bruno. So spät noch auf?", fragte sie neugierig nach, ich nickte.
"Ja, leider schon. Ich konnte nicht schlafen und hab mir gedacht, dass ich dann auch einen kleinen Spaziergang machen kann. Und du? Du bist auch noch wach?", erwiderte ich und blieb stehen, um mit ihr zu sprechen.
"Ja, genau. Carlos hat wieder Ärger gemacht, du kennst den Jungen ja! Er kann sich einfach nicht benehmen und wir hatten einen sehr anstrengenden Abend mit ihm. Ich brauchte ein bisschen Ruhe, bevor ich richtig schlafen kann. Und dann kann ich auch genauso gut den Teppich ausschütteln", erklärte sie und schüttelte den Kopf.
"Was hat Carlos denn wieder gemacht?", fragte ich neugierig nach.
"Er erfindet wieder irgendwelche komischen Geschichten! Er kam zu spät nach Hause und meinte, dass er drei Reiter gesehen hätte, die schwarze Masken hatten und durch den Wald geritten sind wie Gespenster! Das ist absolut irre! So etwas gab es hier noch nie", antwortete sie. "Der Junge hat schneller eine Ausrede, als wir ihn fragen können!"
"Ja, das klingt wirklich seltsam", gab ich zu. "Es gibt hier ja eine Menge, aber Gespenster? Das kann gar nicht sein!" Sie nickte.
"Ganz genau", stimmte sie zu und seufzte. "Aber ich will dich auch nicht länger aufhalten. Gute Nacht, Bruno. Ich gehe jetzt auch ins Bett, wir brauchen beide wahrscheinlich einfach nur etwas Ruhe."
"Gut möglich", erwiderte ich. "Gute Nacht, Sofía."
"Gute Nacht." Sie ging ins Haus und schloss ihr Fenster, also lief ich auch wieder weiter durch die dunklen, ruhigen Gassen und genoss die Stille. Möglicherweise hatte ich wirklich nur übertrieben und es war gar nichts mit dem Dorf. Träume mussten ja nicht immer etwas bedeuten, oder? Ich hatte bestimmt nur überreagiert, mehr nicht. Meine Vision machte mir aber trotzdem etwas Angst. Es konnte nicht sein, dass ich alleine war! Lia würde mich nie verstoßen und die Kinder auch nicht, das wusste ich genau! Aber warum hatte ich dann diese Vision gehabt? Ich schüttelte den Kopf. Es war egal, meine Familie würde mich nie verstoßen, da war ich mir sehr sicher. Ich lief wieder zurück nach Hause, Casita öffnete mir die Tür. Ich bedankte mich knapp bei unserem Haus, bevor ich wieder nach oben ins Schlafzimmer ging. Lia schlief noch, als ich mir meinen Poncho auszog und mich wieder zu ihr legte. Ich nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich die Augen schloss.

Schlafen konnte ich trotzdem nicht. Gegen sieben Uhr wachte Lia auf und ich tat so, als wäre ich auch gerade eben aufgewacht, um sie nicht zu beunruhigen. Wenn sie wüsste, dass ich nicht eine Sekunde lang geschlafen hatte, würde sie sich nur unnötig Sorgen machen und das wollte ich nicht. Also zog ich mich einfach mit ihr an und ging mit ihr dann nach unten in die Küche, um beim Frühstück zu helfen. Ich wollte gerade mit Casitas Hilfe den Tisch decken, als die Tü aufging und Sofía hereinkam. Mamá, die bei Lia und Julieta in der Küche war, drehte sich verwirrt um, als sie reinkam. Ich ging ebenfalls in den Eingangsbereich, als ich Sofías aufgeregtes Gesicht sah. Was war passiert? Hatte Carlos wieder etwas angestellt? Luca und Carla kamen auch die Treppe nach unten, warum die beiden schon wach waren, wusste ich nicht.
"Sofía, was ist los? Du wirkst so aufgeregt", fragte Mamá besorgt nach, Sofía nickte.
"Ja, das bin ich auch! Seit heute Morgen fehlt meine Goldkette!", antwortete sie.
"Deine Goldkette?", fragte Lia verwirrt nach, Sofía nickte.
"Ja, die hatte ich von meiner Mutter geschenkt bekommen, sie ist ein Erbstück!", erwiderte sie aufgebracht. "Und mein Fenster war aufgebrochen, als ich heute Morgen nach unten kam! Jemand ist bei uns eingebrochen!" Eingebrochen? Seit wann gab es im Dorf denn jemanden, der einbrach und Sachen stahl? Das war nicht möglich! Ich konnte mir niemanden vorstellen, der das tun würde!
"Eingebrochen? Bist du dir sicher, tía?", fragte Luca besorgt nach, Sofía nickte.
"Ja, ganz sicher!", stimmte sie zu.
"Und hast du jemanden im Verdacht?", fragte er weiter nach, sie seufzte und sah mich an.
"Nimm es mir nicht übel, Bruno, ich glaube nicht, dass du es warst, aber du warst gestern Nacht der Einzige, der draußen war", sagte sie, worauf ich sie geschockt ansah. Ich sollte die Kette gestohlen haben?! Niemals!
"Sofía, das ist eine schwere Anschuldigung!", warf Lia sofort ernst ein.
"Ich weiß und ich bin mir auch sehr sicher, dass Bruno es nicht war, aber du warst der Letzte, den ich gesehen habe. Und du warst auch der Letzte außer mir, der die Kette gesehen hat. Letzte Nacht habe ich sie noch getragen", wandte Sofía ein und sah mich entschuldigend an. "Es tut mir leid, Bruno."
"Bist du vollkommen durchgedreht?!", kreischte Carla jetzt laut, worauf wir uns erschrocken zu ihr umdrehten. "Papá würde niemals etwas stehlen! Allein schon, dass du auf so eine Idee kommst, ist total wahnsinnig!"
"Carla, beruhige dich bitte!", bat Mamá streng, aber Carla schüttelte den Kopf.
"Nein! Sie beschuldigt Papá, eine Kette geklaut zu haben! Das ist irre! Wahrscheinlich hat dein idiotischer Sohn sie genommen, Sofía! Dem traue ich das vollends zu! Aber Papá niemals!", schrie Carla wütend, aber ich legte ihr eine Hand auf die Schulter.
"Carlita, mi vida, beruhige dich bitte. Es ist alles in Ordnung, Sofía weiß, dass ich es nicht war. Das hat sie doch gerade eben gesagt! Geh bitte eine Runde raus spazieren, wir besprechen das", bat ich ruhig, obwohl es mich freute, dass sie mich so verteidigte. "Tu mir den Gefallen, ja?" Sie seufzte und warf Sofía einen wütenden Blick zu.
"Na gut, aber wenn ich noch mal so einen Mist höre, dann halte ich mich nicht mehr zurück!", knurrte sie, bevor Luca sie nach draußen schob. Ich konnte sie verstehen, ich war genauso aufgebracht wie sie über Sofías Anschuldigung, aber ich war es nicht gewesen! Ich würde niemals etwas stehlen! Ich musste nur hoffen, dass Lia, Julieta und Mamá mir das auch glaubten!

Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt